Unkontrollierter Automatismus
Das Werbesystem von Facebook steht einmal mehr in der Kritik. Diesmal geht es nicht um die Frage, ob das Netzwerk bei der Reichweite der Anzeigen trickste. Vielmehr soll das System des Sozialen Netzerks ermöglicht haben, gezielt Antisemiten als Zielgruppe auszuwählen.
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Facebook ist nicht nur das weltweit größte Soziale Netzwerk. Die Milliarden Nutzer machen den IT-Giganten aus den USA auch zu einem der größten Werbeunternehmen der Welt. Die schiere Menge der Nutzer stellt das Unternehmen aber auch immer wieder vor Herausforderungen. Das betrifft nicht nur den Umgang mit Hasspostings.
Laut einem Bericht des US-Portals „ProPublica“ ermöglichte das Unternehmen seinen Anzeigenkunden, gezielt Antisemiten anzusprechen - beziehungsweise in der Diktion des Facebook-Werbesystems „Judenhasser“ („Jew Hater“). Wer etwa Nazi-Andenken vermarkten oder rechtsradikale Veranstaltungen bewerben wollte, konnte ebendiese Kategorie als Ziel der eigenen Anzeige auswählen. Auch die Kategorien „Nazi Party“ und „German Schutzstaffel“ ließen sich von den Journalisten bei ihrer Recherche auswählen.
Nutzerangaben werden zu Kategorie
Möglich machte diese Auswahl die Art und Weise, wie die Zielgruppenkategorien zustanden kommen - nämlich über Angaben, die User selbst über sich machen: etwa zu Bildungsweg, Arbeitgeber und Weltanschauung. Gaben mehrere Nutzerinnen und Nutzer etwa „Nazi Party“ als Arbeitgeber an, so wurde der Begriff in das Zielgruppensystem von Facebook aufgenommen.
Auf diese Weise lässt sich bei Facebook gezielt Werbung für eine Auswahl aus Tausenden Kategorien schalten - neben Geschlecht, Alter, Wohnort können das zum Beispiel auch Interessen und Sprachen sein. „ProPublica“ schaltete im Rahmen der Recherchen selbst drei Anzeigen, die sich an Antisemiten richteten. Die Werbeschaltungen seien von dem Facebook-System innerhalb von 15 Minuten akzeptiert worden, so der Bericht.

Facebook/„ProPublica“
2.274 Facebook-Nutzer gaben „Judenhasser“ als ihr Studienfach an
Die Zielgruppen seien aber eher klein gewesen, schränkte „ProPublica“ ein. In der Kategorie „Jew Hater“ hätte die Anzeige 2.274 Facebook-Mitglieder erreicht. Die Auswahl „German Schutzstaffel“ und „Nazi Party“ als Arbeitgeber ergab jeweils 3.149 und 2.449 Profile. Sie seien allein zu klein gewesen, als dass man Werbung nur für sie schalten könnte. Das sei aber möglich gewesen, nachdem Nutzer mit einem Interesse an der NPD in die Auswahl genommen wurden (194.600).
Facebook: Noch eine Menge Arbeit vor uns
Nachdem „ProPublica“ seine Recherchen vorgelegt hatte, entfernte Facebook die Kategorien. Das Unternehmen erklärte in einem Blogeintrag in der Nacht auf Freitag überdies, die gezielte Werbung auf Basis von Nutzern selbst eingetragener Begriffe werde deaktiviert, bis man solchen Missbrauch verhindern könne. Die Richtlinien von Facebook untersagten strikt, Menschen wegen ihrer Eigenschaften zu attackieren. Dazu zähle auch die Zugehörigkeit zu einer Religionsgruppe.
„Dennoch tauchen immer wieder Inhalte auf, die unsere Standards verletzen. Wir wissen, dass wir noch eine Menge Arbeit vor uns haben“, hieß es in der Mitteilung. In der vergangenen Woche musste Facebook einräumen, dass seine Werbeplattform im US-Wahlkampf 2016 für politische Anzeigen von „nicht authentischen“ Accounts missbraucht wurde, die mit Russland in Verbindung stehen.
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