Viele Nachfragen von Regierungen
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zwei Tage nach der Bundestagswahl versucht, Sorgen im Ausland angesichts des starken Abschneidens der rechtspopulistischen AfD und der zu erwartenden schwierigen Regierungsbildung zu dämpfen. Zugleich warnte er vor Antisemitismus und Fremdenhass in der politischen Auseinandersetzung.
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Steinmeier sagte, dass er aus dem Ausland mehrere Nachfragen nach einer Einordnung der deutschen Entwicklung erhalten habe. Er sehe seine Rolle als Bundespräsident, diese in einer solchen Situation zu liefern. Unter anderem zeigte sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu „besorgt“ über wachsenden Antisemitismus in Deutschland, wie dessen Büro nach einem Telefonat des Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mitteilte.
Netanjahu nahm nicht direkt Bezug auf die AfD. Allerdings forderte er nach Angaben seines Büros die neue Bundesregierung auf, „die Kräfte in Deutschland zu stärken, welche die historische Verantwortung“ für den Völkermord an den Juden im Zweiten Weltkrieg akzeptierten. „Israel wendet sich gegen jeden Versuch, den Holocaust zu leugnen“, hieß es in der Erklärung.
„Ich bin zuversichtlich“
Steinmeier betonte, dass er sowohl bei einer bevorstehenden Regierungsbildung als auch beim Dialog mit Kräften, die die Demokratie in Deutschland kritisch sähen, optimistisch sei. Deutschland stehe sicher vor einer „schwierigen Regierungsbildung“, räumte er ein. „Aber ich bin zuversichtlich, am Ende wird es eine arbeitsfähige Regierung geben.“ Hintergrund sind Sorgen, dass die Gespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen mehrere Monate dauern könnten.
Verweis auf rote Linien
Zugleich warnte Steinmeier angesichts der Debatte über die AfD und umstrittener Äußerungen führende AfD-Politiker davor, dass im demokratischen Wettstreit Regeln gelten müssten. Sicherlich gehöre „notfalls auch die scharfe Kontroverse“ zur Demokratie, sagte der Bundespräsident. Er verwies aber auf die dabei geltenden roten Linien.
„Die Absage an jede Form von Antisemitismus und Fremdenhass gehört dazu. Der Respekt vor politischen Gegnern und Andersmeinenden ebenfalls - und nicht zuletzt die Verantwortung vor der deutschen Geschichte.“ Es sei zu früh zu sagen, ob Deutschlands Image im Ausland durch das Wahlergebnis Schaden genommen habe.
Die Auseinandersetzung mit dem Wahlergebnis gehe dabei nicht nur die Parteien, sondern alle Bürger an. „Wir dürfen nach dieser Wahl nicht ohne Weiteres zur Tagesordnung übergehen“, sagte Steinmeier. Vielmehr müsse man sich intensiver damit beschäftigen, woher Wut, Hass und Misstrauen gegenüber der demokratischen Ordnung und den Institutionen kämen. Man müsse zudem das Bedürfnis der Menschen nach „Anerkennung, Stabilität und Zusammenhalt“ ernster nehmen. Hintergrund ist hier das besonders gute Abschneiden der AfD in den neuen Bundesländern.
„Signal von Sonntag deutlich“
„Das Signal von Sonntag war deutlich“, machte Steinmeier klar. Die Deutschen sollten nun nach Wegen suchen, damit sich die entstandene Kluft in der Gesellschaft nicht noch vergrößere. Dabei sehe er alle in der Pflicht. „Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.“
Erdogan kritisiert Union und SPD
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan machte unterdessen die Türkei-Kritik von Union und SPD für deren Verluste bei der Bundestagswahl verantwortlich. Erdogan sagte am Dienstag bei einer Ansprache in Ankara, das Konzept sei gewesen, auf die Türkei „einzuschlagen“ und dadurch Stimmengewinne zu erzielen. „Aber seht, Ihr erzielt eben keine und werdet auch keine erzielen können. Und Ihr werdet verlieren. Aber wir werden weiterhin ehrliche Politik betreiben.“
Erdogan hatte die wahlberechtigten Deutsch-Türken aufgerufen, bei der Bundestagswahl nicht für SPD, CDU oder Grüne zu stimmen. Er begründete das unter anderem damit, dass sie mit der „Schädigung der Türkei“ Wahlkampf machten und „Türkei-Feinde“ seien. Bundeskanzlerin Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatten sich daraufhin jede Einmischung der Türkei in den Bundestagswahlkampf verbeten.
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