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Immer mehr Lockerungen

Bisher dürfen Frauen im streng konservativen Saudi-Arabien nicht alleine Auto fahren. Ein königlicher Erlass soll das bald ändern. Zuletzt gab es einige Lockerungen in dem Königreich - offenbar als Teil des wirtschaftlichen Reformprogramms.

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König Salman habe die Regierung angewiesen, Regularien zu erarbeiten, nach denen sowohl Männern als auch Frauen Fahrerlaubnisse erteilt werden sollen, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung der staatlichen saudischen Presseagentur SPA. Saudi-Arabien ist bisher das einzige Land der Welt, in dem Frauen nicht Auto fahren dürfen.

Komitee prüft Vorteile

Ein hochrangiges Komitee verschiedener Ministerien soll jetzt die Neuerung prüfen, die im Juni nächsten Jahres in Kraft treten soll. Dabei gehe es auch um die negativen Auswirkungen, die es mit sich bringe, Frauen nicht fahren zu lassen, hieß es in der Mitteilung der SPA. Die positiven Aspekte, die diese Entwicklung mit sich bringe, seien berücksichtigt worden. Der Staat als Hüter der Werte werde weiter die Sicherheit der Gesellschaft garantieren.

Der saudische Botschafter in den USA sagte, die Entscheidung sei ein großer Schritt. Der König sei der Meinung, dass es nun Zeit für eine solche Änderung sei, denn es gebe in Saudi-Arabien eine „junge, dynamische und offene“ Gesellschaft. Zudem sei es nicht nur eine soziale Veränderung, sondern Teil einer „wirtschaftlichen Reform“.

Langjähriger Kampf

In der Vergangenheit waren immer wieder Frauen in Saudi-Arabien vorübergehend festgenommen worden, wenn sie von der Polizei am Steuer erwischt worden waren. Bürgerrechtsgruppen und Frauen des Landes kämpfen seit Jahrzehnten gegen das Verbot. Der konservative islamische Klerus hatte sich bisher beharrlich gegen jede Lockerung des Fahrverbots für Frauen ausgesprochen.

Als Argumente wurden angeführt, dass Männer nicht wüssten, wie sie mit Fahrerinnen umgehen sollten, und dass autofahrende Frauen zu Promiskuität und dem Zerfall der Familie führen würde. Auch jetzt sei mit Widerstand gegen die angekündigte Lockerung zu rechnen, schreibt die „New York Times“.

„Das ist ein Sieg für alle Frauen auf der Welt“, sagte die saudische Aktivistin und Mitbegründerin der Gesellschaft zum Schutz der Frauenrechte in Saudi-Arabien, Wadscheha al-Huwaider, der dpa. „Ich freue mich so. Wir haben so lange für diesen Schritt gekämpft, und jetzt wird er endlich wahr.“ Die Aktivistin kämpft seit Jahren für ein Ende des Fahrverbots und mehr Frauenrechte in Saudi-Arabien.

Frauen durften erstmals ins Sportstadion

Seit Kurzem gibt es allerdings weitere Lockerungen: Erst vor wenigen Tagen gewährte das Königreich Frauen erstmals Zutritt zu einem Sportstadion. Hunderte Frauen durften am Samstag im König-Fahd-Stadion der Hauptstadt Riad in Begleitung ihrer Familien die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag verfolgen. Dafür wurde in der Sportarena, die rund 40.000 Menschen fasst, ein separater Bereich für Familien eingerichtet. Im Juli erlaubte das Bildungsministerium die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht staatlicher Schulen.

Bisher wurden Frauen in Saudi-Arabien auch am Nationalfeiertag nicht ins Stadion gelassen. Das konservative muslimische Königreich verfolgt eine strenge Politik der Geschlechtertrennung. Nach dem Vormundschaftssystem muss ein männlicher Verwandter einer Frau die Erlaubnis geben, wenn sie zum Beispiel studieren, arbeiten oder reisen will.

Wirtschaftlicher Druck steigt

Ganz freiwillig sind die Reformen wohl nicht. Die historische Entscheidung ist Teil eines gigantischen Reformprojekts: Im Rahmen von Vision 2030 will Riad seine Wirtschaft und Gesellschaft umfassend modernisieren. Die treibende Kraft dahinter ist der 32-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman, der als Hoffnungsträger gilt. Mehr als die Hälfte der Einwohner im Land sind jünger als 25 Jahre.

Saudi-Arabien steht unter wirtschaftlichem Druck. Seit dem Verfall des Ölpreises versucht das Land sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Öl zu lösen. 2016 klaffte ein Loch von etwa 75 Milliarden Euro im Staatshaushalt. Rund 90 Prozent der Einnahmen des Staates stammen aus dem Ölexport. Die Arbeitslosigkeit unter den Frauen liegt bei über 30 Prozent, unter anderem weil ihnen das Autofahren bisher untersagt war. Die Regierung hatte zuletzt angekündigt, mehr Frauen in Erwerbstätigkeit zu bringen.

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