Aufstieg im Machtgefüge „kometenhaft“
Der Sohn des saudi-arabischen Königs Salman, Mohammed, wird sehr wahrscheinlich nach ihm den Thron besteigen. Der König überraschte Mitte Juni mit einer Änderung in der Thronfolge und der De-facto-Entmachtung des bisherigen Kronprinzen Mohammed bin Najif. Der neue, junge Kronprinz bringt sich schon lange in Stellung.
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Mohammed bin Salman war im Juni erst 31 Jahre alt, für eine Machtposition wie seine im streng konservativen Königreich sehr jung. Der abgesetzte Kronprinz ist 58, der König 81 Jahre alt. Über seinen Gesundheitszustand gibt es immer wieder Spekulationen. Sein Sohn wird nun auch neuer stellvertretender Regierungschef, er behält seinen Posten als Verteidigungsminister. Zum Innenminister wurde Prinz Abdelasis bin Saud bin Najif, geboren 1983, ernannt.

APA/AFP/Saudi Royal Palace/Bandar Al-Jaloud
V. l. n. r.: Mohammed bin Salman, Mohammed bin Najif und König Salman, Dezember 2016
Abgesetzter Kronprinz unter Hausarrest
Der neue Kronprinz gilt schon seit einiger Zeit als starker Mann Saudi-Arabiens - und auch als Reformer. Mohammed bin Salman hat an der König-Saud-Universität in Riad Jus studiert, 2009 ernannte ihn sein Vater zu seinem Sonderberater, als dieser noch Gouverneur (König war damals noch sein Halbbruder Abdullah bin Abdelasis Al Saud) der Hauptstadt Rijad war. Als Salman 2013 Kronprinz wurde, stieg sein Sohn zum Kabinettschef auf. Im April 2014 wurde Mohammed Staatssekretär und Regierungsmitglied.
Mohammed bin Najif, der bisherige Kronprinz, wurde vom König kaltgestellt. Er verlor nicht nur diese Position, sondern auch die des Vizeregierungschefs und seine Funktion an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes. Laut „New York Times“ wurde er auch unter Hausarrest gestellt. Er dürfe das Land und seinen Palast in der Hafenstadt Dschidda nicht verlassen. Mit dieser Maßnahme solle mögliche Opposition gegen den neuen Kronprinzen begrenzt werden - und das, obwohl Bin Najif seinem jüngeren Nachfolger die Treue geschworen hatte. Ein Foto zeigt, wie umgekehrt der Jüngere die Hand des Älteren küsst.

Reuters/Saudi Press Agency
Treueschwur und Geste des Respekts: Mohammend bin Salman und Mohammed bin Najif
Bestens vernetzt mit USA
Die BBC nannte den Aufstieg Bin Salmans in einer Analyse „kometenhaft“, ein Nahost-Korrespondent des Senders schilderte, wie sich der Kronprinz ihm noch 2013 simpel als „Anwalt“ vorgestellt habe. Nun sei er auf dem Weg, zum Staatschef des mächtigsten Staats in der Golfregion zu werden.
Mohammed bin Salman, von der Presse mitunter auch als „MBS“ tituliert, vertrat seinen Vater schon mehrfach bei wichtigen Terminen mit Staatsgästen, zuletzt etwa auch im Frühjahr bei einem Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump in Washington. Bin Salman gilt als bestens mit den USA vernetzt. Nach dem Termin im Weißen Haus war von einem positiven Wendepunkt in den Beziehungen die Rede.
Der US-Präsident habe Bin Salman zu seiner Ernennung gratuliert, hieß es aus dem Weißen Haus. In einem Telefongespräch hätten Trump und der Kronpinz ihre Bereitschaft zu enger Zusammenarbeit „zur Förderung der gemeinsamen Ziele Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in der Region und darüber hinaus“ bekundet.
Krieg im Jemen
Als Hindernis auf dem Weg zum Thron wurde für Bin Salman bisher nur dessen Alter gesehen. Die BBC verwies etwa darauf, dass das wahhabitische Königreich gewöhnlich von 70 bis 80 Jahre alten Männern regiert werde, der Kronprinz aber erst knapp über 30 Jahre alt ist. Dennoch: Laut dem Sender al-Arabija entfielen in einem Ausschuss des Königshauses, der sich mit Nachfolgeagenden befasst, 31 von 34 Stimmen auf den jungen Kronprinzen. König Salman forderte eine Loyalitätserklärung.
Sein Sohn ist als Verteidigungsminister auch für den Krieg im Nachbarland Jemen verantwortlich, in dem Saudi-Arabien seit mehr als zwei Jahren Luftangriffe auf Stellungen der schiitischen Huthi-Rebellen fliegt. Die Bombardements durch ein saudi-arabisch geführtes Militärbündnis zerstörten weite Teile der Infrastruktur des Landes und töteten Tausende Menschen.
Ehrgeizige „Vison 2030“
Der Kronprinz steht aber ganz wesentlich auch hinter der „Vision 2030“, einer gigantischen Wirtschaftsreform, die in dieser Form bisher einzigartig ist. Mit ihr soll das Königreich bis zum genannten Jahr unabhängig von der Erdölwirtschaft werden. Dafür sind Milliardeninvestitionen in andere Branchen notwendig. Bisher finanziert Saudi-Arabien den größten Teil seines Haushaltsbudgets aus dem Ölgeschäft. Teil der „Vision 2030“ ist auch die gezielte Förderung der traditionell stark benachteiligten Frauen.
Der 31-jährige Kronprinz steht auch für eine - sehr vorsichtige - Öffnung des streng islamischen Königreichs. Schon die geplante Eröffnung von Kinos gilt als kleine Sensation. Bin Salman ist für seine Pläne populär, laut BBC vor allem in der jüngeren Generation des Landes. So wie der neue Kronprinz langsam aufgebaut wurde, sei sein Vorgänger sukzessive demontiert worden, schrieb am Mittwoch der britische „Guardian“. Bin Najif habe schon beim Gegenbesuch Trumps in Riad im Mai nur noch eine Nebenrolle gespielt, so die britische Zeitung sinngemäß.
Der unberechenbare Prinz
Bin Salman soll dagegen aktiv an der diplomatischen Isolation Katars beteiligt gewesen sein. Mehrere Nachbarländer und Ägypten hatten zuletzt unter dem Vorwurf der Terrorunterstützung den Kontakt zu dem Golfemirat abgebrochen. Welche Ziele der Kronprinz außenpolitisch verfolgt, wird sich zeigen.
Der deutsche Bundesnachrichtendienst soll in einer Einschätzung schon vor zwei Jahren zu dem Schluss gekommen sein, dass sich König Salman und sein Sohn als „Anführer der arabischen Welt profilieren“ wollten. Eine ungünstige politische Entwicklung werde zum Anlass genommen, die außenpolitische Agenda Saudi-Arabiens „mit einer starken militärischen Komponente sowie neuen regionalen Allianzen zu erweitern“.
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