Salven auf Tausende Wehrlose
Nach dem Schock des Massakers in Las Vegas mit 59 Toten und über 500 Verletzten ,von denen einige noch in Lebensgefahr schweben, haben die Ermittler am Montag (Ortszeit) den Tatablauf rekonstruiert. Am Sonntagabend zerbrach der mutmaßliche Schütze Stephen Paddock mit einem Hammer oder Ähnlichem die Scheibe seines Zimmers im 32. Stock des Hotels Mandalay Bay in Las Vegas.
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Dann schoss er mit automatischen Waffen auf Tausende völlig wehrlose Menschen, die sich zu einem Freiluftkonzert eingefunden hatten. Nach Schilderungen des Sheriffs von Las Vegas, Joseph Lombardo, schoss der Angreifer durch die Zimmertür auf die Beamten. Bevor Sondereinheiten sein Zimmer stürmen konnten, erschoss er sich.

Reuters/Lucy Nicholson
Der Tatort wurde abgeriegelt
Die Tat war offenbar von langer Hand geplant. Das Hotelzimmer bezog Paddock laut US-Medienberichten bereits einige Tage vor der Tat. Von dort aus hatte er eine perfekte Aussicht auf das Festivalgelände auf der anderen Straßenseite. Und er schaffte es, vom Hotelpersonal unbemerkt zahlreiche Schusswaffen in das Zimmer zu bringen. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei Paddock um einen Einzeltäter, einen „einsamen Wolf“, handelte.
Arsenal in Hotel und daheim
Laut Polizei befanden sich 23 Feuerwaffen in dem Hotelzimmer. In seinem Haus in Mesquite eine gute Autostunde von Las Vegas entfernt seien zudem mindestens 18 weitere Feuerwaffen, Tausende Schuss Munition sowie Sprengsätze entdeckt worden. Darunter seien automatische Waffen und halbautomatische Gewehre, die illegal zu Maschinengewehren umgebaut worden seien.
Paddock habe sich allen nötigen Überprüfungen unterzogen, um Waffen erwerben zu dürfen, sagte der Besitzer der örtlichen Waffenhandlung Guns & Guitars. Er habe nie den Eindruck erweckt, dass er in irgendeiner Form labil gewesen sei. In Paddocks Auto sei Ammoniumnitrat gefunden worden, das in Düngemitteln und Sprengstoffen zum Einsatz kommt.

APA/AP/Chris Carlson
Das Haus des Schützen, das die Polizei durchsuchte
Einige Tatmotive ausgeschlossen
Über die Beweggründe Paddocks herrscht weiterhin Rätselraten. Nach Angaben des FBI gibt es keine Hinweise auf Verbindungen zu internationalen Terrorgruppen. Vorstrafen lagen keine vor. Paddock litt vermutlich unter keiner psychischen Erkrankung. Sein Bruder Eric beschrieb den mutmaßlichen Attentäter als friedlichen Menschen, der keine Kontakte zu politischen oder religiösen Organisationen gehabt habe. Ein Bekenntnis der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu der Tat wurde als nicht glaubwürdig eingestuft.

APA/AFP/Robyn Beck
Trauernde auf dem Gelände, auf dem das Konzert stattfand
Ausweis von Freundin benutzt?
Die mutmaßliche Freundin des Todesschützensteht laut Behördenangaben nicht unter Verdacht. Nach Angaben der australischen Regierung von Dienstag wird gegen die 62-Jährige nicht ermittelt. Zunächst sei die australische Staatsbürgerin mit philippinischen Wurzeln von den US-Behörden als „person of interest“ behandelt worden, das habe sich inzwischen aber erledigt.
Ihres Wissens haben die US-Behörden „ausgeschlossen“, dass die Frau eine „person of interest“ sei, schrieb die australische Außenministerin Julie Bishop auf Twitter. Es gebe Berichte, wonach „ihr Ausweis zur Buchung des Hotels oder Ähnlichem“ benutzt worden sei.
Genaues Verhältnis unbekannt
Nach US-Angaben war Paddocks langjährige Gefährtin zur Tatzeit nicht in den USA und hält sich entweder auf den Philippinen oder in Japan auf. Australischen Medienberichten zufolge war sie mit drei Freundinnen im Urlaub auf den Philippinen. Bishop erklärte, die Behörden arbeiteten mit den US-Behörden zusammen, es bestehe aber derzeit „kein Kontakt“ zu der Frau.
Wie die Zeitung „Sydney Daily Telegraph“ unter Berufung auf Freunde der Frau berichtete, lebte sie mehr als ein Jahrzehnt in Gold Coast im Südosten Australiens und war mit einem Australier verheiratet, der inzwischen verstorben sei. Vor rund 20 Jahren wanderte sie in die USA ein, um im Casino zu arbeiten. In Mesquite, dem Wohnort des 64-jährigen Todesschützen, soll sie zusammen mit Paddock in einem Haus gelebt haben. Unklar war, ob die beiden in einer festen Beziehung lebten oder lediglich befreundet waren.
Bruder schildert Spielleidenschaft
Sein Bruder Eric schilderte Stephen Paddock in US-Medien als unauffälligen und wohlhabenden Mann. „Er hatte wahrscheinlich nicht einmal einen Strafzettel“, sagte Eric Paddock. Allerdings habe sich Stephen Paddock einer starken Spielleidenschaft hingegeben und oftmals Tausende Dollar beim Glücksspiel eingesetzt. „Er hat mir einmal eine SMS geschickt und geschrieben, dass er 250.000 Dollar im Casino gewonnen hat“, berichtete Eric Paddock. Der Schütze hinterlässt zwei Privathäuser neueren Datums im Bundesstaat Nevada. Immobilienexperten schätzten deren Wert auf mindestens 700.000 Dollar (knapp 600.000 Euro).
Pilotenschein und Jagdlizenz
Paddock besaß laut Medienberichten einen Pilotenschein und eine Jagdlizenz für den Bundesstaat Alaska, wo die Jagd auf Großwild wie Bären und Elche beliebt ist. Der pensionierte Buchhalter hatte nach bisherigen Erkenntnissen keinerlei Vorstrafen.
Sehr wohl amtsbekannt ist US-Medien zufolge Paddocks Vater. Der 1998 verstorbene und wegen bewaffneter Banküberfälle zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte Patrick Benjamin Paddock schaffte es nach seiner Flucht aus einem US-Bundesgefängnis zeitweise auf die FBI-Liste der meistgesuchten Verbrecher, wie unter anderem CNN berichtete.
„Krank“ und „wahnsinnig“
Im Gegensatz zu US-Präsident Donald Trump gibt es vonseiten der Ermittler bisher auch keine Äußerungen zum Geisteszustand des Schützen. Trump beschrieb den 64-Jährigen am Dienstag als „krank“ und „wahnsinnig“. Der Täter habe „viele Probleme“ gehabt und sei ein „sehr, sehr krankes Individuum“ gewesen.
Neue Debatte über US-Waffengesetz
Das Attentat ist das größte Schusswaffenmassaker in der Geschichte der USA. Es löste dort eine neue Debatte über das Waffenrecht aus. Politiker der oppositionellen Demokraten erneuerten Forderungen nach strengeren Gesetzen. Aus dem Lager der regierenden Republikaner war allerdings keine Unterstützung zu erkennen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Kongress eine Verschärfung beschließen wird. Auch vom Weißen Haus wurde die angelaufene Waffenrechtsdebatte als „voreilig“ abgetan. Trump zufolge werde man „im weiteren Verlauf der Zeit über die Waffengesetze sprechen“.
Vom US-Kongress wurde am Dienstag unterdessen ein umstrittenes Gesetzesvorhaben zum Waffenrecht bis auf Weiteres auf Eis gelegt - der Entwurf zielt darauf ab, den Kauf von Schalldämpfern zu erleichtern.
Kimmel unter Tränen
US-Entertainer Jimmy Kimmel sprach sich nach dem Massenmord unter Tränen für schärfere Waffengesetze in den USA aus. „Kein amerikanischer Bürger braucht ein Maschinengewehr oder gleich zehn davon“, sagte Kimmel zu Beginn seiner Late-Night-Show am Montagabend (Ortszeit) in Los Angeles. Die Politiker, die den Waffenbesitz unterstützten, sollten beten und um Verzeihung bitten, dass sie der Waffenlobby so viel Einfluss geben.
Popstars mobilisieren gegen Waffen
Die US-Popgrößen Lady Gaga und Ariana Grande nutzten am Montag (Ortszeit) ihren Einfluss in Sozialen Netzwerken, um striktere Auflagen zu fordern. Lady Gaga schrieb auf Twitter, wo sie mehr als 71 Millionen Anhänger hat: „Das ist Terrorismus - schlicht und einfach.“
Grande twitterte, dass der Angriff in Las Vegas ihr das Herz zerreiße. „Wir brauchen Liebe, Einheit, Frieden, Waffenkontrolle“, schrieb sie. Menschen müssten hinschauen und „es nennen, was es ist: Terrorismus“. Nach einem Konzert der Sängerin im britischen Manchester hatte ein Sprengstoffattentäter im Mai 22 Menschen mit in den Tod gerissen.
Die Stellungnahmen anderer Sängerinnen wie Taylor Swift und Rihanna fielen ähnlich aus, enthielten aber keine Forderungen nach schärferen Waffenkontrollen. Nevada hat das laxeste Waffengesetz in den USA. Es gibt kaum Einschränkungen beim Kauf von Handfeuerwaffen und auch keine Beschränkungen beim Erwerb von Munition.
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