„Im Lichte neuer Informationen“
Nach schweren Vorwürfen sexueller Belästigung ist der Hollywood-Produzent und Oscar-Gewinner Harvey Weinstein am Sonntag von seiner eigenen Filmfirma als Chef abgesetzt worden. Der Verwaltungsrat von The Weinstein Company (TWC) habe den Arbeitsvertrag mit dem Firmengründer mit sofortiger Wirkung beendet, teilte das Unternehmen in einer E-Mail mit.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
In einer Erklärung der TWC-Führung, die von der "New York Times" („NYT"), der "Washington Post“ und dem öffentlich-rechtlichen Radiosender NPR wörtlich mitgeteilt wurde, hieß es: „Im Lichte neuer Informationen, die über das Fehlverhalten von Harvey Weinstein in den vergangenen Tagen bekanntwurden, haben die Direktoren der Weinstein Company - Robert Weinstein, Lance Maerov, Richard Koenigsberg und Tarak Ben Ammar - beschlossen und Harvey Weinstein entsprechend informiert, dass seine Anstellung bei der Weinstein Company mit sofortiger Wirkung beendet ist.“

AP/STAR MAX/Galaxy
Weinstein mit seiner Ehefrau Georgina Chapman bei der Oscar-Verleihung 2017
Schwere Anschuldigungen
Der Schritt hatte sich bereits am Freitag abgezeichnet, als Weinstein auf unbefristeten Urlaub geschickt wurde. Mehrere Schauspielerinnen und frühere Mitarbeiterinnen hatten gegenüber der „New York Times“ von sexuellen Übergriffen durch den 65-jährigen Weinstein berichtet. Weinstein soll sich mit mindestens acht Frauen auf außergerichtliche Entschädigungen geeinigt haben.
„Giftiges Klima für Frauen“
Die Schauspielerin Ashley Judd berichtete laut „NYT“, dass der Filmmogul sie vor 20 Jahren für ein Arbeitsfrühstück in sein Hotelzimmer gebeten habe, wo er sie dann aber im Bademantel empfangen habe. Weinstein habe sie dann gefragt, ob sie ihm eine Massage geben oder ob sie ihm beim Duschen zusehen könnte.
Zwei frühere Assistentinnen des Erfolgsproduzenten und ein italienisches Model erhoben ähnliche Vorwürfe. Weinsteins nach eigenen Angaben betroffene Mitarbeiterin Lauren O’Connor schrieb in einer Notiz an mehrere führende Mitarbeiter der Produktionsfirma, es herrsche „ein giftiges Klima für Frauen in diesem Unternehmen“.
Bizarre Stellungnahme
Weinstein selbst hatte darauf mit einer eher bizarren Stellungnahme an die „NYT“ auf die Vorwürfe reagiert. Er sei in den 1960er und 1970er Jahren aufgewachsen, in denen die Verhaltensregeln und das Arbeitsumfeld anders gewesen seien. „Das war die Kultur damals.“ Auch wenn er versuche, sich zu bessern, wisse er, dass das ein langer Weg sei. Er wolle daher nun eine Auszeit nehmen und sich „in erster Linie um dieses Problem kümmern“. Er habe bereits Therapeuten.
Zudem erwägt der Produzent offenbar rechtliche Schritte gegen die „NYT“. Der Artikel sei voller „falscher und verleumderischer“ Angaben, basiere hauptsächlich auf Gerüchten und Fehlinformationen, hieß es in einer Erklärung von Weinsteins Anwalt Charles J. Harder. Eine Sprecherin der „NYT“ teilte mit, die Zeitung stehe zu ihrer Berichterstattung.
Wood sucht Männer als Verbündete
Hollywood-Star Evan Rachel Wood forderte indes männliche Kollegen zur Unterstützung im Kampf gegen sexuelle Belästigung in der Unterhaltungsbranche auf. „Männer, wir brauchen euch als Verbündete“, begann die 30-Jährige eine Reihe von Twitter-Nachrichten am Sonntag. Als Schauspielerin, die in der Filmbranche erwachsen geworden sei, wisse sie, das das Geschäft viele Schattenseiten habe.
Junge Frauen und Männer würden eingeschüchtert, bedroht und manipuliert, bis sie sich unterordneten: „Ich könnte euch Geschichten erzählen, da würdet ihr eine Gänsehaut kriegen“, schrieb sie. „Das Problem greift in Hollywood schon zu lange um sich“ - man dürfe nun nicht mehr wegschauen. Im vergangenen Jahr hatte Wood in einem Brief an das Magazin „Rolling Stone“ berichtet, selbst zweimal vergewaltigt worden zu sein. Ohne Weinstein namentlich zu nennen, lobte Wood den Mut der Frauen, die ihre Vorwürfe öffentlich gemacht hatten. Man müsse die Opfer von Missbrauch unterstützen - das sei einer der ersten Schritte zu wirklichen Veränderungen.
Weitere Unterstützung für Opfer
Auch andere Schauspielerinnen brachten ihre Unterstützung für die mutmaßlichen Opfer zum Ausdruck. Die Schauspielerin und Feministin Lena Dunham schrieb auf Twitter, es sei „mutig“, zu den Belästigungen durch Weinstein auszusagen. Die Frauen hätten Achtung verdient. Schauspielerin Rose McGowan, die von der „NYT“ als eines der Opfer von Weinstein genannt wurde, schrieb sarkastisch auf Twitter, sie würde zu dem Fall gerne „die Filmrechte kaufen“.
Gemeinsam mit seinem Bruder Robert (Bob) ist Weinstein für zahlreiche Hollywood-Erfolge verantwortlich. 2010 produzierten sie das mit einem Oscar ausgezeichnete Drama „The King’s Speech“. Beide hatten auch das US-Filmstudio Miramax gegründet, das sie später verkauften und das Erfolgsfilme wie „Pulp Fiction“, „The English Patient“ und „No Country for Old Men“ produzierte. Weinstein ist seit 15 Jahren in zweiter Ehe mit der Modeschöpferin Georgina Chapman verheiratet. Mit der Britin hat er zwei Kinder.
Demokraten auf Distanz
Unterdessen gingen auch die oppositionellen US-Demokraten auf Distanz zu Weinstein. Die von Weinstein großzügig unterstützte Demokratische Partei reichte seine Spenden an andere Organisationen weiter. Die Vorwürfe gegen Weinstein wurden bereits von mehreren Politikern der konservativen Republikaner aufgegriffen.
Auch US-Präsident Donald Trump, der während des Wahlkampfes 2016 selbst mit sexuell anstößigen Bemerkungen für Schlagzeilen gesorgt hatte, kommentierte den Fall Weinstein. Er kenne den Filmproduzenten schon lange, sagte Trump dem Sender CNN am Samstag. „Ich bin keineswegs überrascht, das jetzt zu hören.“
Links: