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EU sieht erhöhte Chance für Export

Mit Donnerstag tritt das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) in Kraft. Die vorläufige Anwendung umfasst über 90 Prozent des Abkommens. Die EU erwartet sich durch CETA Exportchancen auch für Klein- und Mittelbetriebe durch die Öffnung der Waren- und Dienstleistungsmärkte sowie der öffentlichen Auftragsvergabe in Kanada.

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Ausgenommen sind vor allem umstrittene Teile: der Investitionsschutz, die Investitionsgerichtsbarkeit, der Zugang zum Investitionsmarkt für Wertpapieranlagen und die strafrechtliche Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten (Camcording).

Die bisher nicht in Kraft tretenden Teile des CETA-Abkommens können erst dann angewendet werden, wenn auch die Parlamente der EU-Staaten den Text ratifiziert haben. Von den 28 EU-Staaten haben das bisher erst Lettland, Dänemark, Spanien, Kroatien und Malta gemacht. In Belgien müssen auch Regionalparlamente zustimmen. So hatte die Region Wallonien im Vorjahr die Unterzeichnung von CETA wochenlang blockiert, bis der Text schließlich doch am 30. Oktober 2016 von Spitzenvertretern beider Seiten unterschrieben wurde.

Unterschiedliche Standpunkte in Österreich

In Österreich gehen die Standpunkte der Parteien unverändert - auch kurz vor der Nationalratswahl - stark auseinander. Das zeigt neuerlich eine Befragung, die Greenpeace unter den Spitzenkandidaten der größeren Parteien durchgeführt hat.

Unter den heimischen Spitzenkandidaten wollen nur ÖVP-Chef Sebastian Kurz und NEOS-Vorsitzender Matthias Strolz der endgültigen Ratifizierung zustimmen. Die beiden akzeptieren auch die in Österreich besonders umstrittenen Sonderklagerechte für ausländische Investoren.

Deutlich kritischer sind die Chefs bzw. Spitzenkandidatinnen von SPÖ, FPÖ und Grünen, Christian Kern, Heinz-Christian Strache und Ulrike Lunacek. Sie wollen in CETA noch den Schutz öffentlicher Dienstleistungen sichergestellt sehen. Sie haben auch noch Sorgen in Bezug auf den Schutz des Vorsorgeprinzips, wie sie auf Greenpeace-Fragen sagten. Allerdings kann CETA nur unverändert akzeptiert oder abgelehnt werden, eine Nachverhandlung ist nicht vorgesehen.

CETA-Debatte im Parlament

Das Freihandelsabkommen prägte auch den Beginn der Nationalratssitzung am Mittwoch. In einer Aktuellen Stunde zu dem Freihandelsabkommen verlangte Strache eine Volksabstimmung über CETA. Auch Grünen-Abgeordneter Werner Kogler machte sich für einen Volksentscheid stark. Die Regierung habe von Anfang an ein falsches Spiel gespielt und der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut.

Bundeskanzler Kern sagte, die Diskussion über das Abkommen mit Kanada sei von einer gewissen Oberflächlichkeit geprägt. Es werde „nicht Milch und Ahornsirup fließen“, doch auch Untergangsszenarien seien nicht angebracht. CETA trete nun vorläufig in Kraft, aber ohne Investorenschutz. „Wir sind nicht bereit, bis auf Weiteres Sonderrechte für internationale Konzerne zuzulassen“, sagte der Kanzler. Bis das nicht gelöst sei, sehe er keine Veranlassung, CETA dem österreichischen Parlament zur Ratifizierung vorzulegen.

Für die ÖVP warnte Kathrin Nachbaur vor Protektionismus: „Für ein kleines Land wie Österreich wäre das verheerend.“ Die Globalisierung des Handels habe die Ungleichheiten in der Welt dramatisch verringert, andererseits aber zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer geführt. Nikolaus Scherak (NEOS) zeigte wenig Verständnis für die Kritik der anderen Oppositionsfraktionen: „Wenn Sie schon so panische Angst vor Handel mit Kanada haben, dann frage ich mich, mit wem Sie in Zukunft Handel führen wollen.“

Fälschungsschutz für 143 europäische Produkte

Durch das Abkommen entfallen mit dem vorläufigen Inkrafttreten 98 Prozent aller kanadischen Zollgebühren. Nach Berechnungen der EU-Kommission ersparen sich die Europäer dadurch jährlich Zollgebühren in der Höhe von 590 Mio. Euro.

Zölle entfallen auch für Lebensmittel- und Getränkeexporte. Kanada verdoppelt etwa seine Quoten für Einfuhren von europäischem Käse. Einen Schutz genießen Rind- und Schweinefleisch und Mais, für die es limitierte zollfreie Quoten gibt. Für Geflügel und Eier gibt es keine Marktöffnung. 143 europäische Produkte mit Herkunftsangaben wie etwa der italienische Chianti-Wein und tschechisches Bier sind wie in der EU dann auch in Kanada vor Fälschungen geschützt.

Auf null reduzieren sich die Zölle auch in der Industrie, ob das nun Bekleidung, Autoteile, Maschinen, elektrische Apparaturen, medizinische und optische Geräte oder Chemikalien umfasst. Eine Marktöffnung erfolgt durch CETA weiters bei Finanz-, Post-, Telekom- und Verkehrsdienstleistungen. Das Abkommen schafft auch einen Rahmen für die gegenseitige Berufsanerkennung, etwa für Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ingenieure und Rechtsanwälte.

Abkommen mit Südkorea als Vorbild

Vorbild für CETA ist für die EU-Kommission das 2011 in Kraft getretene Freihandelsabkommen EU-Südkorea. Dieses hat seither zu einem Anstieg von 55 Prozent der EU-Waren- und 40 Prozent der EU-Dienstleistungsausfuhren geführt. Nach Berechnungen der EU-Behörde haben sich europäische Firmen seither drei Mrd. Euro an Zollgebühren erspart.

Im Jahr 2016 exportierte die EU Waren im Umfang von 35 Mrd. Euro und 2015 Dienstleistungen im Wert von 18 Mrd. Euro nach Kanada. Kanada ist für die EU der zehntwichtigste Handelspartner weltweit, umgekehrt ist die EU für Kanada der zweitgrößte Handelspartner. Nach Angaben der EU-Kommission hängen in Europa 865.000 Jobs von Exporten nach Kanada ab. 221.000 Arbeitskräfte aus der EU arbeiten in der EU für kanadische Firmen.

EU-Kommission sieht Profit für Österreich

Auch zwischen Österreich und Kanada bestehen enge Handels- und Investitionsbeziehungen: Kanada ist für Österreich der siebentwichtigste Handelspartner außerhalb der EU. Der österreichische Handelsbilanzüberschuss gegenüber Kanada beträgt aktuell 693 Mio. Euro.

Österreich exportiert Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,2 Mrd. Euro und importiert Waren und Dienstleistungen im Umfang von 537 Mio. Euro aus Kanada. Nach Schätzungen der EU-Kommission wird Österreich von der Aufhebung von Zöllen auf nahezu alle seine Ausfuhren profitieren, insbesondere bei Maschinen und elektrotechnischen Geräte, Eisen- und Stahlerzeugnissen, Arzneimitteln sowie Kfz-Teilen.

Studien mit unterschiedlichem Ergebnis

Die Wirtschaftskammer (WKO) erwartet anhand einer Simulationsanalyse des ifo aus dem Jahr 2014 einen volkswirtschaftlichen Nutzen von CETA für Österreich in Höhe von plus 0,3 Prozent Realeinkommenszuwachs. Österreich würde stärker als die EU insgesamt von CETA profitieren, für die ein Plus von 0,22 Prozent erwartet wird.

Eine zweite Studie des Forschungsschwerpunktes Internationale Wirtschaft rechnet auch für Österreich mit einem Zuwachs des Realeinkommens von 0,22 Prozent. Am stärksten profitieren dieser Studie zufolge die Sektoren Motorfahrzeuge (plus 0,74 Prozent), elektrische Maschinen (plus 0,47 Prozent) und Konstruktion (plus 0,43 Prozent).

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