Ausmaß der Schäden wird sichtbar
Der Schock nach dem heftigen Seebeben in der Ägäis-Region zwischen der Türkei und Griechenland ist groß. Zwei Touristen wurden in der Nacht auf Freitag auf der griechischen Urlaubsinsel Kos getötet. Rund 120 Menschen wurden verletzt. Langsam wird das Ausmaß der Schäden ersichtlich.
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Nach Angaben der Polizei kamen ein 22-jähriger Schwede und ein 29-jähriger Türke ums Leben. Die beiden Touristen waren in einem belebten Viertel der Stadt Kos auf der gleichnamigen Insel unterwegs, als sie vermutlich durch eine einstürzende Mauer einer Bar oder herabstürzende Steine anderer alter Gebäude getroffen wurden.

Reuters/Social Media/Osman Turanli
Straßen verwandelten sich in ein Trümmerfeld
13 Menschen wurden schwer verletzt. Sie mussten in größere Krankenhäuser nach Athen, Rhodos und Kreta gebracht werden. Das Erdbeben der Stärke 6,7 erschütterte die Urlaubsregion in der Nacht um 1.31 Uhr (Ortszeit, 0.31 Uhr MESZ). Das Epizentrum des Bebens lag nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS 10,3 Kilometer südlich der türkischen Küstenstadt Bodrum und 16,2 Kilometer östlich von Kos im Meer. Es folgten Dutzende Nachbeben. Seismologen sagten, es sei in den nächsten Stunden und Tagen mit weiteren Erschütterungen zu rechnen. Man sollte Gebäude, die sichtbar beschädigt sind, nicht betreten.
„Wellen waren 60 Zentimeter hoch“
Das griechische Fernsehen zeigte Bilder von eingestürzten Mauern der Burg in der Altstadt. Flutwellen hätten das Hafenviertel überschwemmt, berichteten Augenzeugen. Mehrere Boote wurden beschädigt, mindestens eines wurde bis in die Gassen der Altstadt gespült. „Die Wellen waren etwa 60 Zentimeter hoch“, sagte der Seismologe Akis Tselentis. Das reichte für sichtbare Schäden: Mehrere Boote wurden beschädigt, entlang der aufgerissenen Kaimauern lag Geröll. Entlang der türkischen Küste lagen an Land gespülte Fischerboote.
Angst vor Nachbeben
Vor allem historische Gebäude auf Kos wurden zerstört. Weil es immer wieder zu Nachbeben kommt, dürften viele Menschen auch die kommende Nacht im Freien verbringen.
Lage „vollständig unter Kontrolle“
In einer ersten Bilanz der Behörden scheinen sich die Schäden aber in Grenzen zu halten. Ein Sprecher der griechischen Regierung sagte im Fernsehsender ERT, die Lage auf der Insel scheine „vollständig unter Kontrolle“ zu sein: „Der Flughafen ist betriebsfähig, die Straßen sind in guter Verfassung, und es gibt keine bedeutenden Schäden an der Infrastruktur.“

APA/AP/Michael Probst
Einige Häuser hielten den Erdstößen nicht stand
Das Beben beschädigte allerdings zwei Häfen der Insel - den Jachthafen und den Fährhafen. Der Hafenpolizei zufolge konnten zunächst keine Fähren mehr anlegen. Fähren aus Piräus sollten einen anderen kleinen Hafen - in Kefalos im westlichen Teil von Kos - ansteuern. Die Regierung in Athen kündigte an, dass Zivilingenieure in den kommenden Tagen alle Gebäude nach ihrer statischen Sicherheit prüfen werden.
Außenministerium rät zu Reiseregistrierung
Es gebe keine Hinweise darauf, dass Österreicher unter den Opfern sind, teilte Außenministeriumssprecher Thomas Schnöll Freitagvormittag mit. Die österreichische Botschaft in Athen ist mit den griechischen Behörden in Kontakt. Das Außenministerium riet den Urlaubern, den Anweisungen der lokalen Sicherheitskräfte bzw. des Zivilschutzes Folge zu leisten und sich über das Formular des Ministeriums zu registrieren.
Dort können Auslandsurlauber generell Kontakt- und Reiseinformationen hinterlassen. So können Betroffene im Erdbebengebiet rasch kontaktiert werden. Derzeit sind 400 Österreicher in Griechenland registriert. Österreichische Urlauber berichten, dass sie die Nacht im Freien verbrachten - mehr dazu in kaernten.ORF.at, burgenland.ORF.at und vorarlberg.ORF.
Derzeit keine Stornos und Umbuchungen
Stornierungen und Umbuchungen sind für Kos nicht möglich. Grund ist, dass der Flughafen intakt ist, erläuterte eine Sprecherin der größten heimischen Reisebürokette, Ruefa. 315 Österreicher sind derzeit über Ruefa und Eurotours auf Kos. Verzögerungen gebe es im Fährverkehr.
Alle Ruefa- und Eurotours-Reisenden, die bisher erreicht wurden, sind der Sprecherin zufolge wohlauf. „Wir haben bisher keine Rückmeldung, dass jemand zu Schaden gekommen wäre.“ Kunden, die für die kommenden Tage ihre Kos-Reise mit Fähre gebucht haben, werden dazu aufgerufen sich bei Ruefa zu melden.
Hunderte Verletzte in Bodrum
Auch in der nahe gelegenen Türkei riss das Beben in der Haupturlaubszeit zahlreiche Menschen aus dem Schlaf. In der bei Urlaubern beliebten Region rund um Bodrum im Südwesten des Landes brach die Stromversorgung teilweise zusammen. Bodrum liegt rund zehn Kilometer Luftlinie entfernt von Kos. Besorgte Feriengäste flüchteten aus ihren Hotelzimmern ins Freie. Dem türkischen Gesundheitsministerium zufolge wurden 358 Menschen verletzt, 25 von ihnen müssten weiter in Krankenhäusern behandelt werden. Lebensgefährlich verletzt worden sei aber niemand.

APA/AFP/Dogan News Agency
Bilder der Verwüstungen kommen auch aus dem türkischen Badeort Bodrum
Nach Angaben des türkischen Senders NTV erlitten viele Menschen Verletzungen, als sie in Panik aus Fenstern sprangen oder stürzten. Sie wurden im Garten des Krankenhauses von Bodrum versorgt, da die Decke des Klinikgebäudes durch die Erdstöße beschädigt wurde. Auch eine Moschee wurde laut Polizeiangaben beschädigt. Nahe Bodrum wurde eine Straße von hohen Wellen überschwemmt.
EU bietet Hilfe an
Die Europäische Union (EU) bot Griechenland und der Türkei umfassende Unterstützung an. „Die EU steht uneingeschränkt bereit zu helfen“, teilte Krisenmanagement-Kommissar Christos Stylianides mit. Das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen verfolge die Entwicklungen rund um die Uhr und könne sofort tätig werden.
Im europäischen Raum kommen die meisten Erdbeben in Griechenland, den südlichen Teilen des Balkans sowie im Westen der Türkei vor. Auch Italien und der westliche Balkan sind besonders betroffen. Der größte Teil der Beben ereignet sich nahe den Rändern von Afrikanischer und Europäischer Platte. Dort kann es zu Spannungen kommen, die zu Beben führen.
Letztes schweres Beben erst Mitte Juni
Gerade die türkisch-griechische Grenzregion wird öfters von Erdstößen erschüttert. Erst im Juni hatte es bei einem schweren Erdbeben in der Ägäis-Region eine Tote und zehn Verletzte gegeben. Das damalige Beben der Stärke 6,3 brachte zahlreiche Gebäude auf der griechischen Ferieninsel Lesbos zum Einsturz. Die Erdstöße waren bis nach Athen zu spüren und auch bis in die türkischen Städte Istanbul und Izmir.
Im August 1999 hatte ein Erdbeben der Stärke 7,0 die dicht besiedelte Region am Marmarameer verwüstet; mehr als 17.000 Menschen wurden getötet. Geologen warnen, dass jederzeit ein neues Erdbeben die Metropole Istanbul treffen könne. Nach Angaben des Europäischen Seismologischen Zentrums leben rund eine Million Menschen in der Region, in der die Erschütterungen zu spüren waren.
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