Themenüberblick

Cluster, Experten und zwei Parteilinien

Ab Dienstag werden die Koalitionsverhandlungen thematisch. In fünf Clustern - so die Diktion von FPÖ und ÖVP - wollen die beiden Parteien über ihr zukünftiges Regierungsprogramm verhandeln. Die Gespräche finden zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Doch aufschlussreich ist bereits, wer denn hinter den verschlossenen Türen verhandelt.

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Wenn es um sein Team für die Koalitionsverhandlungen geht, wird ÖVP-Chef Sebastian Kurz dem Attribut „neu“ gerecht. Aus der bisherigen Regierung hat es neben dem Außenminister selbst nur Wolfgang Sobotka in die Runde der Verhandler geschafft. Der Innenminister soll für die ÖVP die Gespräche zu den Themenbereichen Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz leiten.

Steuerungsgruppe nur für enge Kurz-Vertraute

Die Steuerungsgruppe - jener Zirkel, der die Verhandlungen leiten soll - bleibt allerdings auch dem Innenminister verwehrt. Dort sitzen aufseiten der ÖVP neben Kurz enge Vertraute des Parteichefs: Elisabeth Köstinger und Stefan Steiner - seit Sommer Generalsekretärin und Generalsekretär der ÖVP. Auch ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel gehört zum kleinen Kreis um Kurz.

Grafik über die Koalitionsverhandlungen, deren Themen und Kernteams

Grafik: ORF.at; Quelle: APA

Als Quereinsteigerin präsentierte der Parteichef im Sommer hingegen Bettina Glatz-Kremsner. Die Casino-Austria-Chefin wurde dafür gleich eine seiner Stellvertreterinnen an der Parteispitze. In den Koalitionsverhandlungen sitzt sie nun nicht nur in der Steuerungsgruppe, sondern leitet auch die Verhandlungen zum Themenkomplex Standort. Darunter sollen Finanzen und Steuern ebenso fallen wie Tourismus, Verkehr und Energie. Die FPÖ greift für diesen Cluster auf den Nationalratsabgeordneten Hubert Fuchs zurück.

In Nationalrat und Burschenschaft

In die Gespräche mit Sobotka schickt die FPÖ wiederum Walter Rosenkranz. Erst vergangene Woche teilte die Partei mit, dass der Obmann der FPÖ Niederösterreich nicht als Spitzenkandidat in die kommende Landtagswahl gehen wird. Dafür soll er nun die Punkte innere Sicherheit und Landesverteidigung ausverhandeln.

Seit 2008 sitzt Rosenkranz im Nationalrat, seit Studientagen ist er Mitglied bei der schlagenden Burschenschaft Libertas. Beides - Nationalratsmandat und Burschenschaftsmitgliedschaft - teilt er mit vielen seiner FPÖ-Verhandlerkollegen. Sowohl die Steuerungsgruppe als auch die thematischen Cluster beschicken die Freiheitlichen vor allem mit Männern, die bereits im Parlament gesessen sind. Die meisten von ihnen sind überdies Mitglieder in einer Burschenschaft.

Das trifft auf FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ebenso zu wie auf seinen Vize Norbert Hofer. Auch Harald Stefan hat seit mittlerweile neun Jahren ein Nationalratsmandat inne - und ist Mitglied der Burschenschaft Olympia. Der Jurist soll mit seinem ÖVP-Gegenüber, Ex-Rechnungshof-Präsident Josef Moser, die Verhandlungen zum großen Themenkomplex Staat und Gesellschaft leiten.

Kickl als Ausnahme

Ein Alter Herr bei der Olympia ist auch Norbert Nemeth. Der bisherige FPÖ-Klubdirektor zieht im November nicht nur per Bundeslistenmandat in den Nationalrat ein, sondern ist auch leitend in die Koalitionsverhandlungen eingebunden. Damit hat in der Steuerungsgruppe auf FPÖ-Seite nur Generalsekretär Herbert Kickl keine Mitgliedschaft in einer Verbindung aufzuweisen.

Verhandlungen

APA/Hans Klaus Techt

Die Steuerungsgruppe wird noch öfter zusammentreffen

Die einzige Frau in dem Leitungsgremium, Anneliese Kitzmüller, konnte zwar schon wegen ihres Geschlechts keiner Burschenschaft beitreten. Die FPÖ-Familiensprecherin und Obfrau des Freiheitlichen Familienverbandes trat dafür aber gleich zwei Mädchenschaften bei. Im Nationalrat sitzt Kitzmüller seit 2008.

Nur ein bisheriger Mandatar für ÖVP

Bereits 2006 zog Dagmar Belakowitsch für die FPÖ ins Parlament ein. Die FPÖ-Gesundheitssprecherin ließ dort vor zwei Jahren mit der Forderung aufhorchen, abgelehnte Asylwerber mit Militärmaschinen abzuschieben, „denn dann könnten sie da drinnen schreien, so laut sie wollen“. Sie soll nun über den Komplex „Fairness und Neue Gerechtigkeit“ verhandeln.

Für die beiden Parteien fallen darunter die Punkte Gesundheit, Arbeit, Pensionen, Frauen, Familie und Jugend sowie Soziales und Konsumentenschutz. Die Volkspartei schickt Sozialsprecher August Wöginger in die Gespräche. Er ist der einzige ÖVP-Verhandler, der für die Partei bereits im Nationalrat saß.

„Heil deutsche Burschenschaft“

Auch beim letzten der fünf Überthemen - der „Zukunft“ - bleiben die Parteien ihrer Linie treu. Für die ÖVP geht Köstinger als Leiterin in die Gespräche zu Wissenschaft, Digitalisierung, Bildung, Umwelt und Landwirtschaft. Die FPÖ betraut Axel Kassegger mit der Verhandlungsleitung. Der Nationalratsabgeordnete ist gleich Mitglied in zwei Burschenschaften - der Germania Graz und der Thessalia Prag. 2015 veröffentlichte das rechte Magazin „Aula“ eine Rede Kasseggers, die mit den Worten endete: „Heil deutsche Burschenschaft!“

Bekannte Namen in ÖVP-Expertengruppe

Neben den politischen Verhandlerinnen und Verhandler wollen die Parteien allerdings auch auf ihre eigenen Expertinnen und Experten zurückgreifen. Die sollen zwar nicht selbst am Verhandlungstisch Platz nehmen, aber inhaltlich beraten. Aufseiten der ÖVP findet sich dabei gleich eine ganze Reihe an bekannten Namen. Sacher-Chefin Elisabeth Gürtler soll etwa Input zum Thema Tourismus geben, die ehemalige Belvedere-Direktorin Agnes Husslein zu Kunst und Kultur beraten.

Auf Runtastic-Mitbegründer Florian Gschwandtner greift die ÖVP beim Thema Digitalisierung zurück. Michaela Kardeis, seit September Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, wird als Expertin für eben dieses Thema genannt. In der Bildung holt die Partei die Meinung von Andreas Salcher ein, der vor fast zwanzig Jahren die Wiener Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte ins Leben rief.

Beim Thema Umwelt setzt die Volkspartei hingegen auf eine ehemalige Grünen-Politikerin. Monika Langthaler saß bis 1999 für die Grünen im Nationalrat, bevor sie ihr eigenes Unternehmen gründete. Weniger überraschen mag die Nennung von Antonella Mei-Pochtler. Die Geschäftsführerin der Boston Consulting Group in Wien und München unterstützte und beriet Kurz bereits im Wahlkampf. Das Gleiche gilt für den Ökonomen Gottfried Haber. Und auch von Arbeits-, Sozial- und Medizinrechtler Wolfgang Mazal ließ sich Kurz bereits in der Vergangenheit beraten.

FPÖ setzt auf enge Parteinähe

Noch engere Verbindungen haben die Expertinnen und Experten der FPÖ zur Partei. Der Jurist Rüdiger Schender saß bis 2002 für die FPÖ im Nationalrat, mittlerweile führt er gemeinsam mit Ex-FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer eine Rechtsanwaltskanzlei und soll zum Thema Justiz beraten. Alpine-Chef Arnold Schiefer war Kabinettsmitarbeiter von FPÖ-Verkehrsministerin Monika Forstinger und ihren Nachfolgern Mathias Reichhold und Hubert Gorbach. Die FPÖ will ihn bei Infrastrukturfragen zurate ziehen.

Reinhart Waneck war von 2000 bis 2004 FPÖ-Staatssekretär für Gesundheit. In dem Bereich setzt die FPÖ nun erneut auf die Expertenmeinung des Mediziners. Die Leiterin des Hayek-Instituts Barbara Kolm soll zum Thema Finanzen eine Expertise geben. Sie saß bis 2006 für die FPÖ im Innsbrucker Gemeinderat. Und Herbert Vonach war jahrelang Obmann des Freiheitlichen Familienverbandes, inzwischen ist er Ehrenobmann. Und so soll der emeritierte Professor für Kernphysik auch nicht primär zum Thema Wissenschaft, sondern zur Familienpolitik beraten.

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