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Kurzes Verfallsdatum

Die kroatische Mitte-rechts-Regierung hat einen umstrittenen Entwurf des Familiengesetzes zurückgezogen. Es war Grund für einen Eklat wegen einer neuen Definition des Begriffs „Familie“.

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„Eine Familie besteht aus: Mutter, Vater und deren Kindern, einer Mutter mit dem Kind bzw. Vater mit dem Kind, auch wenn sie nicht zusammenleben, und anderen Verwandten, die mit ihnen leben“, lautete die Definition in dem Gesetzesvorschlag. Der Gesetzesvorschlag stand nur einen Tag in der öffentlichen Debatte, bevor er am Donnerstag wegen scharfer Kritik vom zuständigen Ministerium zur Nachbearbeitung zurückgenommen wurde.

Starker Einfluss der Kirche

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, Bürger in Sozialen Netzwerken sowie die Opposition und auch die mitregierende linksliberale HNS kritisierten, dass eine solche Definition diskriminierend sei. Sie schließe Paare ohne Kinder und homosexuelle Paare mit Kindern aus, lautete die Kritik.

Das sei ein Schritt um Hunderte Jahre zurück, kritisierten die oppositionellen Sozialdemokraten (SDP). Ihre frühere Sozialministerin Milanka Opacic zeigte sich schockiert: „Diese Definition ist furchtbar diskriminierend. Ist man keine Familie mehr, wenn einem das Kind gestorben ist?“, fragte sie laut Medienberichten. Die HNS betonte, dass man ein Gesetz, das die Freiheit bei Familienplanung einschränken würde, nicht unterstützen werde.

Regierungschef Andrej Plenkovic war laut Medienberichten ebenfalls unzufrieden und tadelte seine HDZ-Familienministerin Nada Murganic bei der Kabinettssitzung am Donnerstag. Künftig würden Gesetzesentwürfe nicht mehr in die öffentliche Debatte kommen können, ohne zuvor die zuständigen Regierungsorgane zu passieren, kündigte er an. Nur Stunden später wurde das Dokument vom Ministerium zurückgezogen.

Druck von Ultrakonservativen

Kritiker sehen hinter der umstrittenen Definition eine Fortsetzung von Bestrebungen von Ultrakonservativen und der katholischen Kirche. Die Bürgerinitiative „Im Namen der Familie“ initiierte 2013 ein Referendum, bei dem die Kroaten entschieden haben, das christliche Ehemodell in der Verfassung zu verankern.

Streit über Ustascha-Spruch

Innerhalb der Regierungskoalition hatte es erst vor drei Wochen Unruhe gegeben. Anlass war eine umstrittene Gedenktafel mit einem Gruß der kroatischen faschistischen Bewegung Ustascha - ausgerechnet in der Nähe des berüchtigten ehemaligen Konzentrationslagers Jasenovac. Die Marmorplatte beim ehemaligen Konzentrationslager mit dem faschistischen Gruß „Für die Heimat bereit“ sollte an den Tod von elf Kroaten im Bürgerkrieg (1991-1995) erinnern.

In Jasenovac waren nach kroatischer Lesart Zehntausende, nach serbischer Auffassung Hunderttausende Menschen von dem Hitler-Verbündeten Kroatien ermordet worden. Die meisten von ihnen waren Serben, aber auch Juden und Roma. Die Gedenktafel, die im nahe gelegenen Ort Novska aufgehängt werden soll, hatte zu einer Regierungskrise geführt. Anfang September wurde die Gedenktafel schließlich abmontiert.

Wachsende politische Rolle

Die katholische Kirche hat seit dem Zerfall Jugoslawiens und der Unabhängigkeit Kroatiens im jüngsten EU-Mitgliedsland deutlich an gesellschaftlichem und politischem Gewicht gewonnen. Teilweise gibt es dabei auch Verbindungen zu nationalistischen Kreisen. So berichtete die Website Balkaninsight.com Mitte September davon, dass der katholische Bischof in der Stadt Sisak, Vlado Kosic, zu einer immer prominenteren Figur der Rechtsaußen-Bewegungen im Land werde.

Sowohl in seine Predigten als auch in seine Posts in Sozialen Netzwerken lasse der 58-Jährige immer wieder antikommunistische und antiserbische Beschimpfungen einfließen. So trat Kosic unlängst auch mit dem nationalistischen Sänger Marko Thompson Perkovic in der Hauptstadt Zagreb auf. Thompson verwendet den auf der Gedenktafel bei Jasenovac verwendeten Ustascha-Slogan „Za dom spremni“ („Für die Heimat bereit“) in einem seiner Lieder. Er hat in weiten Teilen Europas deshalb de facto ein Auftrittsverbot.

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