„Wozzeck“: Seelische Abgründe im Theater an der Wien
Fulminanter Opernabend: Robert Carsens Inszenierung von Alban Bergs „Wozzeck“ ist gestern am Theater an der Wien zum Erfolg geworden. Für den Regisseur und sein Team gab es stürmischen Applaus.
Verspottet und verachtet fristet Wozzeck (Florian Bösch) als Soldat sein Dasein. Zu versorgen hat er seine Geliebte Marie und den gemeinsamen Sohn. Als Marie ihn mit dem Tambourmajor betrügt, begeht Wozzeck Mord und schließlich Suizid. Berg wusste, wie es zuging beim Militär: Er vollendete sein Werk 1922, geprägt durch jahrelangen Dienst in der Armee.
Einheitsraum in Tarnfarbe
Zwei Sessel, ein Schemel und Wozzeck, der dem zeitunglesenden Hauptmann die Schuhe putzt. So beginnt die erste Szene. Der Schemel wird bald durch ein Bett ersetzt und wandelt den Raum zur Wohnstube Maries. Carsen, seit vielen Jahren Stammgast im Theater an der Wien, braucht nicht viel, um Geschichten zu erzählen.

APA/Werner Kmetitsch
So ist auch bei seinem „Wozzeck“ das Bühnenbild schlicht gehalten: Die lieblose Welt des Militärs ist ein Einheitsraum in Tarnfarbe (Ausstattung: Gideon Davey).
Lyrische und packende Momente
Die 15 Szenen in 90 Minuten Spielzeit trennt in dieser Inszenierung ein Vorhang. Carsen nutzt die Vorhänge als wesentliches Spielelement: Auf- und zugezogen dienen sie dazu, einen Blick in Wozzecks Psyche zu erhaschen. Bis in letzter Konsequenz zeigt Carsten die Erniedrigung Wozzecks durch den egomanischen Doktor: Bösch sitzt als Titelheld mit blankem Hintern auf einer Toilette und muss sein Geschäft auf Anweisung des Arztes verrichten. Marie wiederum ist in Carsens Interpretation heroinsüchtig.
Dirigent Leo Hussein führte mit Präzision und Sensibilität durch den Abend und hat mit den Wiener Symphonikern einen „Wozzeck“ geschaffen, der mit lyrischen ebenso wie mit packenden Momenten überzeugt. Zuträglich dafür war die eigens für die Dimensionen des Theaters an der Wien reduzierte Orchesterfassung von Eberhard Kloke.
Begeisterung im Zuschauerraum
Bösch weiß als „Theatertier“ das Publikum mit schauspielerischer Glanzleistung zu begeistern. Lise Lindstrom spielt die Marie zwar leidenschaftlich, jedoch mit scharf klingendem Sopran. Hervorragend als eitler Doktor: Stefan Cerny, er führt seinen sonoren Bass sicher und geschmeidig.
Den schikanierenden Hauptmann spielt John Daszak - leider mit unschöner Höhe. Überzeugend: Ales Briscein als Tambourmajor und Benjamin Hulett als Andres. Gewohnt spielfreudig: der Arnold Schönberg Chor. Den größten Jubel ernteten neben Carsen Titelheld Bösch sowie Dirigent Hussein und die Wiener Symphoniker.