CIA stellt halbe Million Dateien ins Netz
Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hat ein gigantisches Archiv mit schriftlichen Dokumenten und Video des 2011 getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden frei zugänglich gemacht. Die Veröffentlichung des Materials ermögliche den Menschen, „einen tieferen Einblick in die Arbeit und Pläne der Terrororganisation zu bekommen“, sagte CIA-Direktor Mike Pompeo.
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Das Archiv umfasse fast 470.000 Dokumente, teilte die CIA mit. Die Briefe, Videos, Audiodateien und weiteres Material seien im Mai 2011 bei einer Kommandoaktion in Pakistan sichergestellt worden. Damals stürmte eine US-Spezialeinheit Bin Ladens Haus in der Stadt Abbottabad und töteten den überraschten 54-Jährigen. Bin Laden hatte das Terrornetzwerk al-Kaida gegründet. Er gilt als Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 mit etwa 3.000 Toten in New York.
„Material wird uns Jahre beschäftigen“
Für Forscher ist das CIA-Archiv eine Fundgrube. „Diese Dokumente sind entscheidend für das Verständnis der Geschichte al-Kaidas und liefern neue Erkenntnisse über die Geschichte des Islamischen Staates (IS) und dessen Vorgängerorganisationen“, sagte der Terrorismusexperte Thomas Joscelyn vom Politikinstitut Foundation for Defense of Democracies (FDD).
„Das Material wird uns für Jahre beschäftigen“, ergänzte Joscelyns Kollege Bill Roggio. So gewähre es Einblicke in das Privatleben des einst meistgesuchten Terroristen der Welt. Unter anderem erfreute sich Bin Laden an der Dokumentation „Where in the World is Osama bin Laden“ (Wo in aller Welt ist Osama bin Laden).
Erstaunliche Sehgewohnheiten
Rückschlüsse auf seine Sehgewohnheiten lässt auch dessen Sammlung von Trickfilmen wie „Antz“, „Chicken Little“, „Cars“, „Tom und Jerry“ sowie die japanische Serie „Detective Conan“ auf Arabisch zu. Anscheinend mochte Bin Laden auch „Mr. Bean“ und sah die ersten viralen YouTube-Hits und Internet-Memes. Zur Sammlung des Terrorchefs gehörten auch Videoanleitungen zum Häkeln verschiedener Figuren wie einem Schmetterling.
Nicht nur Videos mit Lebenstipps und eine Pornosammlung befinden sich in dem veröffentlichten Archiv, das vielmehr erstmals auch Aufschluss über Familienstrukturen um Bin Laden gibt. Die CIA veröffentlichte beispielsweise ein Hochzeitsvideo des Sohns Hamsa bin Laden, von dem bisher nur Aufnahmen als Kind bekannt waren.
Die Terrororganisation versuchte, ihn seit dem Tod des Gründers als einen Führer des terroristischen Dschihads zu profilieren. 2015 wurde er in einer Audiobotschaft zum offiziellen Mitglied al-Kaidas ernannt. Darin rief er zu Angriffen auf die Hauptstädte westlicher Länder und ihrer Verbündeter auf, darunter Washington, Paris und Tel Aviv. Anfang des Jahres setzte ihn die US-Regierung auf ihre Terrorliste.
Shakespeare als Wendepunkt
Veröffentlicht wurde jetzt auch das Tagebuch Osama Bin Landes, 228 Seiten mit persönlichen Aufzeichnungen. Daraus geht hervor, dass er darauf gesetzt hatte, vom arabischen Frühling zu profitieren. So kam es etwa schnell zu Al-Kaida-Operationen in Libyen, das durch den Aufstand und den Tod von Muammar al-Gaddafi im Chaos versunken war.

APA/AFP
Osama bin Laden in einer seiner Videobotschaften
Wie die britische Zeitung „Guardian“ berichtet, hielt Bin Laden in seinem Tagebuch auch fest, dass ausgerechnet ein Besuch Großbritanniens und der Geburtsstätte des Dichters Shakespeare ihn zu der Überzeugung brachte, der Westen sei dekadent. Bin Laden hatte als Jugendlicher in Oxford einen Englischkurs gemacht.
Verbindungen zu IS und den Taliban
Für die Forscher ist vor allem Material von großem Interesse, das Einblicke auf die Zusammenhänge in der islamistischen Szene zulässt. Den Experten um Joscelyn zufolge konnte erstmals bewiesen werden, dass Bin Laden auch in seinen letzten Lebensjahren noch als Anführer der Terrororganisation fungierte - obwohl er sich in Pakistan versteckt hielt - und damit nicht wie bisher vermutet aus eigenem Willen die Verantwortung abgab.
Joscelyn sagte, die Dokumente bewiesen eindeutig, dass eine Verbindung zwischen dem Iran, der Terrormiliz IS und der Al-Kaida-Führung bestehe. So erhielten Gruppen wie al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), al-Kaida im Maghreb (AQIM) und die somalische Terrorgruppe Al Schabaab Anweisungen von Bin Laden. Auch versuchte er, Einfluss auf die pakistanischen und afghanischen Taliban zu nehmen.
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