„Ja, es ist Wahlkampf“
Einen kurzen Wahlkampf haben die Parteien vor dem Sommer versprochen. Und geht es nach der offiziellen Diktion der Parteien, hat das Werben - mit einer Ausnahme - bisher auch noch nicht begonnen. Ankündigungen, Plakate und Wortgefechte sprechen eine andere Sprache.
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Bereits seit Wochen gehört die Präsentation von Kandidatinnen und Kandidaten zum fixen innenpolitischen Medienspiel: hier Irmgard Griss für NEOS, dort Kira Grünberg für die ÖVP. Geradezu perfektioniert hat die inszenierte Kandidatenkür Peter Pilz. Alle paar Tage lud der ehemalige Grüne und nunmehrige Parteigründer zu Pressekonferenzen, auf denen er neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter vorstellte. Zuletzt präsentierte Pilz am Freitag - einmal mehr mit großer medialer Begleitung - Biochemikerin Renee Schroeder und Informatiker Hannes Werthner als Listenneuzugänge.
„Geleaktes“ Wahlprogramm
Geht es allein um die Quantität, dann gehörte diese Woche medial aber jemand anders. Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern wurde in Österreichs Medien öfter genannt als jede und jeder der anderen heimischen Politikerinnen und Politiker: ein Schlagabtausch zu Wochenbeginn mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) über das Management der Polizei; ein Wahlprogramm, das bereits zwei Tage vor der Absegnung an die Medien gelangte; und schließlich am Donnerstag der Bundesparteirat - live per Videostream übertragen. Für politischen Gesprächsstoff war gesorgt.
Wer noch zweifelte, ob das nun schon Wahlkampf war oder nicht, dem lieferte Kern selbst die Antwort. „Ja, es ist Wahlkampf“, rief der SPÖ-Chef am Donnerstag seinen Parteikolleginnen und -kollegen zu. „Und er wird noch weit intensiver werden“, fügte er hinzu. Einen Tag später präsentierte Kern dann auch die ersten Wahlplakate seiner Partei.
Slogan mit leichter Verschiebung
„Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“, steht auf ihnen - und damit jener Slogan, der die SPÖ bis zur Wahl am 15. Oktober begleiten soll. Der Kampagnenspruch hatte in den Tagen zuvor noch eine kleine Wandlung durchlaufen: „Ich hol mir, was mir zusteht“, prangte noch groß auf dem Entwurf des Wahlprogramms. Die erste Person bot dann womöglich doch zu große Angriffsfläche für süffisante Fragen nach dem Motto, wer sich denn was holen soll.

ORF.at/Roland Winkler
Zumindest dem Parlamentsgebäude wird eine Verschnaufpause gegönnt - es wird wegen Renovierung geschlossen
Denn eines zeichnet sich bereits jetzt ab: An gegenseitigen Spitzen wird es in den kommenden Wochen nicht mangeln. „Das ist ein bisschen ein Aufruf für Kleinkriminelle“, kommentierte etwa NEOS-Chef Matthias Strolz den SPÖ-Slogan. Die Sozialdemokraten, in Person von Wiens Bürgermeister Michael Häupl, stichelten wiederum gegen die ÖVP. „Ich bin dafür, dass das Wahlprogramm der ÖVP am 16. Oktober veröffentlicht wird, da is Zeit gnua“, so Häupl auf dem Bundesparteirat.
Scheibchenweise portioniert
Tatsächlich hängen seit Juni auf ÖVP-Chef Sebastian Kurz zugeschnittene Plakate. Und die „Sei dabei“-Tour des Außenministers rollt ebenfalls bereits den ganzen Sommer durchs Land. Ihr Wahlprogramm will die Volkspartei allerdings erst Ende September vorstellen. Die ÖVP ist dabei nicht die einzige Partei, die in diesem Sommer ihre Ankündigungen und Inhalte scheibchenweise portioniert.
Am Freitag gab die FPÖ ihr Motto für den Wahlkampf bekannt: „Österreich zuerst“. Das Programm dazu wird es aber erst in den kommenden Wochen geben. Auch das Wirtschaftsprogramm, bereits mehrfach angekündigt und immer wieder verschoben, soll Ende August vorliegen. Offizieller Wahlkampfstart ist dann am 16. September. Davor will sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch auf Tour durch die Bundesländer begeben.
„Auf Tuchfühlung zu den Bürgern“
Auf einer Reise durch Österreich ist in den kommenden Wochen auch NEOS-Chef Strolz. Er wolle auf „Tuchfühlung zu den Bürgern“ gehen, kündigte Strolz am Freitag an. Ein „Zukunftswagen“ soll die NEOS-Inhalte zu den Bürgern bringen, bevor die Partei am 8. September den Wahlkampf offiziell eröffnet.
Nur bei den Grünen ist bisher von Wahlkampf noch wenig zu bemerken. Zwar stehen die Kandidatenlisten für die Nationalratswahl schon länger fest als bei allen anderen Parteien. Plakatkampagnen oder Wahlkampftouren durchs Land sucht man zurzeit vergebens - zumindest wenn es um Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek geht.
Anders Julian Schmid: Der grüne Jugendsprecher, anstelle von Pilz auf den vierten Platz der Bundesliste gereiht, ist seit fünf Wochen als „Schnupperlehrling“ in Österreich unterwegs. Einblicke in seine so gewonnenen Erkenntnisse gibt es auf Facebook. Zum Beispiel als Bauarbeiter: Mit Muskelkater durch Ziegelschleppen habe er ja fix gerechnet, schreibt Schmid auf Facebook. „Was man aber total unterschätzt, ist das Wetter!“
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Martin Steinmüller-Schwarz, ORF.at