Wenig Tamtam, aber „große Vorfreude“
Am Montag beginnt in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland das neue Schuljahr, in den anderen Bundesländern dann eine Woche später. Nach einer Schätzung der Statistik Austria steigt die Zahl der Taferlklassler in diesem Jahr um 2,1 Prozent auf rund 88.500 an.
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Der allererste Schultag ist ein aufregender Tag für die Kinder – und auch für die Eltern. Der offizielle Teil des ersten Schultages ist meist nach einer knappen Stunde beendet. Das Programm danach kann mitunter recht unterschiedlich ausfallen: Während die einen mit der ganzen Familie einen Ausflug machen, verbringen die anderen den ersten Schultag in der Nachmittagsbetreuung.
Clowns, Hüpfburgen, Kutschfahrten
Deutsche Medien orteten unlängst immer opulenter werdende Feierlichkeiten zum ersten Schultag. Dieser werde immer mehr zum Riesenevent – mit Kosten im vierstelligen Bereich, schrieb etwa der „Spiegel“. Eigens gemietete Hüpfburgen würden im Vorgarten aufgebaut, Einschulungstorten beim Konditor bestellt.
Die „FAZ“ berichtete von Kutschfahrten und von Clowns und Zauberern, die für das Schulkind gebucht werden. Verwandte würden aus dem ganzen Land mit Schultüten und Geschenken anreisen, immer mehr Begleiter am ersten Schultag die Aulen füllen. Aufwand und Ausgaben würden steigen.
Großes Rahmenprogramm „eher nur vereinzelt“
Ein großes Rahmenprogramm zum ersten Schultag gebe es in Österreich „eher nur vereinzelt“, sagt Karl Dwulit, Vorsitzender des Österreichischen Verbands der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen. Gerade im städtischen Bereich stelle sich auch die Frage, ob die Eltern sich überhaupt von der Arbeit freinehmen können.
Nur gefühlte 2.000 bis 3.000 der Taferlklassler in Österreich würden den ganzen ersten Schultag mit den Eltern verbringen. „Auch die Zahl der Verwandten, die am ersten Schultag mit zur Schule gehen, ist aus unserer Sicht in den letzten Jahren nicht gestiegen“, so Dwulit im Gespräch mit ORF.at.
Von den Schulleitungen sei es aber ohnehin nicht nicht unbedingt gern gesehen, wenn das Haus mit Erwachsenen voll ist. „Das würde vom ersten Kennenlernen ablenken“, so der Elternvertreter. Hat ein Kind Angst, könne natürlich eine Begleitperson mitgehen, „aber wir orten eher, dass bei den Kindern am ersten Schultag große Freude und Vorfreude da ist“.
„Es gibt große soziale Unterschiede"
Einen großen Aufwand zur Einschulung, etwa mit aufwändig gestalteten Schultüten, Ausflügen oder Geschenken, würden eher nur Bevölkerungsschichten betreiben, die die nötigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen haben, so Dwulit: „Es gibt große soziale Unterschiede“. Das merke man auch beim Thema Schultüte.
Die Schultüte
Der Brauch der Schultüte kommt ursprünglich aus Deutschland. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts sollen in Jena Kinder erstmals Papiertüten mit Gebäck zur Einschulung bekommen haben. In Österreich gibt es die Schultüte etwa seit 1940.
Zu allen möglichen Feiertagen werde ja immer mehr geschenkt, und dieser Trend zur Kommerzialisierung sei auch bei der Schultüte ein wenig zu erkennen. Viele Familien müssten allerdings am ersten Schultag bereits an die Folgekosten denken, die in den nächsten Schulwochen noch auf sie zukommen: Schulartikel und vielleicht auch neue Kleidung.
Die Schultüte sei Tradition, so Dwulit, könne aber auch gleich am ersten Schultag Enttäuschung bei Kindern verursachen: „Nicht alle Eltern können sich eine Schultüte leisten oder haben die Zeit, eine zu besorgen.“ Und auch bei der Befüllung gebe es eine große Spannbreite: Von Süßigkeiten und Obst bis zu Videogames, und „manche versuchen auch ein paar Schulartikel hineinzupacken“.
„Facebook-Crowd immer im Hintergrund“
Dass der Aufwand, den Eltern mitunter für ihre Taferlklassler betreiben, nicht gering ist, zeigen auch zahlreiche Bilder auf diversen Onlineplattformen: Zu aufwendig selbst fabrizierten Schultüten gibt es die dazupassende „Schultütentorte“ – eine Torte in Größe und Design der Schultüte. Beliebtes Motiv ist in diesem Jahr das Einhorn.
Bei der Einschulung würden sich viele Mütter gegenseitig überbieten, so Cornelia Kelber vom Zukunftsinstitut in Frankfurt gegenüber der dpa. „Feiern, die früher privat waren, sind zum Statussymbol geworden. Man zeigt, wer man ist und was man kann.“
Das Privatleben sei ein wenig zum Wettbewerb geworden und immer ein bisschen öffentlich - denn alles kann gefilmt und im Internet gepostet werden. „Man hat die Facebook-Crowd immer im Hintergrund, bei allem, was man tut“, sagt Kelber.
„Kleine, mittelgroße und riesige Zuckertüten“
Dass die Schultüten mitunter für die Eltern genauso wichtig sind wie für die Kinder, musste Erich Kästner schon vor über hundert Jahren und ganz ohne Facebook miterleben. Der Schriftsteller wurde in Dresden geboren, wo die Schultüte, auch Zuckertüte genannt, zu seiner Einschulung im Jahr 1905 bereits verbreitet war.
In seinem Buch „Als ich ein kleiner Junge war“ erinnert sich Kästner an seinen ersten Schultag: „Die Eltern standen, dicht gedrängt, an den Wänden und Gängen, nickten ihren Söhnen ermutigend zu und bewachten die Zuckertüten. Das war ihre Hauptaufgabe. Sie hielten kleine, mittelgroße und riesige Zuckertüten in den Händen, verglichen die Tütengrößen und waren, je nachdem, neidisch oder stolz.“
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