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Industrie will Verbote vermeiden

Nach dem Stuttgarter Urteil zur Luftverschmutzung bemühen sich deutsche Autohersteller und Gewerkschaften um eine Abwendung von breitflächig drohenden Dieselfahrverboten. Sie wollen mittels Software den Abgasausstoß runterdrücken, auch Kaufprämien werden laut angedacht. Ab Mittwoch sollen mögliche Maßnahmen beim Dieselgipfel besprochen werden.

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„Es gibt intelligentere Lösungen als Fahrverbote, um die Luftqualität in den Städten zu verbessern“, sagte etwa der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Auch die IG Metall bezeichnete eine Vermeidung von Fahrverboten als „oberstes Ziel“ des Dieselgipfels am Mittwoch.

Software soll nachgebessert werden

Wissmann sagte, wenn der Dieselgipfel mit den Herstellern ein „überzeugendes Konzept“ erarbeite, sehe er „Chancen, dass das deutsche Bundesverwaltungsgericht als höchste Instanz zu einem anderen Ergebnis kommen könnte als Stuttgart“. Mit neuer Software lasse sich der Ausstoß von Stickoxiden um mindestens 25 Prozent senken. Die Kosten für die Aktualisierung der Software würden die Hersteller übernehmen. Eine Nachrüstung mit Hardware sei wegen des Alters der Fahrzeuge meistens technisch und wirtschaftlich nicht machbar.

Der IG-Metall-Chef von Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, sagte dazu dem „Tagesspiegel am Sonntag“, die Vermeidung von Fahrverboten sei das vorrangige Ziel. Eine Nachrüstung müsse so erfolgreich sein, dass Euro-5-Fahrzeuge weiter in die Innenstädte fahren dürften. „Das ist die zentrale Verabredung, die am Ende des Dieselgipfels stehen muss“, sagte Zitzelsberger. Millionen Menschen seien auf ihr Auto angewiesen, betonte er.

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte am Freitag den Weg für Dieselfahrverbote in Innenstädten geebnet. Das sei im Fall älterer Dieselautos die beste Lösung zur Senkung gesundheitsschädlicher Abgase, urteilte das Gericht. In Stuttgart, Heimat von Mercedes-Benz, und zahlreichen anderen deutschen Städten werden die Emissionsgrenzwerte deutlich überschritten.

Dreistelliger Betrag für Mobilitätsfonds

Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“) zudem unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtete, will die deutsche Autoindustrie der deutschen Regierung auf dem Dieselgipfel eine Art Mobilitätsfonds für saubere Innenstädte anbieten. In diesen sollen der deutsche Staat und die deutsche Wirtschaft gemeinsam einzahlen - die Rede sei von einem dreistelligen Millionenbetrag, wie die „FAS“ berichtete. Davon sollen Studien für Verkehrsleitsysteme und ökologische Aufrüstungen der Busflotte finanziert werden.

Politik will Nachrüstung für ältere Fahrzeuge

Die deutsche Regierung machte dagegen Druck auf die Hersteller, ältere Fahrzeuge über die Software hinaus nachzurüsten. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte im TV-Sender ZDF, Updates seien nur ein erster Schritt. Nötig seien vor allem technische Nachbesserungen zur Abgassenkung, und zwar auf Kosten der Hersteller. Sie erwarte bei dem Dieselgipfel eine konkrete Zusage, bis wann das umsetzbar sei.

Die Grünen riefen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterdessen auf, selbst am Dieselgipfel teilzunehmen. Merkel müsse die Aufklärung „endlich zur Chefsache machen“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der „Bild“-Zeitung (Samstag-Ausgabe). Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe in der Dieselaffäre auf ganzer Linie versagt und gefährde damit den größten Industriezweig. Dobrindt und Hendricks haben gemeinsam zu dem Treffen eingeladen.

Forderung nach Kaufprämie

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) brachte unterdessen eine Klimaprämie für den Kauf emissionsarmer Autos ins Gespräch. Weil sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es müssten Anreize für den Umstieg von alten Diesel- auf Euro-6- und Elektroautos geschaffen werden. Denkbar seien steuerliche Anreize oder „eine Art Klimaprämie, die von Industrie und Staat angeboten wird“.

Weil betonte, der Staat sei in der Pflicht, „großflächige Fahrverbote zu verhindern“. Der Politiker gehört dem Aufsichtsrat von Volkswagen an. Er nimmt wie auch die anderen Ministerpräsidenten der sogenannten Autoländer an dem Dieselgipfel teil. Auch Bayerns Ministerpräsident Seehofer sprach sich im „Spiegel“ für eine Reduzierung der Kfz-Steuer als Anreiz zum Kauf eines emissionsarmen Euro-6-Diesel ein. Bayern ist Sitz des Autokonzerns BMW, der einen besonders hohen Anteil von Dieselfahrzeugen produziert.

Keine Emissionen laut Klimaplan

Das deutsche Umweltministerium wies diese Forderungen allerdings zurück. „Wir sind nicht besonders interessiert daran, eine Technologie zu fördern, die in absehbarer Zeit ohnehin nicht mehr auf die Straße gehört“, sagte eine Sprecherin zu den Forderungen aus Bayern und Niedersachsen. Sie betonte, die Forderungen seien nicht geeignet, die Probleme zu lösen. Sie verwies darauf, dass im Klimaschutzplan der deutschen Regierung ohnehin festgelegt sei, dass der Verkehr im Jahr 2050 weitgehend emissionsfrei sein müsse.

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