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Ein Kater liest Albert Camus

Zur fünften Jubiläumsausgabe des Cat Video Festivals Vienna hat Will Braden, Direktor des amerikanischen CatVideoFests, ein buntes Best-of-Programm zusammengestellt. Als Regisseur einer Videoserie um seinen philosophischen Kater Henri brachte es Braden in den letzten Jahren selbst zu Kultustatus und Millionen Clicks auf YouTube.

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Henri trägt sein schwarzes Fell lang und über der Nase einen koketten weißen Streifen. Wenn er sich in Pose wirft, sieht er aus wie die berühmte „Chat Noir“ des Jugendstilplakats. Und Henri weiß, dass er schön ist.

Wenn er sich seinen Gedanken über sich und die Welt hingibt (die man als französisches Voice Over hört), lernen wir ihn als über den Dingen stehenden Camus-Leser kennen. Ein stiller Denker, der den Albernheiten der anderen drei Katzen, mit denen er das Haus teilt, nichts abgewinnen kann.

Szene aus einem Katzenvideo

Will Braden

„Henri, le Chat Noir“: Mit abschätzigem Blick mustert der frankophile Kater den amerikanischen Alltag

Nouvelle Vague a la Katze

Cat Video Festival Vienna

Das CVF-Programm wird am 31. August, jeweils um 20.00 und 22.00 Uhr (Tickets ab 19.00 Uhr), im Garten des Wiener Volkskundemuseums gezeigt. Wegen geringer Sitzplatzzahl könnten beide Vorführungen rasch ausverkauft sein. Am 14. Oktober und 11. November ist das Programm erneut in der Ausstellung „Hund & Katz“ im Naturhistorischen Museum zu sehen.

Die Kunst von Henris Besitzer Will Braden besteht darin, den Gesichtsausdruck seines Katers zu interpretieren und in Worte zu fassen. Das Ganze unterlegt er mit verwehten Klavierakkorden und färbt die Bilder in künstlerisches Schwarz-Weiß: Fertig ist die Nouvelle Vague a la Katze, einer der größten Clickhits der letzten Jahre. Allein das zweite Henri-Video mit dem wortverspielten Titel „Paw des Deux“ wurde auf YouTube über zehn Millionen Mal gesehen.

Cat Content: Internetsucht der Braven

Es ist schon merkwürdig, wie groß die Faszination des Menschen mit Katzenvideos ist. Es gibt sogar einen eigenen Namen für die Inhalte, die täglich Millionen Menschen von der Arbeit abhalten: Cat Content. Man könnte sagen, Cat Content ist der Porno der Braven. Denn auch Niedlichkeit kann süchtig machen und dazu führen, dass man stundenlang prokrastiniert.

Aber was ist eigentlich niedlich? In vielen Clips sieht man Katzen, die sich scheinbar menschlich verhalten, so menschlich, dass sie wie unsere tapsigen Doppelgänger wirken: Katzen, die Essen stehlen, die aus Eifersucht Attentate auf das neue Baby verüben oder sich nach einer Missetat unter der Bettdecke verstecken. Und dann gibt es wiederum jene Katzen, die aus menschlicher Sicht völlig irre agieren, etwa wenn sie einen Stofftiger, der ihnen hingeschoben wird, fauchend, mit steil aufgerichteten Nackenhaaren attackieren. Die Kämpfe Katze versus Plüschtiger bilden ein stark vertretenes Subgenre in der Katzenvideoausbeute des Jahres 2017 - und laden Katzenhalter zur Nachahmung ein.

Szene aus einem Katzenvideo

Will Braden

Klassisches Mensch-Haustier-Missverständnis: Die Katze spielt mit allem - nur nicht mit dem, was man für sie kauft

Wobei. Ganz sicher kann man sich nicht sein, was die Hauskatze bei der Gegenüberstellung mit dem Tiger empfindet. Was würden wir sagen, wenn man uns nachts einen lebensgroßen Freddy Krueger mit gezückten Metallkrallen vor die Nase hielte? Würden Katzen über das Menschenvideo, in dem sich unsereins verzweifelt gegen den vermeintlichen Killer wehrt, lachen? Wir wissen es nicht, weil Katzen keine Videos drehen.

Übersetzungshilfe zwischen den Arten

Katzen haben Besseres zu tun. Sie legen sich auf warmen Pizzakartons schlafen, klettern die Jalousie rauf, bis sie abreißt, jagen ihr eigenes Spiegelbild im Fenster und schlecken Badeschaum aus der Wanne.

Best of Festivals

Das Cat Video Festival Vienna ist eine Veranstaltung der Vienna-Shorts-Agentur in Kooperation mit dem Kurzfilmfestival dotdotdot Open Air.

Und ja, man kann die Haltung von Katzen in Stadtwohnungen kritisieren. Der Wiener Filmemacher und Mitgründer des Filmmuseums, Peter Kubelka, bezeichnet Wohnungskatzen gern als die „Kuschelprostituierten“ des Menschen. Womit wieder der Porno ins Spiel kommt.

Aber man sollte das Katzenvideofestival lieber entspannter sehen, als Versuch der Übersetzungshilfe zwischen den Arten. Ein kluger Mann schrieb dereinst: „Es gibt keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis.“ Das Zitat stammt von Albert Camus, einem Menschen, den manche vielleicht aus dem Internet kennen - als Lieblingsautor von Henri dem Kater.

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