„Klaus und Meciar waren machtverliebt“
Warum sich vor 25 Jahren die Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten aufspaltete, ist bis heute umstritten. Der slowakische Historiker Dusan Kovac analysiert die Hintergründe.
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Wie standen die tschechische und die slowakische Bevölkerung damals zur Teilung?
Dusan Kovac: Es gab eine ganze Reihe Umfragen in beiden Landesteilen. Miteinander gemeinsam hatten sie alle, dass die Mehrheit ganz eindeutig für den Erhalt des gemeinsamen Staates war. Offensichtlich ist, dass im August 1992 in Brünn (Brno) die Regierungschefs der beiden Teilrepubliken, Vaclav Klaus (Tschechien) und Vladimir Meciar (Slowakei) unter vier Augen die wichtigsten Entscheidungen aushandelten. Sie waren beide machtverliebt, und nur die Trennung hat ihnen beiden die Macht im jeweiligen Landesteil garantiert.
Dusan Kovac
Dusan Kovac (geboren 1942) gilt als der prominenteste Historiker der Slowakei und war jahrelang im Vorstand der Slowakischen Akademie der Wissenschaften tätig. Während er sich für eine wissenschaftliche Karriere entschied, war sein Bruder Michal Kovac von 1993 bis 1998 der erste Staatspräsident der unabhängigen Slowakei.
Wie konnte die Auflösung des gemeinsamen Staates gegen den Bevölkerungswillen durchgesetzt werden?
Kovac: Nach jedem demokratischen Verständnis müsste die Entstehung neuer Staaten bedeuten, dass es nach einer kurzen Übergangsphase Wahlen gibt, mit denen sich die neue Staatselite legitimiert. Aber weder in der Tschechischen Republik noch in der Slowakei gab es solche Wahlen. Es wurden einfach die Parlamente und Regierungen der Teilrepubliken ohne Neuwahl zu Institutionen souveräner Staaten aufgewertet.
Die Proteste beschränkten sich auch deshalb auf kleine Demonstrationen von nur ein- bis zweitausend Menschen, weil man die Bevölkerung bis kurz vor Weihnachten 1992 in der Illusion hielt, es werde noch das von der Verfassung vorgesehene Referendum geben. Doch das vermieden Klaus und Meciar, weil sie bei negativem Ausgang wohl hätten zurücktreten müssen.
Aber gewisse Rivalitäten von Tschechen und Slowaken gab es damals ja wohl doch?
Kovac: Natürlich bestanden große, historisch bedingte wirtschaftliche Unterschiede zwischen beiden Landesteilen. Die führten auch dazu, dass vor allem die weniger Gebildeten empfänglich für Propaganda waren. Auf slowakischer Seite prangerten Populisten als Ungerechtigkeit an, dass die tschechischen Durchschnittslöhne höher als die slowakischen waren. Und Klaus in Tschechien erweckte den Eindruck, die Tschechen würden sich leichter tun und schneller in die EU kommen, wenn sie nicht für die wirtschaftlich schwächeren Slowaken mitzahlen müssten.
Aber Tschechen und Slowaken sind so pragmatisch, dass das nicht in nationalistische Spannungen wie etwa in Jugoslawien ausartete. Zumindest dafür war die Trennung gut, dass auch diese nationalistischen Diskussionen danach zu Ende waren, weil man nicht mehr die anderen für die eigenen Probleme verantwortlich machen konnte.
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