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Jahrelanger Streit mit Minderheit

Bei Angriffen muslimischer Rebellen auf mehrere Grenzposten im Westen Myanmars sind 89 Menschen getötet worden. Etwa 150 Aufständische der muslimischen Minderheit der Rohingya hätten Freitagfrüh mehr als 20 Polizeiposten im Bundesstaat Rakhine attackiert, teilte das Militär mit.

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Nach Angaben des Militärs sollen insgesamt sogar rund 1.000 Aufständische an den Angriffen teilgenommen haben, die sich über weite Teile im Westen des Landes erstreckten. Die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) reklamierte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Angriffe am Freitag für sich und warnte vor weiteren Angriffen.

Myanmars De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi sagte, bei den Gefechten seien 77 Angreifer und zwölf Sicherheitskräfte getötet worden.

Karte zeigt Rhakine in Myanmar

Omniscale/OSM/ORF.at

Vorwurf an „illegale Eindringlinge“

Laut Armeechef Min Aung Hlaing attackierten die Aufständischen die Polizeiposten mit „selbst gebauten Bomben“ und „kleinen Waffen“. Die Armee bezeichnete die Rohingya darin als „Bengalen“, ein abwertender Begriff für die Minderheit, der ihr unterstellt, illegale Eindringlinge aus dem muslimischen Nachbarland Bangladesch zu sein.

Dieser Vorwurf wird häufig von der großteils buddhistischen Bevölkerung in Myanmar geäußert. Die Rohingya reklamieren jedoch für sich, seit Jahrhunderten in der Region verwurzelt zu sein. Ihre Gemeinschaft wird gesellschaftlich marginalisiert und ist immer wieder Gewalt ausgesetzt. Den Rohingya wird auch die Staatsbürgerschaft verweigert.

UNO ruft zum Dialog auf

Die Vereinten Nationen verurteilten die Gewalt und riefen alle Konfliktparteien zu einem Dialog auf, wie die für Myanmar zuständige UNO-Vertreterin Renata Lok-Dessallien in einer Erklärung sagte. Bangladesch versetzte seine Grenzsoldaten angesichts der Erwartung einer neuen Fluchtwelle von Rohingya in Alarmbereitschaft.

Die Spannungen nahmen bereits in den vergangenen Wochen zu, mehr als 1.000 Menschen sollen nach Bangladesch geflohen sein, alleine am Freitag wurden mehr als 100 Menschen, die vor der Gewalt flüchteten, an den Grenzen zum Nachbarstaat abgewiesen.

Konflikt seit einem Jahr wieder aufgeflammt

In Rakhine ist der seit fast 70 Jahren andauernde Konflikt zwischen bewaffneten ethnischen Gruppen und der Regierung vor rund einem Jahr wieder heftiger aufgeflammt. Nach mehreren tödlichen Attacken verlegte die Armee Mitte August weitere Truppen in die Region.

Schon im Oktober 2016 trat erstmals die bewaffnete Gruppierung ARSA in Erscheinung. Sie griff Militärposten an, wobei Armeeangehörige getötet wurden. Die Regierung reagierte mit einer massiven Militärkampagne in dem Gebiet. Dabei sollen Soldaten auch Zivilisten vergewaltigt und getötet haben. Die UNO sprach davon, dass die Armee wahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe. Zehntausende Rohingya sollen damals trotz Abriegelung der Grenze nach Bangladesch geflohen sein.

Annan spricht von „beunruhigender Eskalation“

Erst Mitte August hatte die UNO eindringlich zur Achtung der Menschenrechte der Rohingya aufgefordert. Die UNO-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Myanmar, Yanghee Lee, äußerte „ernsthafte Sorge“ angesichts des Einsatzes der Armee in Rakhine. Die Regierung müsse sicherstellen, „dass die Sicherheitskräfte unter allen Umständen Zurückhaltung üben und die Menschenrechte achten“, erklärte Lee.

Am Donnerstag veröffentlichte eine Kommission unter Leitung des früheren UNO-Generalsekretärs Kofi Annan einen Bericht zur Lage der Minderheit in Rakhine. In der von der Regierung in Auftrag gegebenen Untersuchung fordert das Gremium dazu auf, den Rohingya mehr Rechte zuzugestehen, um eine Radikalisierung zu verhindern. Den Gewaltausbruch am Freitag nannte Annan eine „beunruhigende Eskalation“. Er rief zu einem Gewaltverzicht auf und forderte die Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung auf.

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