Themenüberblick

Flucht vor den Nazis

Das enge Netzwerk, das deutschsprachige Architekten im Zuge des Baus von Ankara geflochten haben, ist nach der Machtergreifung durch die Nazis in den 1930ern für etliche von großer Hilfe gewesen. Viele Planer, aber auch Künstler und Intellektuelle emigrierten in die Türkei, die zwar ein gutes Verhältnis zu Nazi-Deutschland hatte, doch den immensen Wert des Fachwissens erkannte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Clemens Holzmeister, der nach seiner Entlassung an der Wiener Akademie der bildenden Künste im Jahr 1938 dauerhaft in die Türkei emigrierte, war nur einer von vielen Architekten, welche die berufliche Verbindung nutzten, um Europa dauerhaft verlassen zu können.

Etliche deutsche Architekten waren bereits 1933 nach Hitlers Machtübernahme in Deutschland in die Türkei gegangen, wo auf viele, im Gegensatz zum wirtschaftlich in Schieflage befindlichen Europa, Arbeit wartete. In der Türkei wurde hingegen groß in die Infrastruktur der jungen Republik investiert.

Berliner Planungskompetenz

Der deutsche Stadtplaner, Architekt und Stadttheoretiker Martin Wagner, der maßgeblich an den zum UNESCO-Welterbe zählenden „Siedlungen der Moderne“ in Berlin beteiligt war, rettete sich genauso wie sein damaliger Projektkollege Bruno Taut, der später Atatürks monumentale Grabstätte plante. Wagner wurde 1935 städtebaulicher Berater der Stadt Istanbul. Er ging 1938 in die USA und wurde Professor in Harvard. Taut gilt neben Holzmeister und Ernst Arnold Egli als der prägendste Architekt des modernen Ankara der 1920er und 1930er Jahre.

Zu den geflüchteten Experten zählten auch der Städteplaner und spätere Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter sowie die Erfinderin der Frankfurter Küche, die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die mit ihrem Mann Wilhelm Schütte als Exil Istanbul gewählt hatte. Sie war genauso wie Egli an der Akademie der Schönen Künste in Istanbul lehrend tätig.

Von der Gestapo verhaftet

Doch auch die Türkei zeigte wenig politische Stabilität. Als sich Ende der 1930er Jahre die politische Situation in der Türkei destabilisierte, emigrierte Egli 1940 in die Schweiz und wurde Professor an der ETH Zürich. Schütte-Lihotzky, die im kommunistischen Widerstand aktiv war, wurde bei ihrer geheimen Rückkehr nach Wien von der Gestapo 1941 festgenommen. Zunächst wurde für Schütte-Lihotzky die Todesstrafe beantragt. Verurteilt wurde sie zu 15 Jahren Zuchthaus. Schütte-Lihotzky blieb bis zum Jahr 1945 in Haft und wurde erst von den Alliierten befreit.

Der Grazer Architekt Herbert Eichholzer, der ebenso in Istanbul wirkte, war wie Schütte-Lihotzky maßgeblich an der Formierung einer kommunistischen Widerstandsgruppe beteiligt. Ihn kosteten seine Aktivitäten das Leben. Er wurde nach seiner Verhaftung in Österreich wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und 1943 hingerichtet. Mit dem alle zwei Jahre in Graz vergebenen Herbert-Eichholzer-Förderungspreis wird des Architekten in Form eines Preises für Architekturstudenten gedacht.

Links: