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WWF: Abschüsse schützen nicht

Die angesichts vermehrter Wolfsattacken zuvor von Bauernvertretern aus Tirol, Südtirol und Bayern geforderten „wolffreien Zonen“ hat die Umweltorganisation WWF am Freitag als „fachlichen Nonsens“ bezeichnet.

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Abschüsse würden Nutztiere nicht schützen, argumentierte WWF-Wolfsexperte Christian Pichler: „Ganz im Gegenteil - getötete Wölfe führen oft sogar zu einem Ansteigen an Nutztierrissen.“ Das hätten Untersuchungen aus den USA und Europa gezeigt, so Pichler.

Wolf

APA/dpa/Patrick Pleul

Ein Wolf in einem Naturpark

„Solche Eingriffe bringen die soziale Struktur in Wolfsrudeln durcheinander. Der Abschuss eines Elterntieres kann beispielsweise dazu führen, dass Wölfe ihr Jagdverhalten ändern und die jüngeren, unerfahreneren Wölfe dann auf leichter zu erbeutende Tiere wie ungeschützte Schafe ausweichen.“ Abschüsse könnten dazu führen, dass die Anzahl der Risse in der Folge sogar steigen würden.

Wölfe könnten sich auch wieder ansiedeln

Zudem gab der Umweltschützer zu bedenken, dass „wolffreie Zonen“ nicht lange auch wolffrei bleiben müssen. Denn diese Tiere können bis zu 1.000 Kilometer weit wandern. Immer wieder würden dann Einzeltiere aus umliegenden Regionen diese Gebiete besuchen.

Schafherde

APA/dpa/Patrick Pleul

Vor allem Schafe werden Opfer von Wölfen

„Wenn man eine populistische Forderung immer wieder wiederholt, wird sie deswegen nicht wahrer“, sagte Pichler. Die einzige wirksame Methode zum Schutz von Schafen sei der Herdenschutz.

Abschuss in den meisten EU-Ländern strafbar

Zudem würden derartige Zonen geltendem EU-Naturschutzrecht widersprechen, so der WWF. Der Wolf ist streng geschützt und darf in den meisten EU-Ländern nicht gejagt werden. Wer illegal einen Wolf schießt, begeht eine Straftat, die mit bis zu zwei Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann. Das EU-Naturschutzrecht verlangt, dass Staaten für ihre geschützten Arten sorgen, damit diese wieder einen „günstigen Erhaltungszustand“ erreichen - mehr dazu in tirol.ORF.at.

Laut WWF wurde in Tirol im Frühjahr ein Wolf nachgewiesen, in Südtirol ein Wolfspaar, und in Bayern sollen zwei kleinere Rudel leben. Dass die Situation für Almbauern schwierig ist, könne der WWF verstehen. Man müsse aber konstruktive Lösungen finden, der Wolf selbst habe an den Schwierigkeiten geringen Anteil.

Aus Sicht des WWF müsse man gemeinsam mit den Almbauern an der Verbesserung des Herdenschutzes arbeiten. Die Haltungsform der Freiweide ohne Aufsicht sei auch ohne Wolfsanwesenheit zu hinterfragen, weil sie für Tiere und Beweidung viele Nachteile mit sich bringe. Herdenschutz sorge dabei auch für Vorteile im Naturschutz, so der WWF in einer Aussendung weiter.

Angst um das Vieh als Auslöser

Bauernvertreter aus Tirol, Südtirol und Bayern hatten zuvor gefordert, dass die drei Länder zur „wolffreien Zone“ werden - mehr dazu in tirol.ORF.at. Die Bauernvertreter argumentierten damit, dass es immer mehr Wolfsattacken auf die Herden der Viehzüchter gebe. In Südtirol habe man sogar damit begonnen, „die Tiere frühzeitig von den Almen zu holen“, beschrieb Südtirols Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler die Situation in einer Aussendung.

Um Einzelfälle ginge es in Südtirol dabei schon lange nicht mehr, so sein Nordtiroler Kollege Peter Raggl. Dieser berichtete von „verzweifelten Tierhaltern“. In Italien seien derzeit 2.000 Wölfe unterwegs, die Vermehrungsrate liege bei 30 Prozent im Jahr. Zu einem großen Teil handle es sich bei diesen um Hybriden, also um Wölfe, die sich mit Haushunden verpaart haben, so der EU-Abgeordnete Herbert Dorfmann von der Südtiroler Volkspartei. Das mache die Tiere noch gefährlicher und unberechenbarer.

„Ein Wolf hält sich nicht an Landesgrenzen“

In Tirol sei die Situation noch eine andere. Hier gebe es lediglich einzelne Vorkommnisse. „Doch ein Wolf wird sich wohl kaum an die Landesgrenzen halten“, sagte Raggl. „Wir fordern deswegen gemeinsam, die drei Länder Südtirol, Tirol und Bayern zur wolffreien Zone zu erklären. Sonst werden Land- und Tourismuswirtschaft schon sehr bald mit massiven Problemen zu kämpfen haben“, so Raggl weiter. Die Forderung wurde bei einem Treffen der Vertreter der drei Länder am Dienstag in Südtirol erhoben.

Weiteres Problem für Schafzüchter

Gleichzeitig wies der Tiroler Schafzuchtverband in einer Aussendung nicht nur auf die Wolfsproblematik, sondern auch darauf hin, dass es bald keine Hirten mehr gebe. „Es finden sich einfach keine Idealisten mehr“, sagte Stefan Brugger, Obmann-Stellvertreter des Tiroler Schafzuchtverbandes. „Das führt dazu, dass die Tiere nicht die notwendige Versorgung bekommen“, erläuterte Brugger.

Indes kündigte Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) gegenüber der Tageszeitung „Dolomiten“ an, dass das Land aus den Projekten Life Ursus und Life WolfAlps aussteigen werde. Mit einer Offensive in Brüssel soll der Schutz von Wolf und Bär auf Murmeltier-Niveau gesenkt werden. Von Rom forderte man eine staatsweite Obergrenze für Wölfe. Wo sie nicht hingehören - wie nach Südtirol - sollen sie entnommen werden. Wölfe sollen in den vergangenen Wochen auf der Kirchbergalm in Innerulten in Südtirol insgesamt 27 Schafe und Ziegen gerissen haben.

Bärin KJ2 in Südtirol

ORF

Bärin KJ2 in Südtirol, festgehalten mit einer versteckten Kamera im Wald

Pensionist im Trentino von Bärin angefallen

In italienischen Medien sorgte auch der Fall der Bärin KJ2 für Aufsehen, die im Trentino Ende Juli einen Wanderer, einen 70-jährigen Pensionisten, angefallen hatte. Die Behörden im Trentino hatten nach dem Angriff auf den Pensionisten den Fang und die Verlegung der Bärin in ein anderes Gebiet beschlossen. Mittlerweile soll die Bärin laut italienischen Medien allerdings erschossen worden sein.

Der Fall beschäftigte auch das Parlament in Rom. Der Trentiner Senator Sergio Divina forderte den italienischen Umweltminister Gian Luca Galletti auf, eine Entschädigung für Personen zu genehmigen, die von Bären verletzt wurden. Die autonome Provinz Trient sollte außerdem laut Divina die Genehmigung erhalten, eine Höchstzahl von Bären festzusetzen. Es sei offenkundig, dass das vor Jahren initiierte Projekt Life Ursus zum Bärenschutz im Alpen-Raum „außer Kontrolle“ geraten sei, sagte der Senator.

Die Braunbären im Trentino vermehren sich und haben in den vergangenen Monaten mehrere Tiere gerissen. Die autonome Provinz Trient forderte mehr Freiheit bei Fang und Tötung gefährlicher Exemplare.

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