Digitalisierung als Chance und Gefahr
Prominente Vertreter aus Politik, Medien und Wirtschaft haben bei der Konferenz Darwin’s Circle am Donnerstag in Wien über den Themenkomplex Digitalisierung diskutiert. Dabei gab es Einblicke in die Zukunft der Arbeit - und viele unbeantwortete Fragen, denn die Entwicklung steht noch immer am Anfang.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Einen „positiven Zugang zu Digitalisierung“ zu entwickeln forderte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in einer „State of the Digital Union“-Rede zu Beginn der Veranstaltung - es sei die Pflicht der „Elite in diesem Land“, dafür zu sorgen, dass niemand „unter die Räder kommt“, so Kern. Gleichzeitig sei die Digitalisierung aber eine große Chance für die heimische Wirtschaft.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Diskurs rund um das Thema Digitalisierung häufig. Tatsächlich bedroht die rasant fortschreitende Entwicklung zahlreiche Arbeitsplätze, auch hierzulande, dementsprechend wird ihr oft mit Skepsis begegnet. Dazu kommen komplexe Themen wie etwa der Datenschutz, der mit der zunehmenden Vernetzung an nötiger Transparenz verliert. Betreffen wird die Digitalisierung früher oder später jeden - vor allem auf die Arbeitswelt der im 21. Jahrhundert geborenen „Generation Z“ wird sich der Wandel auswirken.

Ranger
Im Wiener Haus der Industrie diskutierten prominente Vertreter aus Politik und Wirtschaft
Wie viel Staat braucht der Markt?
Den Ton geben vor allem große Konzerne an - keine Diskussion über Digitalisierung kommt ohne die Erwähnung von Facebook, Google und Amazon aus. In Wien waren zahlreiche globale Player anwesend - neben den bereits erwähnten etwa auch der chinesische Handelsriese Alibaba. Vor dem Haus der Industrie demonstrierten unterdessen Netzaktivisten gegen das Internet der Konzerne. Neben Unternehmen waren bei der Konferenz auch Vertreter von Medien und Politik geladen. Die drei Bereiche weisen im Hinblick auf die Digitalisierung eine große Schnittfläche auf.
So sieht Kern etwa eine engere Zusammenarbeit von Staat und Markt als wesentlich an und verweist dabei auf das häufig zitierte Beispiel, wonach Apples iPhone ohne staatliche Grundlagenforschung nicht möglich gewesen wäre. Ähnlich sieht das auch Palantir-Geschäftsführer und -Mitbegründer Alex Karp, der mit Kern diskutierte. Er sprach sich für ein „Primat des Staates“ aus. Palantir gilt als eines der größten Unternehmen im „Big Data“-Bereich und arbeitet etwa mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammen - Datenschützer kritisieren das Unternehmen dafür.
Zukunft mit bedingungslosem Grundeinkommen
Was passiert, wenn ein Arbeitsplatz durch technischen Fortschritt wegfällt, beschäftigt unter anderen Albert Wenger. Der amerikanische Investor zeichnet für zahlreiche erfolgreiche Netzunternehmen verantwortlich, er gilt aber auch als Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens, das er für die Zukunft als unerlässlich sieht. Als Argument bezieht er sich in erster Linie auf die Geschichte.

Lichtenegger
Albert Wenger schlägt ein bedingungsloses Grundeinkommen im Zeitalter der Digitalisierung vor
Zu Beginn der Industriellen Revolution haben knapp 80 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet, jetzt seien es nur noch fünf Prozent. Legt man das auf heute um, so Wenger, arbeitet ein Großteil der Menschen einem wirtschaftlichen Zweck entgegen - es sei aber nicht unwahrscheinlich, dass auch dieser Wert rasant fällt.
Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen bliebe mehr Platz, um anderen Dingen nachzugehen, etwa Wissen, Kunst, Freunde, Pflege von Kindern und älteren Menschen. Für Wenger ist einer der wichtigsten Faktoren die Aufmerksamkeit - diese werde heute vor allem dafür aufgewendet, um darüber nachzudenken, wie man sich Dinge leisten kann, anstatt etwa über den eigenen Lebenszweck. Was utopisch anmuten mag, sieht Wenger als gänzlich neue Denkweise, in der Kapital keine Rolle mehr spielt.
Neue Möglichkeiten für Industrie
Weniger als Umbruch sahen das Vertreter der Industrie, etwa der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, der den Begriff digitale Revolution ablehnt und stattdessen gleich zu Beginn von einer Evolution sprach. Dem erteilte jedoch Wenger einige Stunden später eine Abfuhr, da analoge und digitale Maschinen nicht miteinander verglichen werden könnten.
Wie die Industrie auf neue Möglichkeiten und Anforderungen reagiert, wird häufig im Begriff „Industrie 4.0“ zusammengeführt. Mit steigender Vernetzung können Zwischenschritte zwischen Verbraucher und Hersteller übersprungen werden, was mit Vorteilen auf beiden Seiten beworben wird. Im Gegenzug wird aber auch das Thema Datenschutz deutlich zentraler.
Daten als „Währung“
Dass Anwenderinnen und Anwender nicht mehr nur mit Geld bezahlen und Gratisdienstleistungen oft über Daten finanzieren, sei vielen Nutzern nicht bewusst: T-Mobile-Österreich-Chef Andreas Bierwirth machte darauf aufmerksam, dass die Nutzer die „Währung Daten“ verstehen müssten, so wie auch der Umgang mit Geld erst erlernt werden musste. Dieses Bewusstsein müsse erst geschaffen werden.
In derselben Diskussionsrunde eröffnete die im Medizinbereich tätige amerikanische Autorin Robin Farmanfarmaian eine andere Sichtweise auf die Thematik. Firmen wüssten aufgrund gesammelter Daten etwa, ob man krank sei, dürften es aber wegen des Datenschutzes nicht sagen. So soll etwa die amerikanische Supermarktkette Walmart das Diabetesrisiko ihrer Kunden kennen. Doch gerade das dürfte für viele Datenschützer kein Argument sein: Immerhin solle eben nicht alles mit Daten von Menschen gemacht werden dürfen.
Baustelle Bildung
Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle, die digitale Kompetenz bereits im Kindesalter spielt. Ein Panel widmete sich daher auch dem Thema Bildung. Technologien wie Virtual Reality (VR) könnten den Schulalltag verändern - Dominic Eskofier vom IT-Konzern Nvidia bemängelt aber, dass oft noch immer nur „ein VHS-Rekorder“ vorhanden sei. Diese eingefahrenen Strukturen aufzubrechen sei auch Aufgabe der Politik, so der Tenor. Bei Eltern und Lehrern müsse auch das Verständnis für VR als weiteres Medium - und nicht als sinnloses Spielzeug - geschaffen werden.
Eine Entwicklung, die am Anfang steht
Ob Revolution oder Evolution: Digitalisierung ist eine Realität, die Auswirkungen auf große Teile der Gesellschaft haben wird. Daran wurde auch in den Paneldiskussionen nicht gezweifelt. Konkrete Lösungsvorschläge sind rar, Ansätze geben aber einen ersten Ausblick auf das weitere Leben im digitalen Zeitalter. Noch befänden wir uns an dessen Anfang, wie der ebenfalls geladene US-Journalist Jeff Jarvis tags zuvor im Rahmen des ORF-Dialogforums zu bedenken gab.
Links: