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Wunsch nach reibungsfreiem Grenzverkehr

Auch nach dem „Brexit“ will Großbritannien keine Grenzkontrollstellen zwischen seiner Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Wünschenswert sei stattdessen ein nahtloser und reibungsfreier Grenzverkehr ohne eine „physische Grenzinfrastruktur und Grenzposten“, heißt es in einem Strategiepapier, das vom „Brexit“-Ministerium in London veröffentlicht wurde.

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Ein neues Zollabkommen mit der EU solle so ausgestaltet werden, dass Grenzposten nicht notwendig seien. Britische und irische Staatsbürger sollen sich weiterhin ungehindert zwischen Großbritannien und Irland bewegen können. Wie London die Einreise anderer Staatsbürger an der irisch-nordirischen Grenze kontrollieren will, war zunächst unklar.

Einer der größten Streitpunkte

„Das Papier (...) ruft die EU dazu auf, diesen Zielen ebenfalls Vorrang einzuräumen, indem sie ein rasches Abkommen ins Auge fasst“, hieß es in einer Mitteilung. Die Grenzfrage ist einer der größten Streitpunkte in den „Brexit“-Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien.

Rund 30.000 Menschen passieren jeden Tag die 500 Kilometer lange Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland ohne Zoll- oder Einreisekontrollen. Beide Seiten müssten bei dem Thema Flexibilität zeigen, sagte ein Vertreter der britischen Regierung. Eine Rückkehr zu den Grenzposten der Vergangenheit sei nicht akzeptabel.

Freiheit für bilaterale Handelsverträge

Die Regierung in London will neben dem europäischen Binnenmarkt auch die Zollunion mit dem Austritt aus der EU verlassen. Dadurch soll das Land in die Lage versetzt werden, neue Handelsabkommen mit Drittländern wie den USA oder China abzuschließen. Bisher ist das der EU vorbehalten. Länder, die zur EU-Zollunion gehören, dürfen keine bilateralen Handelsabkommen mit anderen Staaten abschließen. Ausnahme ist das Nicht-EU-Mitglied Türkei, das mit der EU eine separate Zollunion für Industriegüter bildet und bilaterale Verträge mit Drittstaaten vereinbaren darf.

Einmal im gemeinsamen Zollgebiet, müssen Waren nicht mehr verzollt werden, wenn sie über eine Landesgrenze gebracht werden. Im Falle Großbritanniens würde sich das nach einem Austritt des Landes ändern. Grenzkontrollen wären nötig. Das hat Befürchtungen vor einem neuen Aufflammen des Nordirland-Konflikts geschürt. Die EU-Mitgliedschaft beider Teile der irischen Insel und der freie Grenzverkehr gelten als wichtige Bausteine für den Friedensschluss im Karfreitagsabkommen von 1998.

London will Übergangsphase

Allerdings ist in der EU die britische Idee einer unsichtbaren Grenze bereits auf Skepsis gestoßen. Die EU hat Großbritannien mehrfach gewarnt, es könne nicht die Nutzen des grenzenlosen Binnenmarktes auch nach einem Austritt aus der EU genießen. Zuletzt hatte London Pläne für ein künftiges Zollabkommen zwischen der EU und Großbritannien vorgelegt. Demnach sollten die Kontrollen entweder weitgehend elektronisch abgewickelt werden oder bereits vor dem Grenzübertritt stattfinden.

Außerdem soll es eine Übergangsphase geben, in der weitgehend alles beim Alten bleibt. Die zuständigen Minister würden die Absicht verkünden, eine Übergangsperiode anzustreben, in der es eine enge Verbindung zur Zollunion geben solle, erklärte die Regierung vor der Veröffentlichung des ersten Papiers über die künftige Zusammenarbeit. Dadurch werde ein glatter und geordneter Übergang zu einem neuen Regelwerk möglich. „Ein möglicher Ansatz wäre eine vorübergehende Zollunion zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU“, heißt es in der Erklärung.

EU begrüßt Veröffentlichung von Papieren

Die EU-Kommission begrüßte die Veröffentlichung der Positionspapiere und würdigte sie als „einen positiven Schritt“. Gleichzeitig wurde aber auf das Grundprinzip verwiesen, wonach über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien erst dann gesprochen werden soll, wenn „ausreichender Fortschritt“ bei den Diskussionen über die Trennungsfragen erreicht ist. „Die Uhr tickt, und das wird uns erlauben, Fortschritte zu machen“, sagte ein Sprecher. Die nächste Verhandlungsrunde mit Großbritannien solle wie geplant in der letzten August-Woche beginnen.

Streit über Bleiberechte und Zahlungen

Ein Topthema bei den Verhandlungen sind die Bleiberechte von 3,2 Millionen EU-Bürgern im Königreich und der 1,2 Millionen Briten in der EU. Heftig gestritten wird auch über die finanziellen Forderungen Brüssels an Großbritannien von bis zu 100 Milliarden Euro. London wäre nach einem britischen Zeitungsbericht zur Zahlung von etwa 40 Milliarden Euro bereit, falls Brüssel im Gegenzug die Verhandlungen über ein künftiges Handelsabkommen öffne.

Der britische „Brexit“-Minister David Davis blieb in der Frage aber auf der Bremse. Bis Oktober oder November würden keine konkreten Zahlen zur sogenannten „Brexit“-Rechnung vorliegen. Nach seinen Worten wird es noch ein langes Gefeilsche um die Zahlungsverpflichtungen geben. „Das wird ziemlich hart und kompliziert werden“, sagte Davis.

Die Bürger des Landes hatten sich im vergangenen Jahr per Referendum mit einer Mehrheit von rund 52 Prozent für den „Brexit“ entschieden. Am 29. März 2019 soll der Austritt aus der EU vollzogen werden; das Land soll aus dem Binnenmarkt und der Zollunion austreten und strebt ein Freihandelsabkommen mit der EU an.

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