Puigdemont drückt aufs Tempo
Die Führung Kataloniens heizt den Konflikt mit der Zentralregierung in Madrid weiter an. Man will die Ausrufung der Unabhängigkeit so rasch wie möglich. Kataloniens Regionalpräsident Carles Puigdemont kündigte in einem BBC-Interview an, „in den nächsten Tagen“ die Unabhängigkeit auszurufen.
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Sobald das vollständige Ergebnis des Referendums vorliege, werde Katalonien binnen 48 Stunden die Unabhängigkeit ausrufen. Voraussichtlich bis Ende der Woche würden noch Stimmen aus dem Ausland gezählt. „Wir werden also Ende dieser Woche oder Anfang kommender Woche handeln“, sagte Puigdemont.

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Kataloniens Regionalpräsident will bald die Unabhängigkeit ausrufen
Unabhängigkeitserklärung am Montag?
Puigdemont kündigte für Mittwochabend eine Erklärung an. Das Präsidium des katalanischen Parlaments kommt im Laufe des Tages zusammen, um einen Termin für die nächste Plenarsitzung festzulegen. Dort könnte dann das Datum für die Unabhängigkeitserklärung bestimmt werden.
Das katalanische Parlament wird laut spanischen Medien voraussichtlich am Montag zusammentreten, um die Unabhängigkeit der Region von Spanien auszurufen. Darauf hätten sich die Sprecher der katalanischen Koalitionsparteien am Mittwoch in Barcelona geeinigt, berichteten die Zeitung „La Vanguardia“ und andere Medien.
Der spanische Justizminister Rafael Catala warnte für den Fall einer Unabhängigkeitserklärung vor Konsequenzen. Die Zentralregierung in Madrid werde „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ einsetzen, um zu garantieren, dass die Gesetze befolgt würden, sagte der Minister am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung in Bergondo in der Region Galicien.
Intervention aus Madrid würde „alles ändern“
Puigdemont gab sich im BBC-Interview von der Sache überzeugt. Wenn es eine Mehrheit für eine Unabhängigkeit gebe, dann müsse es darauf auch eine politische Antwort geben. „Keine Gesellschaft sollte einen Zustand akzeptieren, den sie nicht will“, so der 54-Jährige zur BBC. Auf die Frage, was er tun werde, sollte die spanische Regierung intervenieren und die Regierungsgewalt in Katalonien übernehmen, sagte er, das wäre „ein Fehler, der alles ändert“.
Derzeit bestehe kein Kontakt zwischen der Regionalregierung von Katalonien und Madrid. Er habe den Dialog mit der Regierung in Madrid gesucht: „Mein Anruf gestern, mit dem ich jemanden um Vermittlung bitten wollte, ist auf keine Erwiderung gestoßen. Überhaupt keine.“
90 Prozent der abgegebenen Stimmen sprachen sich der Regionalregierung zufolge am Sonntag für die Loslösung der Region von Spanien aus. Die Beteiligung lag jedoch nur bei 42 Prozent. Laut Umfragen - sie wurden vor den Ereignissen am Wochenende durchgeführt - haben die Unabhängigkeitsbefürworter mit knapp 44 Prozent keine Mehrheit in der Region.
„Nach jedem Fehler sind wir stärker geworden“
Mit Blick auf mögliche Festnahmen von katalanischen Regierungsmitgliedern sagte Puigdemont: „Das wird ein weiterer Fehler in der langen Liste sein. Nach jedem Fehler sind wir stärker geworden. Heute sind wir der Unabhängigkeit näher als noch vor einem Monat. Jede Woche haben wir nach jedem Fehler an Unterstützung in der Gesellschaft gewonnen. Ein klarer Schnitt wie die Übernahme der (katalanischen) Regierung oder meine Festnahme oder die anderer Regierungsmitglieder könnte der endgültige Fehler sein“, so Puigdemont Richtung Madrid.
„Seit Franco nicht mehr gesehen“
Puigdemont verurteilte die Gewalt, mit der die spanische Polizei am Sonntag gegen die die Abstimmung vorgegangen sei. „Solch einen unverhältnismäßigen und brutalen Gebrauch von Gewalt haben wir seit dem Tod von Diktator Franco nicht mehr gesehen“, sagte er.
Francisco Franco war nach dem Bürgerkrieg (1936 bis 1939) bis zu seinem Tod 1975 Diktator in Spanien. Während seiner Zeit wurde der Gebrauch der katalanischen Sprache in der Öffentlichkeit verboten. Politische Gegner ließ er gnadenlos verfolgen.
Der Katalonien-Konflikt ist aus Sicht von Puigdemont eine europäische Frage und keine innerspanische Angelegenheit. Zur Haltung der Europäischen Union sagte er: „Mir fällt es schwer, diese Gleichgültigkeit und das absolut fehlende Interesse, an dem was hier passiert, zu verstehen. Sie (die Europäer) wollten uns niemals anhören.“

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Die katalanische Regionalregierung bewegt sich Spaniens König Felipe zufolge „außerhalb des Gesetzes“
Harte Worte von König Felipe VI.
Spaniens König Felipe VI. hatte der Regionalregierung in Barcelona vorgeworfen, die Stabilität des gesamten Landes zu gefährden. Der König verurteilte in seiner Rede sehr zum Unmut vieler Katalanen die Gewalt, die von der von Madrid geschickten Polizei am Wahltag ausging, nicht. Hunderte Menschen waren von Polizisten vor Wahllokalen verletzt worden. „Mit ihrem unverantwortlichen Verhalten können sie die Stabilität Kataloniens und ganz Spaniens in Gefahr bringen“, sagte das Staatsoberhaupt am Dienstagabend in einer Fernsehansprache.
Spanien müsse seine „verfassungsmäßige Ordnung“ gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen verteidigen, sagte der König. Die Regionalregierung bewege sich „außerhalb des Gesetzes“ und habe Katalonien mit ihren Aktionen entzweit.
„Es sind schwierige Zeiten, aber wir werden sie überwinden und vorwärtskommen“, sagte der 49-Jährige. Allen Spaniern wolle er „eine Botschaft der Ruhe und der Hoffnung“ übermitteln. Ohne demokratischen Respekt gebe es kein friedliches Zusammenleben. Es liege in der „Verantwortung des Staates, die verfassungsmäßige Ordnung sicherzustellen“.
Ermittlungen wegen Volksverhetzung
Der spanische Aktienmarkt knickte am Mittwoch wegen der Katalonienkrise leicht ein. Der Leitindex fiel nach Börsenbeginn auf den tiefsten Stand seit Mitte März zurück.
Die spanische Justiz leitete indes Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung gegen den Chef der katalanischen Polizei sowie Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung ein. Polizeichef Josep Luis Trapero und weitere Verdächtige hätten eine gerichtliche Vorladung erhalten, sagte ein Justizsprecher am Mittwoch. Bei den Ermittlungen geht es um eine Großdemonstration gegen die spanische Polizeieinheit Guardia Civil in Barcelona am 20. September. Der katalanischen Regionalpolizei wird vorgeworfen, nicht gegen die Demonstranten vorgegangen zu sein.
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