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Mehr Muslime, aber keine Islamisierung

Unter dem Titel „Demographie und Religion in Österreich“ hat ein Team um Anne Goujon vom Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) die gegenwärtige religiöse Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung analysiert und damit erstmals seit 2001 valide Daten zum Thema geliefert.

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Vor allem während der Flüchtlingskrise 2015, aber auch während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 wurde immer wieder über eine angebliche „Islamisierung“ Österreichs spekuliert, allerdings auf Grundlage von Vermutungen. Ein typischer Facebook-Kommentar aus jünster Zeit: „Ja.... die Islamisierung schreitet unaufhaltsam voran.... und die europäischen Völker schauen willenlos zu...... erbärmlich...“

Nun liegen Zahlen für 2016 auf dem Tisch: Der Anteil der Katholiken sank seit der letzten Volkszählung 2001 von rund drei Viertel auf knapp zwei Drittel (64 Prozent). Den stärksten Zuchwachs gab es in den vergangenen 15 Jahren nicht bei der muslimischen Bevölkerung, sondern bei jenen ohne Religionszugehörigkeit. 2001 bekannten sich zwölf Prozent zu keiner Religion, 2016 waren es bereits 17 Prozent. Aber auch die muslimische Bevölkerung hat sich von vier auf acht Prozent verdoppelt.

Szenarien für die Zukunft

Die Zahl der orthodoxen Christen stieg von zwei auf fünf Prozent. Der Anteil an Evangelischen blieb in den letzten Jahren konstant bei fünf Prozent. Unter „Sonstige“ fallen in der Studie unter anderem Juden, von ihnen gibt es laut APA-Informationen aktuell rund 15.000. Das heißt: Christliche Gruppen zusammengenommen machen 74 Prozent und damit fast drei Viertel aus, gemeinsam mit jenen ohne Bekenntnis kommt man auf 91 Prozent. Muslime machen acht Prozent aus - das sagen die Zahlen.

Mehr Christen als offiziell gemeldet

Bei den Zahlen handelt es sich übrigens nicht um die offiziellen Zahlen der Religionsgemeinschaften. Diese weichen zum Teil deutlich ab. So meldet die katholische Kirche für 2016 5,16 Millionen Mitglieder - in der Studie ist jedoch von 5,6 Millionen die Rede. In einem Telefonat mit ORF.at klärt Studienautorin Goujon auf: Man habe bewusst nicht die Zahlen der Religionsgemeinschaften verwendet, sondern die Zahlen des Zensus aus dem Jahr 2001 hochgerechnet.

Der Grund: Es sollen nicht nur offizielle Mitglieder gezählt werden. Viele Menschen, gerade Migranten, würden sich nicht offiziell bei den Religionsgemeinschaften anmelden - zum Beispiel, um keine Mitgliedsbeiträge zahlen zu müssen. Die tatsächlich exakte Zahl von Christen lasse sich also nicht fassen - sie liege irgendwo zwischen der hochgerechneten Zahl in der Studie und den Angaben der Religionsgemeinschaften.

Verhältnis Christen - Muslime in Zukunft

In der Studie wurden auch vier verschiedene Szenarien für die Zukunft entwickelt - ja nachdem, wie viel Zuwanderung es geben wird und woher die Zuwanderer kommen. Allerdings gibt es Tendenzen, die bei allen vier Szenarien zumindest ähnlich sind. So wird bis 2046 der Anteil an römisch-katholischen Christen auf jeden Fall unter 50 Prozent sinken, und zwar auf einen Anteil zwischen 42 und 47 Prozent. Sie bleiben aber auf jeden Fall die größte Gruppe.

Protestanten bleiben laut der Studie bei rund vier, fünf Prozent stabil, Orthodoxe sollen zwischen sechs und neun Prozent ausmachen. Das heißt: Christliche Gruppen liegen je nach Szenario zwischen 52 und 61 Prozent. Konfessionslose machen 2046 zwischen 21 und 28 Prozent aus. Die muslimische Bevölkerung wird nach Prognosen der Akademie der Wissenschaften zwischen zwölf und 21 Prozent liegen. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen wird laut den Progonsen also 52 bis 61 Prozent zu zwölf bis 21 Prozent betragen. Dass Christen in Österreich zur Minderheit werden wie vielfach kolpotiert, ist also weit und breit nicht in Sicht.

In Wien ist der Anteil des römisch-katholischen Glaubens übrigens schon längst auf unter 50 Prozent gesunken - er liegt heute bei 35 Prozent. Knapp dahinter folgen schon die Konfessionslosen mit 30 Prozent. Die muslimische Bevölkerung macht heute 14 Prozent aus (2001 waren es acht Prozent), Orhodoxe liegen bei sechs Prozent.

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