Nach der Entspannung erneut Angst
Wenige Tage nach dem Wirbelsturm „Harvey“ nimmt der Hurrikan „Irma“ im Atlantik Kurs auf den Süden der USA. Das Nationale Hurrikanzentrum (NHC) stufte den Sturm auf die höchste Kategorie fünf. Eine erste Karibikinsel wurde bereits von dem Sturm getroffen.
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Mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 295 Stundenkilometern traf „Irma“ auf die zu den Kleinen Antillen gehörende Insel Barbuda am Mittwoch gegen 2.00 Uhr nachts (Ortszeit), teilte das NHC der USA mit. Auf Barbuda warnten die Behörden die etwa 1.700 Bewohner, trotz einer kurzen vermeintlichen Beruhigung der Lage im Zentrum des Sturms nicht nach draußen zu gehen. Im Auge eines Hurrikans herrscht nahezu Windstille.
Der Sturm riss die Dächer von einigen Häusern weg, wie der „Antigua Chronicle“ auf Facebook berichtete. Weitere Informationen über Schäden oder mögliche Opfer lagen zunächst nicht vor. Auch von Barbudas Nachbarinsel Antigua gab es zunächst keine Berichte, der Sturm zog etwa 65 Kilometer nördlich daran vorbei. Puerto Rico und Florida, das im Laufe der Woche betroffen sein könnte, riefen vorsorglich den Notstand aus.

Grafik: APA/ORf.at; Quelle: APA/NOAA
Soldaten schützen Karibikinseln
Hurrikans der Kategorie fünf bedeuten anhaltende Winde von bis zu 280 km/h mit Folgen wie umgestürzten Bäumen, abgerissenen Stromleitungen sowie Wasserknappheit. Erwartet werden auch schwere Zerstörungen, die Häuser unbewohnbar machen können. Das NHC mahnte, die Vorbereitungen auf den Sturm schnell abzuschließen.
Die niederländische Regierung entsandte rund 100 Soldaten als Unterstützung zu den Karibikinseln Sint Maarten, Sint Eustatius und Saba. Die früheren niederländischen Kolonien gehören als besondere Kommunen zum Königreich der Niederlande. Auch zwei Marineschiffe mit weiteren Soldaten und Hilfsgütern in der Region seien bereitgestellt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Den Haag am Dienstag mit.
Preisbremse für Wasser in Puerto Rico
Die Regierung des wirtschaftlich strauchelnden Karibikstaates Puerto Rico rief den Ausnahmezustand aus und aktivierte die Nationalgarde. Das Außengebiet der USA mit seinen 3,4 Millionen Einwohnern hält 456 Notunterkünfte bereit, in denen bis zu 62.000 Menschen untergebracht werden können. Puerto Rico verhängte zugleich einen Preisstopp auf Waren des täglichen Bedarfs wie Essen, Wasser, Medizin, Stromgeneratoren und Batterien.

Reuters/Alvin Baez
In Puerto Rico blickt eine Frau auf ein leeres Supermarktregal, wo normalerweise Wasser lagert
In den Geschäften bildeten sich lange Schlangen. Der Direktor der staatlichen Energiebehörde, Ricardo Ramos, sagte im Fernsehen, das Stromnetz sei wegen fehlender Investitionen äußerst anfällig, sodass Teile des Landes für drei oder vier Monate ohne Strom sein könnten. „Wir bereiten uns auf das Worst-Case-Szenario vor“, sagte er.
Trump sagt volle Unterstützung zu
„Irma“ bedroht auch die Ostküste der USA und Florida. Das NHC erklärte, „Irma“ werde wohl am Samstag den Süden Floridas erreichen. Gouverneur Rick Scott teilte via Kurznachrichtendienst Twitter mit, er habe mit US-Präsident Donald Trump telefoniert, der die volle Unterstützung seiner Regierung zugesagt habe.
Das NHC erklärte, es sei noch zu früh, um vorherzusagen, welchen genauen Weg der Hurrikan einschlagen und welche Effekte er auf die kontinentalen Vereinigten Staaten haben werde. Zugleich warnte die Behörde, Auswirkungen könnten sich später in dieser Woche zeigen.
Schadensprognosen immer düsterer
Die Schadensprognosen für die von „Harvey“ verwüsteten Gebiete in Texas werden immer düsterer. Der Gouverneur des US-Staates, Greg Abbott, schätzte die Kosten für den Wiederaufbau auf bis zu 180 Milliarden Dollar (152 Mrd. Euro). Abbott sagte in Interviews, die von „Harvey“ betroffenen Gebiete und die Zahl der betroffenen Menschen seien weitaus größer als seinerzeit bei „Katrina“.
Dieser Hurrikan hatte 2005 an der US-Küste am Golf von Mexiko verheerende Schäden angerichtet, New Orleans wurde fast völlig überflutet. Insgesamt starben damals bis zu 1.800 Menschen. Die von „Katrina“ verursachten Kosten bezifferte Abbott auf 120 Milliarden Dollar.
Verwüstungen durch „Harvey“ werden sichtbar
„Harvey“ war am 25. August auf die osttexanische Küste getroffen und hatte weite Gebiete unter Wasser gesetzt. Mittlerweile weichen die Fluten, die viertgrößte US-Stadt Houston war laut Behörden zu 95 Prozent wieder trocken. Das Ausmaß der Verwüstungen wird immer deutlicher. Die texanische Behörde für öffentliche Sicherheit gab die Zahl der beschädigten Häuser am Sonntag mit mindestens 200.000 an, fast 13.000 seien völlig zerstört. Mehrere tausend Menschen sind weiter in Notunterkünften untergebracht.
Besonders schlimm ist die Lage noch in der südosttexanischen Stadt Beaumont: Die knapp 120.000 Einwohner haben weiterhin kein fließendes Trinkwasser und sind auf Hilfe von außen angewiesen. Zugleich gibt es aber auch erste Anzeichen für ein Wiederaufleben der gebeutelten Regionen.

Reuters/Alvin Baez
Vorbereitungen auf „Irma“ in Puerto Rico: Ein Mann kauft Holzplatten, mit denen er seine Fenster vernageln will
Trump gab den Tröster
Am Wochenende hatte Trump in Texas den Flutopfern bei einem Treffen Mut zugesprochen und sich „sehr glücklich“ über die bisherigen Rettungs- und Hilfsmaßnahmen geäußert. Trump kam jedoch am Samstag offensichtlich als Tröster und Mutmacher nach Texas. Bei seiner ersten Visite am vergangenen Dienstag hatte er sich ausschließlich auf die Hilfsoperationen konzentriert, aber keinen persönlichen Kontakt zu Opfern gehabt - was ihm teilweise harsche Kritik einbrachte.
Diesmal suchte er mit First Lady Melania an seiner Seite zunächst eine Notunterkunft in einem Teil des Houstoner NRG-Stadions auf und zeigte sich ganz als Präsident zum Anfassen. Trump schüttelte Hände, legte Betroffenen den Arm um die Schulter, strich Kindern über das Haar und plauderte mit ihnen. Wiederholt posierte er auch für Selfies und half zusammen mit Melania beim Austeilen von Essen, unter anderem Hotdogs und Chips.
Ölpreise in stürmischen Zeiten
Trotz der schwachen Preisbewegungen wird der Hurrikan „Irma“, der sich gegenwärtig auf die Karibik zubewegt, auf dem Ölmarkt genau beobachtet. „Harvey“ hatte vor wenigen Tagen zahlreiche Raffinerien im Golf von Mexiko zu zeitweiligen Stilllegungen gezwungen.
Mittlerweile läuft der Betrieb dort Zug um Zug wieder an. Bemerkbar macht sich das an fallenden Benzinpreisen, die wegen der sturmbedingten Stilllegungen deutlich gestiegen waren. Auf dem Rohölmarkt hatte die geringere Raffinerienachfrage hingegen zu tendenziell fallenden Preisen geführt.
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