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EU pocht auf Rechte für Konsumenten

Tausende Flüge streicht der irische Billigflieger Ryanair bis Ende Oktober. Damit will der Anbieter laut eigenen Angaben die Pünktlichkeit der eigenen Flugzeuge erhöhen. Doch im Hintergrund soll Ryanair ganz andere Probleme haben.

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Bis zu 50 Flüge pro Tag will Ryanair in den kommenden sechs Wochen von seinen mehr als 2.500 Flügen streichen, kündigte der Anbieter vergangene Woche an. Bis Ende Oktober sollen es rund 2.100 Flüge sein. Die Airline hatte am Freitag erklärt, ihre Pünktlichkeitsquote sei in den ersten beiden September-Wochen auf unter 80 Prozent gesunken. Das sei für die Kunden nicht akzeptabel.

Als Begründung für die zunehmenden Verspätungen während der Sommermonate führte Ryanair unter anderem Fluglotsenstreiks und schlechtes Wetter an. Aber auch eine schlechte Personalplanung sei die Ursache. „Wir haben die Planung der Pilotenurlaube vermasselt. Wir arbeiten jetzt hart daran, das zu beheben“, zitierte „The Irish Independent“ Ryanair-Marketingchef Kenny Jacobs. Viele Piloten und Kabinenpersonal müssten in den kommenden sechs Wochen ihren Jahresurlaub nehmen, hieß es.

Gewerkschaft: Ryanair gehen die Piloten aus

Im Hintergrund werden aber ganz andere Gründe für die Streichungen genannt: Ryanair gingen schlicht die Piloten aus, schreibt die Zeitung „The Irish Independent“. Seit Jahresbeginn hätten 140 Piloten zum Konkurrenten Norwegian Air gewechselt. Ryanair habe daher angefangen, neuen Piloten eine Antrittsprämie von 10.000 Euro anzubieten, so das Blatt ohne Angabe von Quellen. Die skandinavische Airline bestätigte, dass sie 140 Piloten von Ryanair eingestellt hat.

„Ryanair-Mitarbeiter sagen uns, es werden Flüge gestrichen, weil Piloten das Weite suchen“, sagte auch der Sprecher der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), Markus Wahl, der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Ryanair habe eine hohe personelle Fluktuation, weil die Airline niedrigere Gehälter zahle als Mitbewerber. Viele Piloten versuchten daher, zu anderen Gesellschaften zu wechseln. Ryanair habe bereits angefangen, Piloten aus Südamerika anzuwerben.

Ryanair dementiert Pilotenmangel

Ryanair selbst dementiert einen Pilotenmangel. Piloten würden zwar von Mitbewerbern abgeworben, so Ryanair-Chef Michael O’Leary laut dpa am Montag auf einer Analystenkonferenz in London, man versuche aber, die Piloten mit einem „Loyalitätsbonus“ bei der Stange zu halten. O’Leary gab in einer Pressekonferenz aber auch ein „heilloses Durcheinander“ zu und entschuldigte sich bei den Kunden. Allerdings träfen die Ausfälle nur zwei Prozent der Passagiere. O’Leary sagte zudem, die Flugstreichungen würden mit 25 Millionen Euro zu Buche schlagen, davon 20 Millionen Euro für Entschädigungen.

Am Wochenende hatte der Anbieter mehr als 160 Flüge gestrichen, rund 30.000 Passagiere waren davon betroffen. Jacobs räumte gegenüber „The Irish Independent“ ein, die Ausfälle seien höher, weil das Unternehmen mit der Umsetzung der Annullierungen beginne. Über abgesagte Flüge, die bis zum Mittwoch hätten stattfinden sollen, haben die Reisenden nach Angaben von Jacobs bereits entsprechende Informationen erhalten. Seit Montagnacht gibt es eine vollständige Liste aller gestrichenen Flüge auf der Ryanair-Website. Kunden können ihre Flüge stornieren oder ohne zusätzliche Kosten auf andere Flüge umbuchen.

EU will mehr Infos und Entschädigungen

Vielen Kunden, aber auch der EU und der britischen Regierung waren die ersten spärlichen Informationen - es gab zuerst nur Infos zu den bis Mittwoch gestrichenen Flügen - zu wenig. Die Kommission mahnte die Fluglinie am Montag, die europäischen Verbraucherrechte der Passagiere „in vollem Umfang“ zu achten. Diese hätten bei der Absage eines Flugs eine Reihe von Ansprüchen, sagte ein Kommissionssprecher. Laut EU-Regeln müssen Fluglinien eigentlich mindestens zwei Wochen vor dem Abflug über eine Streichung informieren. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Kunden eine neue Verbindung anbieten.

Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterrichtet, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprünglich gebuchte Verbindung. Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie den Kunden entschädigen. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte, sagte der Kommissionssprecher.

Für die Durchsetzung der Rechte seien nationale Behörden zuständig. Der für Luftfahrt zuständige britische Staatssekretär Martin Callanan in London mahnte am Montag ebenfalls: „Wir erwarten, dass alle Airlines alles in ihrer Macht Stehende tun, die Kunden weit im Voraus über Reiseunterbrechungen zu informieren.“

Spekuliert Ryanair mit Air-Berlin-Pleite?

Es könnte aber noch ein ganz anderer Grund hinter den Streichungen stecken, so ein Luftfahrtexperte: Ryanair bereite sich auf den möglichen Fall vor, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss, sagte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne der dpa. Im Fall eines vorzeitigen „Groundings“ müssten Start- und Landerechte in Deutschland vom zuständigen Koordinator sofort neu vergeben werden.

Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprechenden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben. Die irische Gesellschaft hat nach eigenen Angaben nicht für Betriebsteile der Air Berlin geboten.

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