Spekulationen über anstehende Rücktritte
Die Grünen haben noch vor Vorliegen des Wahlergebnisses inklusive Wahlkarten, das für die Partei wohl den Abschied aus dem Parlament bedeutet, mit der Abwicklung der Bundespartei begonnen. Am Montag wurden die Mitarbeiter laut APA-Informationen darüber informiert, dass ihnen mit Ende der am 8. November endenden Gesetzgebungsperiode die Kündigung droht.
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Insgesamt sind rund 110 Mitarbeiter betroffen. Rund 90 dürfte es den Angaben zufolge im Parlamentsklub der Grünen treffen, knapp 20 in der Bundespartei. Die Grünen müssen in den nächsten Wochen bis zur konstituierenden Sitzung des Parlaments auch ihre Klubbüros rund um das Parlament räumen. 31 Jahre waren die Grünen seit ihrem Einzug 1986 im Nationalrat vertreten.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Großteil von Klubförderung betroffen
Mit einem Auszug aus dem Parlament ist auch der Verlust Klubförderung verbunden. Bei den Grünen waren das zuletzt 3,4 Millionen Euro. Den Grünen droht, auch mit Blick auf Millionenschulden aus dem Wahlkampf, somit nicht zuletzt auch ein finanzielles Debakel.
Wie die Parlamentsdirektion am Dienstag sagte, wird zumindest die Bundesratsfraktion auch künftig Fördermittel erhalten. Allerdings werden sie deutlich geringer ausfallen als die aktuelle Klubförderung, weil die nur den Nationalratsklubs zustehenden Sockelbeträge wegfallen. Die Grünen verfügen im Bundesrat über vier Abgeordnete (je einer aus Wien, Salzburg, Tirol und Oberösterreich) und Fraktionsstatus. Letzteres bedurfte eines Mehrheitsbeschlusses der Länderkammer, weil für eine Fraktion eigentlich fünf Mandatare nötig wären. Außerdem gibt es drei grüne EU-Abgeordnete.
Nach Angaben des Politikwissenschafters Hubert Sickinger kommen für die Bundesratsförderung zwei Beträge infrage: Jedenfalls der für jeden Bundesrats- und EU-Mandatar zustehende Zusatzbetrag von jeweils rund 26.400 Euro (in Summe also 185.000 Euro). Unklar ist aus seiner Sicht, ob den Grünen zusätzlich auch die Bundesratsfraktionsförderung von 174.280 Euro zusteht.
„Personelles“
Der sich abzeichnende Abschied aus dem Parlament ist am Dienstag wohl auch zentrales Thema der ersten Krisensitzung des grünen Bundesvorstandes nach der Wahl. Am Freitag, wenn das vorläufige Endergebnis der Wahl inklusive aller Wahlkarten vorliegt, tagt der Erweiterte Bundesvorstand, an dem auch die Ländervertreter teilnehmen.

APA/Marie-Theres Fischer
Beobachtern zufolge steht Lunaceks Abschied aus der Politik im Raum
Ob es schon am Dienstag personelle Konsequenzen an der Parteispitze gibt, ist zwar noch offen - für den frühen Abend wurde aber bereits zu einer Pressekonferenz mit dem Titel „Personelles“ in den grünen Parlamentsklub in der Wiener Löwelstraße geladen. Beobachter gingen zuletzt von einem Rückzug Lunaceks von sämtlichen politischen Ämtern und damit auch von ihrem Sitz im EU-Parlament aus. Auch ein Rücktritt von Ingrid Felipe als Bundessprecherin steht laut diversen Medienberichten im Raum, wobei etwa der „Standard“ mit Werner Kogler bereits einen Namen für die dadurch notwendige Neubesetzung der Parteispitze nennt.
„Gibt nichts zu sagen“
Die Grünen waren unterdessen um größtmögliche Distanz zu den wartenden Medienvertretern bemüht. Der Tagungsort wurde geheim gehalten, nach dessen Durchsickern dann sogar verlegt. Klubchef Albert Steinhauser meinte noch am der ersten Ort: „Es gibt nichts zu sagen, weil wir erst tagen.“ Noch wortkarger gab sich Lunacek. Sie forderte die Journalisten bei ihrem Eintreffen lediglich dazu auf, Respekt zu zeigen.
Im Ö1-Mittagsjournal hatte Steinhauser von „brutalen“ Konsequenzen des Wahlverlusts gesprochen, denn nicht nur die Abgeordneten, sondern auch 90 Mitarbeiter müssten ihre Arbeit einstellen. Gefragt, was man anders hätte machen könnte, sagte er: „Es ist eine relativ einfache Geschichte: Hätten wir den Peter Pilz auf Platz vier gewählt, dann wären die Grünen jetzt mit Sicherheit im Nationalrat.“
Willi: „Ingrid muss Tirol Priorität einräumen“
Die Landessprecherin der Grünen im Burgenland, Regina Petrik, hält von einem Personalwechsel nicht viel - mehr dazu in burgenland.ORF.at. Cyriak Schwaighofer, grüner Klubchef in Salzburgs Landtag, sprach sich ganz im Gegensatz dazu bereits offen für eine Ablöse von Lunacek und Felipe aus - mehr dazu in salzburg.ORF.at. Der grüne Noch-Nationalratsabgeordnete und nunmehrige Spitzenkandidat bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl, Georg Willi, drängte Felipe unterdessen, sich nach dem Wahldesaster ihrer Partei auf Tirol zu konzentrieren.
„Ingrid muss Tirol und der Landtagswahl jetzt Priorität einräumen“, sagte Willi der „Tiroler Tageszeitung“ (Dienstag-Ausgabe). „Ich stelle mir schon die Frage, ob die Funktion der Bundessprecherin da noch Platz hat“, so Willi, der viele Jahre als Klubobmann im Tiroler Landtag fungierte, mit Blick auf die am 25. Februar anstehende Tiroler Landtagswahl.
„Hütte eingestürzt“
Der Vorarlberger Landessprecher der Grünen, Johannes Rauch, versprach eine „schonungslose Aufarbeitung“ des Wahldebakels. „Wenn dir die Hütte einstürzt, kannst du nicht so tun, als könntest du noch darin wohnen“, sagte Rauch und machte die Notwendigkeit einer Neuaufstellung der Partei deutlich - mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Auch der Wiener Landessprecher Joachim Kovacs plädierte für einen Neustart: „Dass es nicht so weitergehen kann, ist hoffentlich allen klar“ - mehr dazu in wien.ORF.at.
Von einer „Katastrophe“ sprach der Landesrat der Grünen in Oberösterreich, Rudi Anschober - mehr dazu in ooe.ORF.at. Der Kärntner Landesrat Rolf Holub sprach von einer Ohrfeige, die der Wähler den Grünen verpasst habe. Die Marke Grün sei beschädigt worden - mehr dazu in kaernten.ORF.at. In der Steiermark orteten ehemalige Grünen-Politiker mehrere Ursachen für das Wahldebakel - mehr dazu in steiermark.ORF.at. Ursachensuche heißt es nach der verlorenen Wahl auch bei den Grünen in Niederösterreich - mehr dazu in noe.ORF.at.
Nur noch 36.000 Stimmen offen
Wie nach Auszählung der Briefwahlstimmen in der Nach auf Dienstag bekanntgegeben wurde, liegen die Grünen nun bei 3,76 Prozent. Sie konnten zwar um 0,44 Prozentpunkte zulegen, aber das war bei 3,32 Prozent aus der Urnenwahl zu wenig, um die Vierprozenthürde zu nehmen. Bei laut Innenministerium 36.893 noch offenen Wahlkarten haben sie innerhalb der vom ORF-Hochrechner SORA ausgegebenen Schwankungsbreite - zumindest theoretisch - zwar weiterhin Chancen, das Ergebnis wird sich dadurch aber voraussichtlich wohl nur noch marginal verändern.

ORF/SORA
Denn am Montag wurden bereits 758.588 per Post oder bei den Bezirkswahlbehörden im eigenen Wahlkreis abgegebene Briefwahlstimmen ausgezählt. 753.616 davon waren gültig, das waren beinahe 15 Prozent der bisher ausgewerteten gültigen Stimmen. Am Donnerstag werden noch jene 36.893 Wahlkarten ausgezählt, die am Sonntag in „fremden“ Wahlkreisen abgegeben wurden - und zwar nicht nur „klassisch“ als Wahlkarte, sondern heuer erstmals auch als Briefwahl (also ausgefüllt und unterschrieben).
Wenig Hoffnung auf einen Sprung über die Vierprozenthürde hatte bereits zuvor Steinhauser. Er meldete sich am Montag über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort: „Zehn tolle Jahre im Parlament sind vorbei. Dass ich nicht weitermachen darf, trifft mich hart, aber ich kann’s nicht ändern.“
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