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Kredit sichert Betrieb für drei Monate

Die deutsche Fluglinie Air Berlin will trotz Insolvenz mitten in der Ferienzeit weiter fliegen. „Alle Flüge der Air Berlin und Niki finden weiterhin statt“, versicherte die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft am Dienstag. Zuvor hatte die chronisch defizitäre Airline einen Insolvenzantrag gestellt.

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„Die Flugpläne bleiben gültig, gebuchte Tickets behalten ihre Gültigkeit, alle Flüge sind weiterhin buchbar“, teilte das Unternehmen, das täglich rund 80.000 Passagiere befördert, am Dienstag mit.

Aufgrund des Insolvenzrechts wäre Air Berlin eigentlich verpflichtet gewesen, den Flugbetrieb direkt nach Einreichung des Insolvenzantrags einzustellen, teilten das Wirtschafts- und das Verkehrsministerium am Dienstag gemeinsam mit. Die deutsche Regierung gibt Air Berlin allerdings einen Übergangskredit von 150 Mio. Euro. Damit sei der Flugbetrieb für rund drei Monate gesichert, so die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD).

Lage seit März verschärft

Die Lage bei Air Berlin hatte sich seit Ende März verschärft. Mit der Umstellung auf den Sommerflugplan häuften sich Flugausfälle und Verspätungen. Man sei „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, hieß es in einer Air-Berlin-Pflichtmitteilung an die Börse. Eine positive Fortführungsprognose ist Voraussetzung, dass ein überschuldetes Unternehmen um einen Insolvenzantrag herumkommt.

Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ordnete die Insolvenz in Eigenverwaltung an - das bedeutet, dass das bisherige Management um Vorstandschef Thomas Winkelmann für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich bleibt. Das war auch das Ziel von Air Berlin. Vorläufiger Sachwalter ist der Rechtsanwalt Lucas Flöther.

Niki nicht betroffen

Die Air-Berlin-Tochter Niki mit 850 Mitarbeitern ist von der Insolvenz nicht betroffen. Es sei derzeit nicht beabsichtigt, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Niki Luftfahrt und die Leisure Cargo zu stellen, hieß es von Air Berlin. Im Dezember 2016 war vereinbart worden, dass Niki an Etihad verkauft wurde. Etihad wollte die Niki-Beteiligung in ein neues Joint Venture mit dem Reisekonzern TUI einbringen. Der zweite Teil des Deals ist geplatzt. Der Abschluss des Niki-Verkaufs muss noch behördlich genehmigt werden.

Etihad könne kein weiteres Geld für Air Berlin bereitstellen, erklärte die Airline aus Abu Dhabi nach dem Insolvenzantrag. „Diese Entwicklung ist äußerst enttäuschend für alle Beteiligten, vor allem da Etihad in den vergangenen sechs Jahren weitreichende finanzielle Unterstützung für Air Berlin während früherer Liquiditätskrisen und für deren Sanierungsbemühungen gewährt hat.“

Seit Jahren mit Verlusten

Im April habe Etihad noch einmal weitere 250 Millionen Euro zugeschossen. Das Geschäft habe sich aber in einer „beispiellosen Geschwindigkeit verschlechtert“. Etihad hat insgesamt einen Milliardenbetrag in Air Berlin gesteckt. Erst am Freitag wäre eine weitere Tranche in der Höhe von 50 Mio. Euro fällig gewesen, die Etihad dann aber nicht überwiesen hat. Seit Freitagnacht wusste auch die deutsche Regierung von der bevorstehenden Insolvenz.

Air Berlin fliegt seit Jahren Defizite ein, 2016 lag der Verlust bei 780 Millionen Euro. Etihad war 2011 bei Air Berlin eingestiegen und hält knapp 30 Prozent an der Airline. Anfang des Jahres zählte Air Berlin rund 8.600 Mitarbeiter. Die Aktien von Air Berlin stürzten Dienstagnachmittag an der Frankfurter Börse um nahezu die Hälfte ihres Werts ab. Zwischenzeitlich wurde die Aktie vom Handel ausgesetzt.

Verhandlungen mit Lufthansa laufen

Unterdessen laufen Verhandlungen unter anderem mit dem Konkurrenten Lufthansa über einen Verkauf von Betriebsteilen, so Air Berlin weiter. Lufthansa bestätigte, dass sich die Fluglinie mit Air Berlin bereits in Verhandlungen über den Erwerb von Teilen des Unternehmens befinde und sich damit auch die Möglichkeit zur Einstellung von Personal biete. Es gibt bereits seit Längerem Verhandlungen, allerdings will die Lufthansa die Schulden nicht übernehmen.

Man unterstütze die Sanierung von Air Berlin, so die Lufthansa am Dienstag. Die größte deutsche Airline hat auch ein Eigeninteresse an dem Weiterbetrieb. Mindestens 30 Mittelstreckenjets von Air Berlin samt Besatzung fliegen für die Lufthansa-Billigmarke Eurowings und die österreichische Konzerntochter Austrian Airlines (AUA). Zypries zeigte sich zuversichtlich, dass die Lufthansa Teile von Air Berlin übernehmen kann. Dass der deutsche Staat Schulden von Air Berlin übernimmt, schloss sie aus.

Gewerkschaften bangen um Arbeitsplätze

Die Gewerkschaften hoffen auf den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Die Nachricht der Insolvenz von Deutschlands zweitgrößter Fluglinie sei ein Schock für die Mitarbeiter, erklärte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Doch der Luftverkehr in Deutschland wachse, daher hoffe man, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Skeptischer äußerte sich ver.di-Bundesvorstand Christine Behle: „Wir haben große Sorge um die Arbeitsplätze der Beschäftigten.“

Ryanair reicht Kartellbeschwerden ein

Der irische Billigflieger Ryanair kritisierte die Rettungsmaßnahmen der deutschen Regierung - die Airline legte Beschwerde bei den Kartellbehörden ein. Der Insolvenzantrag sei „ganz eindeutig“ mit dem Ziel arrangiert worden, dass Lufthansa die Air Berlin übernehmen könne, sagte Ryanair-Sprecher Robin Kiely. Das werde gegen alle deutschen und EU-Wettbewerbsregeln verstoßen. Reisende müssten künftig höhere Preise für Tickets zahlen, warnte Ryanair. Deshalb würden Bundeskartellamt und EU-Kommission aufgefordert, umgehend Schritte zu unternehmen.

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