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„Duell versemmelt“

Drei Wochen vor der deutschen Bundestagswahl hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Umfragen zufolge das TV-Duell gegen ihren SPD-Herausforderer Martin Schulz gewonnen. Blitzumfragen von ARD und ZDF sahen die CDU-Chefin am Sonntagabend vorne. Die Parteien bewerteten das Duell naturgemäß jeweils aus ihrem eigenen Blickwinkel.

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Damit könnte Schulz die Chance vergeben haben, kurz vor der Wahl am 24. September eine Trendwende für seine SPD herbeizuführen. Schulz hatte versucht, Merkel bei zentralen Themen wie Flüchtlingen, Rente und der Türkei in Bedrängnis zu bringen. Allerdings waren die Zahlen der Umfrageinstitute infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen zum Ausgang des einzigen Fernsehduells im Wahlkampf sehr unterschiedlich. Nach ARD-Angaben lag Merkel mit 55 zu 35 Prozent klar vorne. Im ZDF war es viel knapper: Hier kam die Kanzlerin auf 32 Prozent Zustimmung, Schulz auf 29 Prozent. 39 Prozent der Befragten waren unentschieden.

Laut ARD war Merkel in ihren drei TV-Duellen als Kanzlerin noch nie so klar vorn. Deutsche Medien waren sich am Montag in ihrer Einschätzung einig, dass Schulz zwar vieles versucht habe, aber Merkel nie wirklich in Bedrängnis bringen konnte. Die „Süddeutsche Zeitung“ urteilte gar, Schulz sei zu brav aufgetreten - die Folge: „Duell versemmelt“.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Kanzlerkandidat Martin Schulz im TV-Duell

APA/AP/RTL

Kein Grund zur Sorge war das Duell für Merkel

Schulz für weiteres Duell bereit

Schulz sagte nach dem Schlagabtausch, es sei ein „faires Duell“ gewesen. Er sei bereit für ein zweites Duell, denn viele Zukunftsthemen seien zu kurz gekommen. Merkel lehnt ein weiteres TV-Duell ab.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte im ZDF, die Menschen hätten Merkel „besonnen, ruhig und bodenständig“ erlebt. Sein SPD-Kollege Hubertus Heil sagte, Schulz habe „Kanzlerformat“ gezeigt. Einen kräftigen Schub für den Endspurt im SPD-Wahlkampf erwartet die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Schulz sei „sehr klar in allen Fragen“ gewesen, sagte sie der dpa.

Guttenberg: Schulz bewarb sich für Außenminister

Der CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg wertete Schulz’ Auftritt als Bewerbung für das Amt des Außenministers. „Wobei ich auch hoffe, dass die nächste Konstellation keine Große Koalition ist“, sagte Guttenberg in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Grafik zum TV-Duell in Deutschland

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/infratest-dimap

Kauder warnt vor Euphorie

Unionsfraktionschef Volker Kauder sieht die Wahl am 24. September nicht entschieden. CDU und CSU gingen nun mit großer Zuversicht in den Schlussspurt, sagte Kauder der dpa in Berlin. Er mahnte jedoch: „Wir wissen aber auch: Die Wahl wird nicht in einem TV-Duell entschieden.“

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, der Auftritt von Schulz habe seiner Partei Mut gemacht. „Martin Schulz und der gesamten SPD wird das Duell Rückenwind geben.“ Schulz sei überzeugend, souverän und leidenschaftlich gewesen, erklärte der SPD-Politiker. Ein schlichtes „Weiter so“ der Kanzlerin reiche nicht.

Opposition naturgemäß enttäuscht

Die Opposition im Bundestag zeigte sich enttäuscht von dem Fernsehduell. Linke-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch sprach von einem „großkoalitionären Therapiegespräch“. „Martin Schulz hat sich nicht von der Union abgesetzt“, monierte Bartsch. Er hielt Schulz vor, nach der Wahl eine Fortsetzung von Schwarz-Rot als Juniorpartner mittragen zu wollen.

Die Grünen kritisierten, Schulz habe keine Ideen für die Zukunft gehabt. „Dass von Merkel keine Dynamik für Veränderung kommt, war zu erwarten, aber auch von Martin Schulz kamen keine Impulse für einen echten sozialen und ökologischen Wandel in diesen dramatischen Zeiten“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der dpa.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Kanzlerkandidat Martin Schulz im TV-Duell

APA/AFP/John MacDougall

Das Setting war ähnlich wie bei US-Präsidentschaftsdebatten - doch der Ton war deutlich weniger aggressiv als im Vorjahr zwischen Donald Trump und Hillary Clinton

FDP: „Szenen einer alten Ehe“

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, es sei eher um Vergangenheitsbewältigung und nicht um die Zukunft des Landes gegangen. „Das Duell erinnerte an Szenen einer alten Ehe, in der es mal knirscht, aber beide Seiten wissen, dass man auch künftig miteinander muss“, sagte Lindner der dpa. „Jeder weiß, dass Frau Merkel Kanzlerin bleibt, das Rennen um die Plätze eins und zwei ist gelaufen. Das Rennen um Platz drei gewinnt dadurch weiter an Bedeutung.“

Die derzeit nicht im Bundestag befindliche AfD kritisierte das TV-Duell als belanglos. „Ich habe trotz überraschend kritischer Fragen der Journalisten noch nie in 90 Minuten so viele Plattitüden und Phrasen auf einen Haufen gehört, so viel Oberflächliches und Belangloses am Stück“, so AfD-Chefin Frauke Petry.

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