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Im Monoplex der 50er Jahre

Solange noch niemand daheim einen Fernseher hatte, war das Dorfkino eine unentbehrliche Institution. Dann setzte das vielbeschworene Kinosterben ein. Doch seit einigen Jahren ist die Zahl der Kinos in Österreich mit 138 in etwa konstant. Gerade Kinos in kleineren Gemeinden erfreuen sich großer Beliebtheit - wie das Beispiel Oberösterreich zeigt.

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„Es ist das beste Kino der Welt. Gar keine Frage“, sagt Helene K. vehement. Die Cineastin stammt aus Wels, lebt und arbeitet in Wien, aber ins Kino geht sie am Wochenende in der kleinen oberösterreichischen Gemeinde Lambach. Hier hat Jürgen Grassinger sich vor zwölf Jahren einen Traum erfüllt: Er hat das alte Kino, das sein Großvater Ferdinand im Jahr 1927 gebaut hatte, modernisiert und wieder aufgesperrt. Heute gibt es im Programmkino Lambach 90 Plätze, zwei Drittel davon mit komfortablen Lederlehnen und Hockern für die Füße. „Seit Kurzem haben wir sogar Kinodecken zum Kuscheln“, sagt Grassinger. „Die Damen haben das gern.“

Kino in Lambach

Jürgen Grassinger

Eigentlich war Lambach längst ein Eintrag im Kinosterberegister. Nachdem der Umsatz in den 70er Jahren zurückging, hatte Jürgen Grassingers Vater 1978 im selben Haus eine Fahrradhandlung eröffnet und sieben Jahre später den Kinobetrieb ganz eingestellt. Der Saal blieb aber bestehen, und auch die 35-mm-Projektoren blieben erhalten. „Als 2005 das Dach dann sanierungsbedürftig war, musste ich mir überlegen, wie ich weiter mache“, so Grassinger. Er entschied sich, es noch einmal mit dem Kino zu versuchen. Und die Entscheidung hat sich gelohnt: Tagsüber steht Grassinger im Fahrradgeschäft, abends im Kino, „reich werd ich nicht dabei, aber es geht sich aus. Und es ist definitiv kein Hobby.“

Wuzler, Jukebox, Leinwand

25 Kinos gibt es in Oberösterreich, der Großteil davon sind immer noch kleine Betriebe, etwa in Grein, in Bad Leonfelden, in Katsdorf, Gmunden und Ebensee. Einer, der die Situation dieser Kinos aus eigener Erfahrung kennt, ist Wolfgang Steininger, ebenfalls Sohn eines Kinobetreibers aus Taufkirchen an der Pram. „Ich bin im Kino geboren“, sagt Steininger, „nicht zwischen den Reihen, aber doch im Haus. Das war ein Wirtshaus, eine Bar, eine Kegelbahn, eine Jukebox, ein Wuzler und ein Moviescreen - sozusagen das Monoplex der früheren Jahrzehnte.“

Heute ist Steininger ein wichtigster Netzwerker in der oberösterreichischen Kulturszene. Er führt das Kino Freistadt, das auch Gastgeber für das Festival „Der neue Heimatfilm“ ist, er leitet Moviemento und City Kino in Linz, und er hat vor 13 Jahren das Festival Crossing Europe mitbegründet. Wie viele andere Kinobetreiber bemüht auch er sich um eine ausgewogene Mischung zwischen Publikumsmagneten und herausfordernden Filmen: „Wir würden oft gern kompromissloser und radikaler programmieren. Aber vielleicht ist das auch gar nicht notwendig“, sagt er, „man versucht ja die Leute dort abzuholen, wo sie sind, und nicht ihnen einfach etwas vor den Latz zu knallen, was sie nicht wollen oder anfangs nicht verstehen.“

Kino als Generationenbetrieb

Wie Steininger und Grassinger sind es immer wieder die Kinder und Enkel von Kinobetreibern, die den Familienbetrieb weiterführen. Auch Hans-Peter Obermayr, Betreiber der Star-Movie-Kinokette, die mit sechs Standorten schon zu den großen der Branche gehört, stammt aus einer Kinofamilie. Obermayr ist Sprecher der Kinobetreiber in Oberösterreich und nennt die Kinos wichtige kulturelle Nahversorger. Gerade auf dem Land: „Das lokale Kino gilt dort oft als einzige täglich geöffnete kulturelle Versammlungsstätte.“

Publikum auf dem Weg ins Kino

Florian Voggeneder

Großer Andrang ins Kino beim Festival „Der neue Heimatfilm“

Hier sei die Politik gefragt, die die Bedeutung von Kinos zu wenig erkenne. Gemeinden könnten, so Obermayr, etwa durch den Verzicht auf die Einhebung der Lustbarkeitssteuer die Abgabenlast kleiner Kinos erleichtern. Ähnlich argumentiert Steininger: „Die Kinos, die wirklich die Mühen des Alltags auf sich nehmen, bekommen derzeit null Unterstützung. Das ist eigentlich ein kulturpolitischer Super-GAU für jeden Kulturpolitiker, der das sehenden Auges zulässt.“ Denn Strukturen, die einmal verschwinden, seien verloren, sagt Steininger.

Ein Kino wird flügge

Doch mit persönlichem Engagement kann vieles gerettet werden: Das alte Adlerkino in Haslach im Bezirk Rohrbach etwa war längst geschlossen, fast zwanzig Jahre wurde hier kein Film mehr gezeigt. Doch auch hier waren Saal, Leinwand und die Bestuhlung noch vorhanden - doch unbespielt „wertlose Immobilie“, wie Steininger formuliert.

Im Sommer 2016 vereinbarte man vom Festival „Der neue Heimatfilm“ mit dem neuen Besitzer des Hauses kurzerhand Sondervorführungen anlässlich des Festivals. Seither gibt es einmal monatlich Filmvorführungen für die Haslacher, die sonst nach Linz ins nächste Kino fahren müssten. Noch ist Haslach nur eine Station des Wanderkinos, zwischendurch wird der Saal auch für Konzerte und Kabarett genutzt. Aber die Leinwand bleibt nicht mehr dunkel. Womöglich hat auch das Adlerkino das Zeug zum besten Kino der Welt.

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