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Herzschmerz in der Villa Massimo

Österreichische Literaten, bildende Künstler und Fotografen haben bisher jeweils für ein bis drei Monate in einer Wohnung in Rom in der Via di Tor Millina an der Piazza Navona arbeiten können. Jetzt könnte zum Bedauern vieler die Wohnung an den Vermieter zurückgegeben werden.

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Wie das Bundeskanzleramt gegenüber ORF.at mitteilte, werde es aber sehr wohl weiterhin Kunst- und Literaturstipendien für Italien und auch Rom geben. Auch das Aus der Künstler-WG sei noch nicht fix. Der dafür zuständige Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) wolle sich das einer Sprecherin zufolge „noch einmal anschauen“. Zudem soll es bereits einen neuen Standort für Literatur geben.

„Symbolstadt par excellence“

Zurückgewiesen wurde damit auch der Vorwurf, dass Österreich keine Künstler mehr nach Rom schickt. „Mir tut das Herz weh, wenn österreichische Künstler im großen Konzert der 18 europäischen Akademien in Rom fehlen“, sagte angesichts der im Raum stehenden Schließung der Künstler-WG der Direktor der von Deutschland geführten Villa Massimo, Joachim Blüher.

Auch für die Direktorin des Schweizerischen Instituts in Rom, Joelle Come, wäre es „schade“, wenn Österreich keine Künstler mehr nach Rom schicken würde. „Hier können Künstler vor Ort in die Tiefe gehen und aus dem Alltag heraustreten“, so Come. „Italien, das sind ja unsere Wurzeln, Rom ist die Symbolstadt par excellence.“ Die Schweiz stellt alljährlich ein großes Budget für das Residenz- und Kulturprogramm des Schweizerischen Instituts zur Verfügung.

Auslandsateliers werden öffentlich ausgeschrieben, Stipendiaten von Expertenjurys ausgewählt. Gunter Damisch, Iris Andraschek, Werner Reiterer, Michael Kienzer, Ursula Mayer, Caroline Heider, Friedl Kubelka, Constanze Ruhm, Sepp Dreissinger, Aglaia Konrad und Paul Albert Leitner sind nur einige der ehemaligen österreichischen Tor-Millina-Stipendiaten im Bereich bildender Kunst und Fotografie.

Hochzeitsreise, viaggio di nozze

Libor Svacek

Bernadette Hubers „Die Hochzeitsreise“

Gute Ausgangsposition für Karriereschub

Die bildende Künstlerin Svenja Deininger erinnert sich: „Aus meinem Rom-Aufenthalt entstanden zwei Ausstellungen, eine mit der Fotografin, mit der ich gemeinsam im Atelier war.“ Von den sechs Ausstellungen, die Svenja Deininger heuer hat, findet eine in Italien statt. „Für mich waren die Bedingungen des Rom-Stipendiums eine gute Ausgangsposition. Es gab schon auch Probleme mit der Elektrizität und dem Wasser, das wurde aber sofort repariert, außerdem beschwert man sich ja nicht, wenn man etwas geschenkt bekommt. Dass es laut war, hat mich nach einiger Zeit nicht mehr gestört.“

Die Fotografin Bernadette Huber setzte zwei Projekte in Rom um, „Die Hochzeitsreise“ und „Alle Wegen führen nach Rom“, diese Arbeiten wurden in der Accademia di Romania ausgestellt. Für „Die Hochzeitsreise“ fotografierte Huber die Aufnahmen nach, die ihr Vater 1955 auf der Hochzeitsreise ihrer Eltern in Rom gemacht hatte. „Hier sieht man, was sich zwischen 1955 und 2012 verändert hat, die Menschen sind anders, auch wenn die Stadt dieselbe geblieben ist.“

Von „Was ich in Rom sah“ bis „Auslöschung“

Die enge Verbindung Roms mit der österreichischen Literatur der zweiten Republik reicht von Ingeborg Bachmanns grundlegendem Text „Was ich in Rom sah und hörte“ bis zu „Auslöschung“, dem Opus Magnum von Thomas Bernhard, der darin Bachmann als in Rom lebende Dichterin Maria verewigt. Dazu kommen die Bande, die die Literaten in der Via di Tor Millina mit der Stadt knüpften.

Martin Amanshauser war dreimal Tor-Millina-Bewohner. „Meine Romane waren immer extrem viel Arbeit, nur ‚Chicken Christl‘ ist mir in der Tor-Millina-Wohnung eingefallen, mir ging es wie Mohammed, der den Koran diktiert bekommt.“ Eine extrem positive Ausstrahlung schreibt Amanshauser den Tor-Millina-Ateliers zu. Gerade die Begegnung mit den anderen Künstlern fand er inspirierend. „Für die Autoren ist das Ende der Tor Millina ein Trauma“, so Amanshauser.

Im Zentrum der Welt

Die Autorin Isabella Breier jobbt, um über die Runden zu kommen, in Wien als Trainerin für Deutsch als Zweitsprache für Asylberechtigte und Migranten: „Mein Roman ‚Prokne & Co‘ ist mir in Rom zugefallen“, sagte Breier, „mit der in den verschiedenen Schichten der Stadt verdichteten Zeit kann man sich in Rom schon ein magisches Lebensgefühl einreden.“ Auch Bachmann-Preisträger Franzobel genoss seine Tor-Millina-Zeit: „Obwohl es wahnsinnig laut war, konnte ich dort bestens arbeiten, im Gefühl, im Zentrum der Welt zu sein.“ Franzobels Roman „Scala Santa“ spielt in Rom: „Rom ist sehr befruchtend, belebt, laut, quirlig und voller Geschichten.“

Die Schriftsteller Martin Prinz, Christoph Braendle, Xaver Bayer, Anita Pichler, Teresa Präauer und Thomas Glavinic sind weitere Tor-Millina-Alumni. Evelyn Grill hat den ultimativen Tor-Millina-Roman geschrieben: „Das römische Licht“. Darin schildert sie den Alltag in der legendären österreichische Künstler-WG. Tiefe Dankbarkeit empfindet Sabine Gruber, wenn sie an die Tor Millina zurückdenkt. „Das Fehlen dieses Arbeitsortes mitten in dem geschichtsträchtigen Rom mit all seinen Archiven und Bibliotheken bedauere ich als Schriftstellerin außerordentlich“, sagte die Autorin des Rom-Romans „Stillbach oder die Sehnsucht“.

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