Ein „heftiger“ Beruf, aber nicht „oasch“
Zum Auftakt der diesjährigen ORF-„Sommergespräche“ war NEOS-Bundesparteiobmann Matthias Strolz zu Gast bei Tarek Leitner. Im Containerstudio vor dem Parlament drehte sich das Gespräch um Leistung und Erfolg ebenso wie die Frage, was NEOS von den anderen Parteien unterscheidet. Thema waren auch jüngst geschlossene Allianzen für den Wahlkampf - und solche, aus denen nichts geworden ist.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Eigentlich hätte der Reigen der Sommerinterviews mit Parteigründer Frank Stronach beginnen sollen. Der sagte aber bereits im Juli ab, was Strolz den ersten Startplatz einbrachte. Und so lag es nahe, dass Leitner - in seinem ersten ORF-„Sommergespräch“ - Strolz gleich zu Beginn nach dessen Verbindung zum austrokanadischen Unternehmer fragte. Immerhin hatte Strolz vor der Gründung von NEOS auch mit Stronach Gespräche über eine Zusammenarbeit geführt. Damals sei Strolz aber sehr schnell klar geworden: „Das wird nichts.“
Verbindung von Strolz und Stronach
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Strolz und Stronach? Vor der Gründung von NEOS führten Strolz und Stronach zumindest ein kurzes Gespräch über eine mögliche Allianz.
Sehr wohl etwas geworden ist es fünf Jahre später aber mit der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss. Sie schaffte es nicht nur auf Platz zwei der Bundesliste, sondern NEOS ging mit ihr für die Nationalratswahl eine eigene „Allianz“ ein. „Natürlich ist Irmgard Griss eine Einzelperson, aber auch so etwas wie ein Kräftefeld“, begründete Strolz diesen Schritt. Ihn und die ehemalige Präsidentschaftskandidatin verbänden die gleichen Themen wie Freiheitsliebe, Solidarität und Leistungsbereitschaft. Zudem sei die Juristin eine glühende Europäerin. „Das ist genau die Haltung der NEOS.“
„Zwei tote Körper“ mit „zwei attraktiven Köpfen“
Eine mögliche Zusammenarbeit hatte NEOS vor wenigen Monaten auch noch mit dem - inzwischen zum Parteiobmann aufgestiegenen - Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sondiert. Er wollte schauen, ob Kurz den Weg Macrons gehen werde, sagte Strolz zu den damaligen Gesprächen. „Das hat er nicht gemacht.“ Worüber damals verhandelt wurde, wollte der NEOS-Obmann aber auch mehrere Monate später nicht verraten. „Über den Inhalt wurde Verschwiegenheit vereinbart, daran will ich mich halten“, so Strolz.

ORF/Hans Leitner
Strolz war der erste Gast, den Leitner zu sich ins Glasstudio vor dem Parlament einlud
Dass die ÖVP unter ihrer nunmehrigen Führung eine Partei wie NEOS obsolet machen könnte, wollte Strolz natürlich nicht gelten lassen. Er sei froh, dass die ÖVP sich erneuere, „das wäre ohne uns nicht gegangen“. Auch für die Sozialdemokratie wünsche er sich eine Erneuerung. Momentan habe man auf „zwei tote Körper zwei attraktive Köpfe draufgesteckt“, so Strolz’ zugespitztes Bild der beiden Regierungsparteien.
Wenn die ÖVP nun beginne, sich zu erneuern, „machen wir weiter, Österreich zu erneuern“, sagte Strolz. Denn eines wollte der NEOS-Parteichef seiner Partei nicht wegnehmen lassen: das Bild der Erneuerer. „Wir sind eine Bewegung. Alle machen jetzt eine Bewegung nach“. Aber, gestand Strolz auf Nachfrage ein, NEOS sei auch eine Partei. „Wir haben da für uns einen Weg gefunden. Wir sind beides.“
Zeitliche Beschränkungen
Dass NEOS aber eben anders als die politischen Mitbewerber sei, zeigt sich für den Parteichef zum Beispiel in den selbst gemachten Vorgaben zu Amtszeiten: Maximal zwei Legislaturperioden sollten Politiker in der Regierung sein. Für Abgeordnete soll nach 15 Jahren im Parlament erst einmal Schluss sein. Er selbst habe sich eine Zeit von zehn Jahren gegeben, da sei er jetzt bei der Halbzeit, kommentierte Strolz die Tatsache, dass er mittlerweile nach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der längstdienende aktuelle Parteichef ist.
Aristoteles und ein bisschen deftiger
Mancher würde das vielleicht als Erfolg verkaufen. Und so passte es ganz gut, dass das Gespräch in der Folge sich eben diesem Thema widmete - und dabei in durchaus emotionales Fahrwasser gelangte. Strolz verteidigte sein Bild von Erfolg, das laut dem NEOS-Chef immer ein subjektives sein muss. „Dort, wo die Talente die Bedürfnisse der Zeit schneiden, dort liegt deine Berufung“, bemühte er sogar Aristoteles.

ORF/Hans Leitner
„Oasch“ ist der Job als Politiker für Strolz zum Glück nicht - aber dafür „einer der heftigsten“ Berufe
Ähnlich wollte der liberale Politiker auch Leistung verstanden wissen. „Ich möchte einen ganzheitlichen Leistungsbegriff. Ich wünsche jedem der Menschen, der arbeitet, dass er einen Job hat, der für ihn sinnvoll ist. Weil alles andere ist oasch, ehrlich gesagt“, formulierte Strolz nicht mehr ganz philosophisch. Für sich dürfte Strolz den Sinn jedenfalls gefunden haben. Der Beruf des Politikers sei „einer der heftigsten - aber auch der schönsten“.
Flächendeckende Ganztagsschule
Sinnvoll, erfüllend, für den Einzelnen passend: Diese Begriffe kamen auch zur Sprache, als es um die Voraussetzungen für einen möglichen Erfolg ging - sprich die Bildung; ein Thema, das NEOS sich zum einen von Anfang auf die Fahnen geheftet hat, bei dem die Partei aber in der Vergangenheit auch immer wieder Schwierigkeiten hatte, eine ganz durchgehende Linie zu finden.
Bildung und Leistungsbegriff
Sowohl Bildung als auch Leistung hängen für Strolz stark mit der einzelnen Person zusammen. Der Leistungsbegriff solle ein „ganzheitlicher“ sein, so der NEOS-Chef.
Auch im ORF-„Sommergespräch“ wollte sich Strolz etwa nicht auf eine verpflichtende Ganztagsschule - wie von Griss gefordert - festlegen lassen. Er sei für einen flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschule, aber das jetzt bereits verpflichtend zu machen, sei nicht sinnvoll, so der Parteichef. „Ich glaube, dass wir in 20 Jahren dort sein werden.“
Die Wahlfreiheit schwebt Strolz auch vor, wenn es um eines der jüngeren Schlagworte der Partei in der Bildungspolitik geht: die mittlere Reife - eine Abschlussprüfung mit 14 Jahren. Es brauche einen Konsens, was ein Vierzehnjähriger können müsse, so Strolz. Aber „die Wege dorthin sollen so vielfältig sein wie das Leben“.
Verstopfte Verfassung
Eher grobe Bilder zeichnete Strolz auch beim zweiten Kernthema seiner Partei, der Wirtschaft. Auf die Frage, ob die Sicherung des wirtschaftlichen Standorts - Stichwort dritte Piste am Flughafen Schwechat - in die Verfassung aufgenommen werden sollte: „Wir sollten aufhören, dass wir alles in die Verfassung stopfen“, so Strolz.
„Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht wir für die Wirtschaft. So steht es in unserem Programm“, sagte der NEOS-Chef. Umwelt und Wirtschaft solle man nicht gegeneinander ausspielen, weshalb seine Partei etwa auch für eine CO2-Steuer sei, wenn diese wirtschafts- und industriefreundlich ausgestaltet sei. „Wir sind Fans von Marktwirtschaft, weil wir sagen, auf dem ganzen Planeten gab es noch kein System, das Wohlstand so stark gefordert hat. Aber du brauchst auch einen entschlossenen Staat.“
Eigene Afrikapläne
Nicht nur einen Staat, sondern die ganze Staatengemeinschaft sah Strolz zum Schluss bei einem der großen Themen der vergangenen Jahre gefordert. Er verteidigte einmal mehr seine Idee von EU-Registrierungszentren in Afrika. Die Union solle Territorium in Partnerschaft mit dem jeweiligen Land in Afrika mieten. „Und sagen: Dort gilt Völkerrecht. Und dort werden wir Asylanträge abhandeln“, so Strolz. Dass es dazu einer Anpassung des EU-Asylrechts bedarf, ist für Strolz kein unüberwindbares Hindernis. „Ich lasse mich von solchen Dingen nicht abhalten“, so der Parteichef.
Strolz’ Vorschläge zur Fluchtbegwegung nach Europa
Der NEOS-Obmann plädierte für eigene Registrierungszentren in Afrika und 10.000 Partnerschaften zwischen europäischen und afrikanischen Städten.
Strolz’ jüngster Vorschlag: 1.000 Städtepartnerschaften in Afrika. „1.000 Städte in Europa – das wären nur 15 in Österreich –, die sich vor Ort engagieren“, so der NEOS-Chef, der zum Schluss noch einmal sehr emotional wurde. Dass solche Partnerschaften eine neue Art von Kolonialismus wären, wollte Strolz nämlich auf keinen Fall gelten lassen. „Das sind Partnerschaften auf Augenhöhe. Die lasse ich mir nicht schlechtreden“, sagte Strolz.
„Klare Trennlinie“
Geht es nach Christoph Kotanko von den „Oberösterreichischen Nachrichten“ hat sich Strolz weit deutlicher als früher von der ÖVP distanziert. Diese „klare Trennlinie“ habe ihn durchaus „überrascht“, wie Kotanko in der ZIB2-Analyse sagte. Wenig Überraschendes ortete dort Esther Mitterstieler von „News“, der zufolge Strolz „immer noch sehr aufgeregt“ sei.
„Sommergespräch“: Analyse der Politikexperten
Das ORF-„Sommergespräch“ mit NEOS-Chef Strolz analysierten Esther Mitterstieler von „News“ und Christoph Kotanko von den „Oberösterreichischen Nachrichten“ in der ZIB2.
Nur „ganz schwer“ vorstellbar ist für Kotanko, dass NEOS von der Opposition in die Regierung wechselt. Laut Mitterstieler wolle Strolz insgeheim doch mit der ÖVP arbeiten – „zwischen Wollen und Können“ sei zudem ein großer Unterschied, wie Mitterstieler mit Blick auf die NEOS-Chancen auf ein zweistelliges Wahlergebnis sagte. Sowohl Mitterstieler als auch Kotanko sehen aber gute Chancen, dass es NEOS erneut ins Parlament schafft.
Links: