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„Vielen Dank an alle“

Nach dem Streit über die Äußerungen von Donald Trump zum Extremistenaufmarsch in der Ostküstenstadt Charlottesville hat der US-Präsident die Auflösung von zwei Beratungsgremien mit Konzernchefs bekanntgegeben. Trump erklärte am Mittwoch via Twitter, er habe die Arbeit des Strategieforums (Strategic and Policy Forum) und des Industrierates (Manufacturing Council) beendet.

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„Statt Druck auf die Geschäftsleute des Industrierates und des Strategie- und Politikforums auszuüben, beende ich beide“, schrieb Trump: „Vielen Dank an alle.“

„Ernsthafter Schaden“ für das Land

Kurz zuvor war allerdings bekanntgeworden, dass eines der beiden Gremien von sich aus die Einstellung seiner Arbeit ankündigen wollte. Aus dem anderen Kreis hatten sich in den vergangenen Tagen bereits reihenweise Mitglieder verabschiedet, darunter der Vorstandschef des Pharmaherstellers Merck, Kenneth Frazier, Intel-Chef Brian Krzanich und Under-Armour-Chef Brian Kevin Plank.

Brian Krzanich

Reuters/Andrew Kelly

Intel-Chef Brian Krzanich sorgt sich um das politische Klima in den USA - und zieht sich aus Trumps Diensten zurück

Frazier hatte seinen Rückzug via Twitter begründet: „Ich fühle mich verantwortlich, Stellung gegen Intoleranz und Extremismus zu beziehen.“ Krzanich schrieb im Firmenblog, dass er mit dem Schritt den Blick auf den „ernsthaften Schaden“, den das politische Klima anrichte, lenken wolle. Plank teilte auf Twitter mit, dass er „sein Land und seine Firma liebe“ und sich nun ganz auf „die inspirierende und vereinende Kraft des Sports“ konzentrieren wolle.

Zuletzt verließ auch der Chef des größten Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, Richard Trumka, ein Beratergremium des Präsidenten. Alle begründeten das mit Trumps Haltung zu Charlottesville. „Wir können nicht dem Beirat eines Präsidenten angehören, der Intoleranz und heimischen Terrorismus toleriert“, sagte Richard Trumka von der Gewerkschaft AFL-CIO am Dienstag.

„Ich widerspreche dem Präsidenten“

Wenige Stunden nach der Auflösung der Beratergremien durch den US-Präsidenten wurde ein Brief von Apple-Chef Tim Cook an dessen Mitarbeiter öffentlich. Dieser schloss sich darin der Kritik vieler Topmanager an: „Ich widerspreche dem Präsidenten und anderen, die glauben, dass die weißen Rassisten und Nazis mit denjenigen, die sich ihnen widersetzen, indem sie für Menschenrechte einstehen, moralisch gleichgesetzt werden können“, schrieb Cook laut der Technologieplattform Recode. Wer beide auf eine Stufe stelle, verrate „unsere Ideale als Amerikaner“.

Auch Rat der Künste aufgelöst

Am Freitag ging dann der Exodus von Trumps Beratern weiter - konkret erklärten nun auch die verbleibenden Mitglieder des präsidentiellen Rats der Künste und Geisteswissenschaften angesichts von Trumps Haltung zu Charlottesville ihren Rückzug. Der Rat wurde 1982 unter Ronald Reagan gegründet, um den Präsidenten in kulturellen Belangen zu beraten. Einige seiner Mitglieder hatten sich bereits nach Trumps Wahl zurückgezogen.

„Anders als Ihre Berater im West Wing können wir nicht untätig herumsitzen, ohne gegen Ihre Worte und Handlungen die Stimme zu erheben“, heißt es in einem Brief an den Präsidenten. Unter den 16 Unterzeichnern sind etwa die Schriftstellerin Jhumpa Lahiri und der Maler Chuck Close.

„Rassismus, Diskriminierung und Hass sind keine amerikanischen Werte“, hieß es weiter. „Ihre Werte sind keine amerikanischen Werte. Wir müssen besser sein als das. Wir können besser sein als das. Wenn Ihnen das nicht klar ist, fordern wir Sie zum Rücktritt auf.“

„Genauer hingeschaut als die meisten“

Bei einem Neonazi-Aufmarsch am Samstag im Bundesstaat Virginia war ein mutmaßlicher Rechtsextremist in eine Gruppe von Gegendemonstranten gefahren, hatte dabei eine Frau getötet und mehrere Teilnehmer schwer verletzt. Zudem kam es auch zu schweren Zusammenstößen. Trump löste seitdem parteiübergreifend Kritik aus, weil er rechte und linke Extremisten gleichermaßen verantwortlich machte statt die Rechtsradikalen ausdrücklich zu verurteilen.

Erst mit zwei Tagen Verspätung distanzierte sich Trump am Montag auf massiven Druck hin eindeutig von der rechtsextremen Gewalt. Auf die Frage, warum er zwei Tage gewartet habe, bevor er die rechtsextreme Gewalt ausdrücklich verurteilt habe, sagte er, er habe kein „schnelles Statement“ abgeben, sondern zunächst alle Fakten abwarten wollen. Er habe „sehr genau hingeschaut, sehr viel genauer als die meisten Leute“, führte er weiter aus.

Trump vermeidet das Wort „Terror“

Am Dienstag vermied es Trump erneut, die Tat des Mannes, der mit dem Auto in eine Menschenmenge fuhr und die 32-jährige Frau tötete, als Terror zu bezeichnen. Den 20-jährigen Täter bezeichnete er als „Schande für seine Familie und sein Land“. Gleichzeitig aber sagte er, viele Menschen hätten friedlich und „völlig rechtmäßig“ gegen die Entfernung einer „sehr wichtigen Statue“ demonstriert. „Ich frage mich, kommt George Washington in der nächsten Woche dran? Und Thomas Jefferson in der Woche darauf“, fügte er aufgebracht hinzu.

Trump sagte, die Medien hätten erneut sehr unfair berichtet - sowohl über ihn selbst als auch über die tatsächlichen Ereignisse vom Wochenende. Die Medien seien aber „Fake“ und nicht ehrlich. Vor dem Hintergrund der Alt Right, die als „Alternative Rechte“ ein Sammelbecken für Ultrarechte und auch Neonazis ist, sagte Trump: „Was ist mit der Alt Left, die die, wie Sie es nennen, Alt Right angegriffen haben? Gibt es da irgendeinen Anschein von Schuld?“ Diese Geschichte habe zwei Seiten.

Kritik von allen Seiten

An Trumps Pressekonferenz hatte auch Trumps neuer Stabschef John Kelly teilgenommen. Er wirkte wenig erfreut über die Tiraden des Präsidenten. Harsche Reaktionen kamen von Politikern aus allen Lagern. Der republikanische Senator Floridas, Marco Rubio, richtete auf Twitter direkt seine Worte an Trump: „Sie können den weißen Rassisten nicht erlauben, nur einen Teil der Schuld zu tragen. Sie unterstützen Ideen, die dieser Nation und der Welt so viel Schmerz zufügen.“ Der Kongressabgeordnete Steve Stivers drückte auf Twitter sein Unverständnis aus. „Weiße Rassisten und Neonazis sind böse und sollten nicht verteidigt werden.“

Der frühere CIA-Chef John Brennan attackierte Trump in einem Brief an den US-Fernsehmoderator Wolf Blitzer scharf. „Herrn Trumps Worte und die Einstellung, die sie repräsentieren, sind eine nationale Schande“, schrieb Brennan in dem Brief, den der Nachrichtensender CNN auf seine Internetseite stellte. Der 1948 in Augsburg geborene CNN-Moderator Blitzer hatte kurz zuvor in einer Sendung erwähnt, seine vier Großeltern seien während der Nazi-Herrschaft ums Leben gekommen. Seine Eltern hatten das Nazi-Konzentrationslager Auschwitz überlebt.

Kein Republikaner will Trump verteidigen

Wie einhellig die Kritik an Trump ist, zeigt auch ein Vorfall beim konservativen Sender Fox News. Trotz hartnäckiger Versuche der Redaktion konnte der Sender nach eigenen Angaben keinen Republikaner auftreiben, der Trumps Äußerungen verteidigen wollte. „Unser Buchungsteam hat Republikaner aller Lager aus dem ganzen Land kontaktiert“, sagte Moderator Shepard Smith am Mittwochabend (Ortszeit) in seiner Sendung. „Wir konnten niemanden bekommen, der herkommen und ihn (Trump) verteidigen wollte.“

Aus seiner Verwunderung machte der Moderator keinen Hehl, zumal Fox News den Republikanern nahe steht. „Lasst uns ehrlich sein: Republikanern macht es oft nichts aus, bei Fox News zu sein“, sagte Smith.

Tillerson: Hass ist kein amerikanischer Wert

In einer selten deutlichen Erklärung verurteilte am Freitag schließlich auch US-Außenminister Rex Tillerson Rassismus und Fanatismus. „Wir verurteilen das in jeder Form aufs Schärfste“, sagte Tillerson in einer Rede vor Auszubildenden und Praktikanten seines Ministeriums. Hass sei kein amerikanischer Wert und die Antithese zur Idee Amerikas. Die Zusammensetzung des US-Außenministeriums spiegle die US-Gesellschaft nicht angemessen wider, auf allen Ebenen arbeiteten zu wenige Angehörige von Minderheiten.

Bereits Tage zuvor hatte bereits UNO-Generalsekretär Antonio Guterres Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verurteilt. „Wir müssen dem entgegentreten. Immer. Überall“, sagte Guterres per Twitter. „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit vergiften unsere Gesellschaften.“

Ex-Chef des Ku Klux Klans gratuliert

Ex-Ku-Klux-Klan-Chef David Duke, eine der Schlüsselfiguren der Kundgebung, dankte Trump nach dessen Pressekonferenz für seinen „Mut, die Wahrheit“ zu sagen und „die linken Terroristen zu verurteilen“. Zu dem Aufmarsch in Charlottesville hatten mehrere Gruppierungen vom extrem rechten Rand aufgerufen - unter ihnen der rassistische Ku Klux Klan und die Alt-Right-Bewegung, die Trump im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt hatte. Manche Teilnehmer des Aufmarsches gaben sich auf Kappen und T-Shirts als Trump-Anhänger zu erkennen.

Der Dokumentarfilmer Michael Moore schloss sich am Dienstag mit Zuschauern seines Solostücks am New Yorker Broadway den Protesten gegen Trump an. Nach der Aufführung lud er das Publikum ein, mit ihm in einem Doppelstockbus vom Belasco Theatre zum wenige Blocks entfernten Trump Tower zu fahren. Dort hatten sich zur zweiten Nacht in Folge Demonstranten versammelt, um gegen Trump zu protestieren.

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