Es hakt an den Details
Der Dieselgipfel im Verkehrsministerium am Dienstag hat eine Einigung mit vielen offenen Fragen gebracht: 600.000 Dieselautos erhalten ein Softwareupdate, eine Hardwareerneuerung kommt nicht. Zusätzlich soll es eine Prämie von den Herstellern für den Umstieg auf einen emissionsärmeren Diesel geben. Wie hoch diese ist, hängt von jedem einzelnen Hersteller ab.
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Die Hersteller wiederum garantieren, dass es durch das Softwareupdate zu keinen Nachteilen bei der Gewährleistung kommt. Wie diese Garantie aussehen soll, ist aber noch offen.
Offen ist auch, wie gegen Dieselbesitzer vorgegangen wird, die ihr Auto nicht zum Update bringen. Die Hersteller wollen sie mit Gutscheinen locken, Details wurden nicht genannt.
Automobilimporteurssprecher: Kein Zeitdruck
Allerdings drängt die Zeit ohnehin nicht, denn laut Günther Kerle, dem Sprecher der Automobilimporteure, dauert es ein halbes Jahr, bis die Software fertig ist. Die Updates werden daher erst im Frühjahr 2018 anlaufen.

APA/Helmut Fohringer
Der Vertreter der Autoimporteure, Günther Kerle, und Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ)
Ebenfalls offen ist auch, in welchem Umfang die Autohersteller den Autofahrern den Umstieg auf ein umweltfreundliches Auto versüßen werden. Dass die Prämie der Hersteller die Kundenrabatte auffressen könnte, verneinte Kerle.
Leichtfried noch unzufrieden
Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ), der die Vertreter von Mercedes, BMW, Kia, Ford, Renault, Porsche, VW, Audi, Seat, Skoda, Hyundai, Mitsubishi und Opel zum Gipfel geladen hatte, sprach nach dem Treffen vor Journalisten davon, dass man die deutsche Einigung, die ebenfalls ein Softwareupdate und Prämien vorsieht, „aufgefettet“ hat. Er sei aber trotzdem noch unzufrieden, und daher werde es im Herbst einen großen Gipfel mit allen Interessenvertretern geben.
Christoph Varga zum Dieselgipfel
Christoph Varga, Leiter der ORF-Wirtschaftsredaktion, analysiert die Ergebnisse des „Dieselgipfels“ und die Auswirkungen auf die Automobilindustrie.
Die ersten Reaktionen auf das Ergebnis des Gipfels waren durchmischt. Lob kam vom ARBÖ, der von einem „ersten positiven Schritt“ sprach. Kritik äußerten hingegen Global 2000 („Statt die Autohersteller in die Pflicht zu nehmen, lässt man sie billig davonkommen“), die Grünen („Viel Trara, aber fast nichts für Gesundheit und Umwelt“), der VCÖ („Die angekündigten Prämien sind nicht mehr als ein Marketing-Gag“) und Greenpeace („Kuschelkurs der Politik mit Automobilindustrie“). Der ÖAMTC reagierte zurückhaltend („Ob dieses Ergebnis wirklich besser ist als das deutsche, ist noch offen“).
Experten bereits im Vorfeld skeptisch
Dass dieser Minimalkonsens reicht, um Dieselfahrverbote zu verhindern, bezweifeln Experten allerdings: Der Ausstoß von Stickoxiden (NOx) sinke durch ein Softwareupdate nur geringfügig, erklärte der Autofahrerclub ÖAMTC. Bei Überlandfahrten sei der NOx-Ausstoß bei ÖAMTC-Tests zwar gesunken, im städtischen Bereich aber gestiegen - was Dieselfahrverbote in Städten nach sich ziehen könnte. „Wie viel ein Softwareupdate bringt, hängt vom Fahrzeug und der Belastung ab“, so ÖAMTC-Techniker Friedrich Eppel.
Als Konsequenzen für den Dieselgipfel hatte im Vorfeld des Gipfels der Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung, Bernhard Wiesinger, ein Maßnahmenbündel ohne Kosten oder Verbote für die Autofahrer gefordert. „Konkret sind das die Ökoprämie neu für Euro-0- bis -3-Pkws, Umtauschprämien für Euro-4-Pkws, Software- und Hardwarenachrüstungen für Euro-5 und -6-Fahrzeuge und eine Verstetigung des Verkehrs durch die ‚Grüne Welle‘“, so Wiesinger. „Bei den Prämien müsste man ein System installieren, das garantiert, dass hier nicht die handelsüblichen Rabatte ersetzt werden, sondern ein zusätzlicher Anreiz für den Konsumenten geschaffen wird.“
VCÖ: Hersteller sollen in „Öffi-Fonds“ einzahlen
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) erhob die Forderung, Dieselautos mit stark erhöhter Schadstoffbelastung auf Kosten der Hersteller mit einer funktionierenden Abgasreinigung nachzurüsten. Zudem schlug der VCÖ vor, dass „die Hersteller pro verkauften Schmutz-Diesel-Pkw 2.500 Euro in einen Öffi-Fonds für zusätzliche Verbindungen vom Umland in die Städte einbezahlen“, so der VCÖ in einer Aussendung. Einer Umtauschprämie, wie von der deutschen Autoindustrie angekündigt, kann der VCÖ ebenfalls nichts abgewinnen. Diese sei ein „Verkaufsgag“.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria/Umweltbundesamt 2017
Gipfel zu Abgasreduktion für Herbst angekündigt
Das Verkehrsministerium wies im Vorfeld des Dieselgipfels daraufhin, dass das entscheidende Treffen zum Thema Abgasreduktion erst im Herbst stattfinden werde. Ob vor oder nach der Nationalratswahl am 15. Oktober, ist unklar. Nach einem Termin werde gesucht, hieß es aus Leichtfrieds Ressort. Über die kurzfristige Situation hinaus gehe es laut Leichtfried darum, die Abgasstrategie 2030 zu entwickeln. Er will zwar keine Verbote von Verbrennern. Es solle aber eine Lage gesichert werden, in der es keine Nachteile gebe, emissionsfreie Autos anzumelden.
Der deutsche Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hatte nach dem Dieselgipfel in Deutschland, der Anfang August stattfand, vorgeschlagen, das Steuerprivileg für Diesel abzuschaffen und daraus ein Gutscheinprogramm für den Umstieg auf umweltfreundliche Fahrzeuge zu finanzieren.
Expertin warnt vor Problemen für Fahrzeugbesitzer
Die österreichische Verkehrsexpertin Lydia Ninz sieht indes rechtliche Probleme auf die Zulassungsbesitzer manipulierter Diesel zukommen. Sollten diese nicht ihr Auto für die Updates in die Werkstatt bringen können, drohe der Verlust der Zulassung. Wie hier Österreich gedenke vorzugehen, müsse der Verkehrsminister klar darlegen, forderte die ehemalige ARBÖ-Chefin. Dass ein Verlust der Zulassung droht, wenn die Autos nicht umgerüstet werden, bestätigte inzwischen auch Leichtfried, der hier die Autokonzerne in der Pflicht sieht.
Österreich ist nach wie vor Dieselland, auch wenn die Zulassungszahlen zuletzt im Jahresvergleich gesunken sind: Knapp 110.000 Diesel wurden in den ersten sieben Monaten des heurigen Jahres neu zugelassen, was einen Anteil von 51 Prozent am Gesamtmarkt bedeutet. Allerdings entspricht das im Jahresvergleich einem Rückgang von 4,6 Prozent, während es bei Benzinern ein Plus von 22,6 Prozent gab.
Scharfe Kritik kam im Vorfeld auch vom Transitforum Austria-Tirol: Allein der Begriff sei eine Bagatellisierung, vielmehr handle es sich um einen „Abgasbetrugsgipfel“, zu dem auch „Strafrechtler“ eingeladen werden sollten, hieß es in einem offenen Brief an Verkehrsminister Leichtfried.
Politstreit entbrannt
In der heimischen Innenpolitik war im Vorfeld des Gipfels ein Politstreit entbrannt. Leichtfried übte Kritik am „Ex-Koalitionspartner ÖVP“: Von der Volkspartei und deren Chef Sebastian Kurz habe man bisher zu diesem Thema „kein Wort gehört“. Ähnlich äußerte sich auch die FPÖ: Der freiheitliche Verkehrssprecher Gerhard Deimek kritisierte, dass sich vor allem ÖVP-Chef Kurz nicht zur Causa äußere. Im Übrigen würden die Autoimporteure ohnehin nicht auf große Ziele einsteigen - schließlich werde schon im Oktober gewählt.
Peter Kolba, jahrelanger Chefjurist des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) und Kandidat der Liste Peter Pilz, übte ebenfalls Kritik: „Ein Gipfel, bei dem die deutschen Konzerne der österreichischen Politik diktieren, wie die Umrüstung von Dieselautos vorzugehen hat, ist inakzeptabel.“
Die Grünen erwarteten vom Dieselgipfel eine „überfällige Trendumkehr“, wie Verkehrssprecher Georg Willi sagte. Ähnlich äußerte sich am Dienstag auch Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, die von einem „Schmalspurgipfel“ sprach.
Autoindustrie verweist auf positive CO2-Bilanz
Die Autoindustrie will jedenfalls von Fahrverboten nichts wissen und verwies auf die positive CO2-Bilanz des Diesels und vor allem auf ihre Bedeutung der Zulieferindustrie für den Wirtschaftsstandort Österreich. 250.000 Arbeitsplätze seien in Österreich direkt und indirekt auf den Diesel zurückzuführen - und er erwirtschafte eine Wertschöpfung so hoch wie jene des Tourismus.
„Im Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Dieselantriebs in Österreich ist es nahezu fahrlässig, wie unverantwortlich derzeit Aussagen gegen eine etablierte Technologie getätigt werden. All das, ohne zu bedenken, wie stark der heimische Wohlstand von der Dieseltechnologie abhängt“, so Christian Pesau, Geschäftsführer des Arbeitskreises der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung (IV).
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