Weiter wie bisher, aber anders
Über Monate hat US-Präsident Donald Trump das Rätselraten um den Chefposten bei der Zentralbank Federal Reserve mit öffentlichen Äußerungen und Statements auf Sozialen Medien angeheizt. Mit seiner am Donnerstag verkündeten Wahl schlug er eine Brücke zwischen Veränderung und Verlässlichkeit.
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Im Oktober grenzte Trump den weiten Kreis der Anwärter auf drei ein: Die Wahl falle zwischen dem erfahrenen Notenbanker Jerome Powell, dem Ökonomen John Taylor und der derzeitigen Fed-Chefin Janet Yellen, deren Amtszeit im Februar 2018 endet. Der ehemalige Banker Gary Cohn, der oberste Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, galt ursprünglich als Favorit, fiel aber in Ungnade, nachdem er Trumps lasche Reaktion auf rechtsextreme Gewalt in der US-Stadt Charlottesville kritisiert hatte.

Reuters/Joshua Roberts
Yellens Amtszeit auf dem Chefsessel läuft im Februar aus. Dem Fed-Direktorium gehört sie aber noch bis 2024 an.
Spuren des Vorgängers sollen weichen
Die Wahl fiel schließlich auf Powell - und damit auf eine Fortsetzung des bisherigen Kurses. Powell ist zwar anders als Yellen dem Lager der Republikaner zuzuordnen, ökonomisch vertritt er aber die behutsame Zinspolitik der jetzigen Fed-Chefin. Doch auch wenn Powell für Kontinuität steht, bricht Trump durch seine Nominierung mit einem jahrzehntelangen Usus: Üblicherweise belassen die US-Präsidenten die von ihrem Vorgänger ernannten Notenbankdirektoren auf ihrem Posten. Trump hätte die Option gehabt, Yellen für eine weitere Amtszeit zu ernennen, zeigte sich aber erneut entschlossen, mit allen Hinterlassenschaften seines Vorgängers Barack Obama aufzuräumen.
Powell handelte sich den Ruf einer „Taube“ ein, also als Anhänger einer lockeren Geldpolitik, weil er Yellens moderaten Zinskurs bei allen Abstimmungen im zuständigen Fed-Ausschuss unterstützte. Zugleich trug er auch die im Herbst eingeläutete vorsichtige Reduzierung des gigantischen Anleihekaufprogramms mit, mit dem die Notenbank in den Jahren seit der Finanzkrise von 2008 die US-Wirtschaft gestützt hat.
Wunsch nach lockererem Regelwerk für Banken
Eine gewisse Neujustierung verspricht sich Trump von Powell aber zumindest in einem Punkt - nämlich die Bereitschaft, bei Lockerungen der nach der Finanzkrise eingeführten Bankenregulierungen mitzumachen. Powell werde den Präsidenten wahrscheinlich bei diesem Vorhaben unterstützen, sagten Insider der „Washington Post“. In einer Rede Anfang Oktober hatte Powell durchblicken lassen, dass er ein gewisses Maß an Deregulierung befürwortet: „Mehr Regulierung ist nicht die beste Antwort auf jedes Problem“, sagte er.
Und auch die Mission Wachstum teilt Powell mit Trump: Die Förderung der Wirtschaftsleistung liege im „höchsten nationalen Interesse“, sagte er jüngst bei einer Reuters-Veranstaltung in seiner Heimatstadt Washington. Trump strebt mittelfristig ein Plus beim US-Bruttoinlandsprodukt von drei Prozent an. Auch Powell kann sich offenbar für dieses ambitionierte Ziel begeistern: „Schon ein Prozentpunkt mehr Wachstum kann im Leben der Menschen einen riesigen Unterschied machen.“
Studierter Jurist, erfolgreicher Banker
Sollte Powell das notwendige grüne Licht des Senats bekommen, wäre er der erste Fed-Chef seit Jahrzehnten ohne Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. Der dreifache Vater stammt aus der Hauptstadt Washington und studierte an der Eliteschmiede Princeton in Neuengland, bevor er an der Georgetown University in seiner Heimatstadt einen Abschluss in Jus machte. Danach wurde er Investmentbanker und erarbeitete sich ein Vermögen.
Auch Politikerfahrung hat Powell reichlich: In den 1990er Jahren arbeitete er für das US-Finanzministerium unter Präsident George H. W. Bush. Als Anwalt beim Thinktank Bipartisan Policy Center versuchte er später erfolgreich, die Spannungen zwischen republikanischer Parlamentsmehrheit und demokratischer Führung unter Obama um die Schuldenobergrenze zu lösen, und trug damit seinen Teil dazu bei, dass es nicht zu einem Regierungsstillstand kam.
„Nervtötend normal“
Powell wird als ruhiger, ausgleichender Mann bezeichnet, der seine Worte mit Bedacht wählt. Als „nervtötend normal“ bezeichnete den 64-Jährigen die „Washington Post“. Faktum ist, dass es Trump mit seiner Ernennung geglückt sein dürfte, Yellen vom Fed-Chefsessel zu entfernen und damit einen eigenen Akzent zu setzen, zugleich aber den Finanzmärkten Kontinuität in der Geldpolitik zu signalisieren. Peter Conti-Brown, Assistenzprofessor an der Universität von Pennsylvania, fasst das so zusammen: Powell entspräche am besten dem Wunsch der Republikaner nach einer „Yellen-Fed ohne Yellen“.
Der Wall Street gab Powells Nominierung am Donnerstag etwas Schwung. Der Dow Jones Industrial baute seine Gewinne im späten Handel etwas aus und erreichte bei 23.531 Punkten ein Rekordhoch. Zum Börsenschluss behauptete der US-Leitindex immerhin noch ein Plus von 0,35 Prozent.
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