Bereich mit viel Konfliktpotenzial
Migrations- und Integrationspolitik sei das „Topthema“ im Wahlkampf, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier - vor allem, weil es als „Metathema mit vielen anderen Bereichen verknüpft ist“. Filzmaier nennt zwei Beispiele: „Wie wirkt sich die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt aus? Verändert sich das Sicherheitsgefühl, wenn mehr Migranten im Land sind?“
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2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, wurden knapp 89.000 Asylerstanträge in Österreich gestellt, im Vorjahr waren es weniger als die Hälfte, in den ersten sieben Monaten dieses Jahres rund 15.000. Die Zuwanderung ist also deutlich gesunken, überdurchschnittlich hoch ist sie immer noch. 22 Prozent der Menschen in Österreich haben mittlerweile Migrationshintergrund, wie aus dem im August präsentierten Integrationsbericht 2017 hervorgeht. Darin festgehalten wird auch, dass der Eindruck, die Integration in Österreich funktioniere zufriedenstellend oder gut, zuletzt deutlich abgenommen hat.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria
Ruck nach rechts
Dementsprechend haben sich die Programme der größeren Parteien einander angenähert - beziehungsweise sind nach rechts gerückt. Die Forderungen von FPÖ, ÖVP und mittlerweile auch SPÖ in der Migrationspolitik weichen inhaltlich nicht entscheidend voneinander ab. Der Unterschied liege in der Beurteilung der Menschenwürde und darin, nicht gegen Flüchtlinge zu hetzen, sondern ihre Integration in den Vordergrund zu stellen, bemühte sich Kanzler und Parteichef Christian Kern im ORF-„Sommergespräch“ die SPÖ-Linie abzugrenzen.
Tatsächlich wird dem Thema Integration in Kerns „Plan A“ einiges an Platz eingeräumt. „Fünf zentrale Herausforderungen für geregelte Zuwanderung“ werden darin festgelegt: eine möglichst rasche Teilhabe der Asylberechtigten am Arbeitsmarkt, klare Zuständigkeiten bei Asylverfahren und deren Beschleunigung, Qualifizierungsprogramme für nicht mehr schulpflichtige jugendliche Asylwerber, die Bekämpfung von Radikalisierung und Extremismus sowie ein Finanzierungsstopp von Religionsgemeinschaften aus dem Ausland.
Anteil ausländischer Staatsbürger an der Bevölkerung, 2011 bis 2015
„Marshall-Plan für Nordafrika“
Asylverfahrenszentren sollten außerhalb Europas eingerichtet werde, etwa in Niger, schlägt die SPÖ vor, zusätzlich soll ein „Marshall-Plan für Nordafrika“ geschmiedet werden. Schutz der EU-Außengrenzen, ein gemeinsames europäisches Asylsystem und eine gleichmäßigere Verteilung von Flüchtlingen und Migranten innerhalb der Union sowie eine verstärkte Rückführung jener Menschen, die kein Recht auf Asyl haben, sind weitere Forderungen.
„Jahr 2015 war Schock für viele Menschen"
Selbige könnten auch aus der Feder der Volkspartei stammen, formuliert wird dort allerdings schärfer. Im Programmteil „Ordnung und Sicherheit“ heißt es etwa: „Das Jahr 2015 war ein Schock für viele Menschen in diesem Land. Durch die Politik des Weiterwinkens hat sich die Anzahl der Asylanträge explosionsartig auf fast 90.000 erhöht. Wir müssen selbst entscheiden, wer in Österreich einreist, und die Obergrenze für illegale Zuwanderung auf null setzen.“
Illegal Einreisende sollten in die Herkunftsländer zurückgestellt werden, bei Schutzbedürftigkeit sind „Protection-Center“ in einem Drittstaat vorgesehen. Nur jene, die durch internationale Organisationen ausgewählt werden, sollten innerhalb einer Kapazitätsgrenze in der EU aufgenommen werden. Illegale Migration soll gestoppt werden, vor allem gelte es, die Mittelmeer-Route zu schließen. Bei einer Rettung im Mittelmeer sollte in „Rescue-Center“ außerhalb der EU zurückgestellt werden. Die Zuwanderung aus Drittstaaten müsse in Zukunft ausschließlich über ein bedarfsorientiertes Punktesystem erfolgen, das Anwerben Hochqualifizierter einfacher möglich werden.
„Mindestsicherung light“ in den ersten fünf Jahren
Der Mindestsicherung ist, anders als bei der SPÖ, ein eigenes Kapitel gewidmet, diesfalls im Programmteil „Neue Gerechtigkeit und Verantwortung“. Gefordert wird darin eine einheitliche Regelung in allen Bundesländern, die Deckelung der Mindestsicherung für eine „Bedarfsgemeinschaft“ auf maximal 1.500 Euro, ein verstärkter Fokus auf Sach- statt Geldleistungen sowie Kürzungen bei Arbeitsverweigerung oder illegaler Beschäftigung. Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten soll in den ersten fünf Jahren nur eine „Mindestsicherung light“ in der Höhe von maximal 560 Euro zustehen.

Grafik: ORF.at; Quelle: Integrationsbericht/BMI
Integration nicht vorgesehen
Die FPÖ bleibt in ihrem Wahlkampfprogramm auf ihrer bekannten Linie. Ihre „Vier Forderungen zur Beseitigung der Fairness-Krise: Zuwanderung stoppen und konsequente Abschiebung von Scheinasylanten; Aberkennung der Staatsbürgerschaft von Dschihad-Rückkehrern; unverzügliche Aberkennung aller Staatsbürgerrechte bei illegaler Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft; Übertragung der gesamten Flüchtlingsbetreuung in staatliche Verantwortung und weg von den NGOs.“
Zugang zu Sozialleistungen soll es für Nichtstaatsbürger erst nach mindestens fünfjähriger Beitragszahlung geben. Der Integration von Flüchtlingen ist kein Platz gewidmet - schließlich sollten diese, wenn die Gefahr gebannt ist, in ihre Heimatländer zurückkehren und dort ihren Anteil beim Wiederaufbau leisten, wie es Vizeparteichef Norbert Hofer formulierte.
Grünes Kontrastprogramm zu FPÖ
Die Grünen liefern das Kontrastprogramm zu Blau: Man wolle die Idee eines friedlichen, demokratischen, sozialen und ökologischen Europa weiterentwickeln, heißt es in ihrem Programm. Die Partei plädiert für ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit „menschenwürdigen Erstaufnahmezentren“, eine faire Aufteilung der Schutzsuchenden in der EU und die Wiedereinführung des Botschaftsasyls. Anhand eines Kriteriensystems, das Arbeitsqualifikationen, Sprache, Alter und sonstige Integrationsfaktoren berücksichtigt, sollen legale Wege der Migration geschaffen werden.
Forderung nach eigenem Ministerium
"Weder linke Träume noch rechte Hetze“ verspricht NEOS verwirklichen zu wollen. Man will die Einführung eines eigenen Bundesministeriums für Migration und Integration sowie den Staat dazu verpflichten, Asylverfahren binnen 180 Tagen in zweiter Instanz rechtskräftig abzuschließen. Weitere Forderungen umfassen eine Residenzpflicht, eine österreichweit gleich geregelte Mindestsicherung und verbindliche Rückführungsabkommen mit den wichtigsten Herkunftsländern von abgelehnten Asylwerbern. Jene mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit sollten dafür nach sechs Monaten einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
Pilz will Flüchtlinge auswählen
Die Liste Pilz hat bei ihrer Positionierung auf ein Papier zurückgegriffen, mit dem Peter Pilz die Grünen im Vorjahr zu einem Kurswechsel bewegen wollte – bekanntlich vergeblich. Gestrichen wurde der umstrittene Titel „Österreich zuerst“, nun heißt es „Ja, es geht!“ Zentrales Element darin ist der „Resettlement“-Plan in drei Stufen: Österreich sollte Flüchtlinge an Ort und Stelle auswählen, nach Integrationschancen und größter Not.
Danach würde eine „Österreich-Vorbereitung“ folgen, und zwar ein halbes Jahr lang in einem Lager, etwa in Jordanien. Dann könnten Flüchtlinge legal nach Österreich kommen. Ebenso wie NEOS fordert die Liste Pilz ein eigenes Integrationsministerium, des Weiteren verstärkte Sprachförderung und ein striktes Vorgehen gegen politischen und religiösen Extremismus.

Grafik: ORF.at; Quelle: Integrationsbericht/Berger et al. (2016)
"Angriffe gegen Flüchtlinge sind gegen uns alle“
KPÖ Plus „kämpft konsequent für Menschenrechte und die Stärkung der Demokratie“, heißt es in ihrem Programm. „Die Angriffe gegen Flüchtlinge sind Angriffe gegen uns alle. Wir wollen uns frei ausdrücken und bewegen, anstatt gegeneinander ausgespielt zu werden.“ Folglich setzt man sich ein für: „Wahrung des Menschenrechts auf Asyl; klare Ablehnung der Beschränkung der Menschenrechte durch ‚Obergrenzen‘-Diskussionen und andere Angriffe; stärkere Förderung von ehrenamtlichen Initiativen im Asylbereich; Bekämpfung der Fluchtursachen, nicht der Schutzsuchenden.“ Für alle, die seit mehr als einem Jahr ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, wird das Wahlrecht gefordert.
"Wir entscheiden, wer kommt und wer bleibt“
Am anderen Ende des politischen Spektrums findet sich die Freie Liste Österreich (FLÖ). „Eine kaum zu bewältigende Flut an Fremden, die weiterhin in unser Land strömt, gefährdet unsere Sicherheit, unseren Sozialstaat und unsere Identität. Kein Land kann zur Selbstzerstörung verpflichtet werden: Wir entscheiden, wer kommt und wer bleibt!“, entnimmt man der Website. Gefordert werden etwa die „Schaffung eines Bundesgrenzschutzes zur Sicherung der Staatsgrenzen“ und die „sofortige Abschiebung krimineller Asylwerber und radikaler Fanatiker“.
Direkte Demokratie als Lösungsansatz
Bei der Liste Gilt von Roland Düringer und den Weißen sucht man vergeblich nach Positionierungen. Sämtliche Entscheidungen sollten ausschließlich von den Bürgern getroffen werden: bei Gilt von den „Bürgerparlamenten“, die jeweils in sechswöchigen Beratungen eine Entscheidungsgrundlage für die gewählten Parlamentarier treffen sollen, bei den Weißen über verbindliche Volksabstimmungen – sie wollen „eine ständige Brücke für das Volk ins Parlament sein“.
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