Warten auf die große Flut
Den ganzen Sonntag über hat der Hurrikan „Irma“ seine zesrtörerische Kraft über Florida entladen. Über die Flordia Keys bewegte sich sein Zentrum zur Westküste des US-Bundesstaates, an der er weiter Richtung Norden zog. Zwar schwächte sich der Wirbelsturm über Land ab. Er wurde auf Kategorie zwei zurückgestuft. Dies mache ihn aber nicht weniger gefährlich, warnten die Behörden.
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„Das Schlimmste kommt, wenn das Auge durchgezogen ist - dann kommt das Wasser“, sagte ein Meteorologe beim US-Nachrichtensender CNN. Untertags hatte „Irma“ an der Westküste zwar bereist für Sturmböen und Regen gesorgt. Die großen Wassermassen waren anfangs aber ausgeblieben. Vielmehr drückte der Sturm durch seine Rotation das Meerwasser vorerst von der Küste weg. Doch die Fluten kämen im Anschluss mit umso stärkerer Wucht zurück, warnten die Meteorologen.

APA/AFP/Getty Images/Brian Blanco
„Gehen sie weg vom Wasser“, warnte das National Hurricane Center (NHC). Nicht alle folgten der Anweisung.
Die verbliebenen Einwohner an der Westküste bereiteten sich Sonntagabend auf Sturmfluten mit Höhen bis zu fünf Metern vor. Ganz besonders gefährdet ist die Metropolregion rund um die Bucht von Tampa. Dort leben rund 2,3 Millionen Menschen - allein über 350.000 in der Großstadt Tampa selbst. Die Stadt und die umliegenden Bezirke sind laut Experten für einen Hurrikan schlecht gerüstet.
Bürgermeister rechnet mit dem Schlimmsten
Der Bürgermeister von Tampa, Bob Buckhorn, befürchtete am Sonntag bereits das Schlimmste: „Wir werden unsere eigene Version davon bekommen, wie die Hölle aussieht“, sagte er. „Der Sturm wird uns einen Schlag ins Gesicht verpassen“, schrieb Buckhorn später auf Twitter. Für die Stadt gilt die gesamte Nacht über eine Ausgangssperre. Auch andere Orte an der Westküste untersagten ihren Bewohnern, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen.
Tornado-Warnung in Miami
Während die Menschen in Tampa und Umgebung der Zerstörung durch noch entgegenbangten, hieß es in anderen Teilen des Bundesstaates bereits „Land unter“. Auf der „rechten“ Seite des Hurrikans, also an der Ostküste, sorgte „Irma“ für erste Überflutungen. Auf Bildern und Videos war zu sehen, wie sich Wassermassen durch die Innenstadt Miamis wälzen. Zugleich entwickelten sich an der Ostküste mehrere Tornados. Auch für die Metropole Miami wurde eine Tornadowarnung herausgegeben.

Reuters/Carlos Barria
Land unter in Miami: „Irma“ brachte Wassermassen in die Millionenmetropole
Bis Sonntagnachmittag fiel bei über zwei Millionen Menschen der Strom aus. Und die Stromanbieter rechneten mit weiteren Blackouts, je weiter „Irma“ Richtung Nord zieht. Berichten zufolge könnten bis zu fünf Millionen Menschen vorübergehend keinen Strom mehr haben.
Drei Tote bei Verkehrsunfällen
Auch erste Todesfälle rund um den Sturm wurden am Sonntag gemeldet. Bei vom Wetter mitverursachten Verkehrsunfällen starben bisher drei Menschen. Zuvor hatte der Hurrikan bei seinem Weg durch die Karibik bereits mehr als 20 Menschenleben gefordert.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/NOAA
In Florida hatten die Behörden Angesichts des Hurrikans 6,5 Mio. Menschen zur Flucht aufgerufen. Das entspricht rund 30 Prozent der Bevölkerung des Bundesstaates. Mehr als 120.000 Menschen harrten seit der Nacht zu Sonntag in Notunterkünften aus. Florida sei insgesamt gut auf den Hurrikan vorbereitet, sagte der Gouverneur des Bundesstaates, Rick Scott. Man dürfe den Sturm jedoch auf keinen Fall unterschätzen.
Katastrophenfall ausgerufen
Der Gouverneur mobilisierte 7.000 Mitglieder der Nationalgarde. Gegenüber dem Nachrichtensender Fox News sagte Scott, US-Präsident Donald Trump habe ihm alle nötigen Mittel zugesichert. Am Sonntagabend rief Trump schließlich den Katastrophenfall für Florida aus. Mit der Ankündigung ist der Weg frei für Notfallhilfen des Bundes für den Staat.
„Irma“ sei ein „großes Monster“, sagte Trump am Sonntag nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus. Er werde „sehr bald“ nach Florida reisen. Der US-Präsident hatte das Wochenende in Camp David verbracht, wo er sich laut dem Weißen Haus regelmäßig über die Lage informieren hatte lassen.
Aussitzen des Sturms
Robert Uitz-Dallinger berichtet aus Miami über die letzten Stunden mit Hurrikan „Irma“. Die Straßen in der Stadt sind leer, die meisten Menschen warten zuhause, dass der Sturm zu Ende geht.
Auch in den benachbarten Bundesstaaten wurde der Notstand ausgerufen. Für einige Gebiete im Süden von Georgia galten Hurrikan-Warnungen. In Alabama mobilisierte Gouverneur Kay Ivey vorsorglich die Nationalgarde. „Irma“ sollte nach letzten Prognosen bis zum Wochenbeginn als tropischer Sturm sintflutartigen Regen mindestens bis nach Alabama und Georgia bringen.
Schwere Schäden an Kubas Küste
Am Samstag war das Zentrum von „Irma“ auf das Camagüey-Archipel an der Nordküste Kubas getroffen. Dabei legte der Hurrikan noch einmal an Stärke zu und wurde vom Warnzentrum vorübergehend auf die höchste Kategorie fünf hinaufgestuft. Danach zog „Irma“ als Sturm der Kategorie vier an Kuba entlang.

AP/Ramon Espinosa
„Irma“ setzte im Norden Kubas ganze Orte unter Wasser
An der Nordküste kam es zu Überschwemmungen und Stromausfällen. Nach Angaben des kubanischen Wetterdienstes löste der Wirbelsturm bis zu sieben Meter hohe Wellen aus. Die Hilfsorganisation Caritas International befürchtet große Schäden, auch Ernteverluste durch Überschwemmungen.
Stärker als Hurrikan „Sandy“ 2012
"Im Jahr 2012 hatte Hurrikan „Sandy" einen fast identischen Weg über Kuba genommen und 200.000 Häuser zerstört oder beschädigt“, so der Kuba-Referent von Caritas International, Kilian Linder. „Damals waren Windgeschwindigkeiten von bis zu 180 Stundenkilometern gemessen worden, diesmal waren es bis zu 260 Stundenkilometer. Wir vermuten deshalb, dass die Schäden bei diesem gigantischen Sturm deutlich schwerer ausfallen werden“, erklärte Linder.
Hoffnung mache aber, dass der Katastrophenschutz auf Kuba gut funktioniere und die Menschen in Notunterkünften in der Regel relativ gut Schutz fänden. Vorsorglich waren nach Behördenangaben mehr als eine Million Menschen in Sicherheit gebracht worden.
„Jose“ verschonte Inseln
Erste Erleichterung machte sich auf den zuvor von „Irma“ schwer verwüsteten französischen Überseegebieten Saint-Martin und Saint-Barthelemy in der Karibik breit. Hurrikane „Jose“, der sich den Inseln genähert hatte, änderte seinen Kurs Richtung Norden und zog in der Nacht auf Sonntag an ihnen vorbei. Frankreichs Wetterdienst hatte für die Überseegebiete die höchste Sturm-Warnstufe ausgerufen. Doch kurz vor Mitternacht (Ortszeit) kam die Entwarnung: Das Zentrum des Hurrikans der zweithöchsten Kategorie vier sei 125 Kilometer nördlich von Saint-Martin.
Die Lokalbehörden hatten an Samstag eine nächtliche Ausgangssperre angeordnet. Die bei Touristen beliebten Inseln waren vor wenigen Tagen von Hurrikan „Irma“ schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. In den französischen Überseegebieten starben mindestens neun Menschen. Saint-Martin ist der nördliche Teil einer Insel, der südliche gehört zu den Niederlanden.
Der französische Präsident Emmanuel Macron wird am Dienstag nach Saint-Martin reisen. Macron werde am Dienstag in der Früh „mit Hilfsgütern und Verstärkung“ in die Karibik aufbrechen, sagte Innenminister Gerard Collomb am Sonntag nach einem Treffen mit dem Präsidenten im Elysee-Palast. Bereits einen Tag vorher wird der niederländische König Willem-Alexander Saint-Martin besuchen. Er traf bereit am Sonntag auf der niederländischen Insel Curacao ein, von wo er weiter nach Saint-Martin reisen wird.
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