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Abseits aller Schubladen

Sänger, Songwriter, Musikschaffender, Musiker, Pop-Barde, Komponist - die Bandbreite der Bezeichnungen für den am Sonntag 67-jährig verstorbenen Austropop-Veteranen Wilfried Scheutz in den Reaktionen auf seinen Tod legt Zeugnis von der Vielfältigkeit des Künstlers ab. 45 Jahre lang prägte er die heimische Musiklandschaft nachhaltig - in jedem Genre, das die zu bieten hat.

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Oft genug gab es die Genres erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Wilfried sie definierte. Das galt schon für seinen Durchbruch mit der Volksmusik-Pop-Fusion „Ziwui Ziwui“ im Jahr 1973. Während Austropop-Fixsterne wie Georg Danzer und Wolfgang Ambros sich meist im Folk-Idiom bewegten, übernahm Wilfried den ganzen großen Rest - von Beat über Punk und New Wave bis hin zu Blues und authentischer Volksmusik, was für ihn gar kein Gegensatz war.

„Wahrhaft Wagemutiger“

Die Reaktionen auf seinen Tod reichten von Schauspieler und Kabarettist Thomas Stipsits („Mach’s gut, du mächtiger Mensch“) bis hin zum Jazzvirtuosen Thomas Gansch, der jede einzelne Begegnung mit Wilfried als „Horizont erweiternd“ unterstrich. Dazwischen bekundeten auch Vertreter jener Genres, in denen Wilfried noch stärkere Fußstapfen hinterließ, ihre Anteilnahme. Wegbegleiter Walter Gröbchen nannte Wilfried einen „ungeheuer positiven, kraftvollen, vorbildlichen Künstler und Menschen“ und einen „wahrhaft Wagemutigen, der bis zuletzt immer neue Wege gesucht und beschritten hat“.

Wilfried

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Der politisch stets artikulierte Wilfried mit Sänger Georg Danzer und Andre Heller bei einer Friedenskundgebung 1983

Auch Wilfrieds erst vor Kurzem erschienene Platte „Gut Lack“ lieferte einmal mehr den Beweis dafür, dass der bereits schwer Krebserkrankte bis zuletzt nicht davon lassen konnte, nach neuen Wegen in Altbekanntem zu suchen - mehr dazu in oe1.ORF.at. Viele nutzten Wilfrieds letztes Facebook-Posting von Ende Juni, in dem er auf das neue Album verwies, um dort ihre Trauer zu bekunden. In einer Aussendung würdigten auch etwa SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel Wilfrieds Verdienste.

Hakenschlagen als Leitmotiv

„Mit ihm ist einer der bekanntesten Vertreter des Austropop und ein origineller, unkonventioneller Musiker von uns gegangen“, hieß es in Schieders und Hakels Aussendung über Wilfried unter Verweis auf Songs wie „Mary Oh Mary“, „Orange“ und „Highdelbeeren“. Wilfried habe „österreichische Popgeschichte geschrieben“ und „die heimische Musikszene maßgeblich mitgeprägt“, reagierte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ). Nie habe der Künstler sich dabei „schubladisieren und einengen“ lassen.

Wilfried

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Bei einem Auftritt im November 2015

Wilfrieds Beiträge zur österreichischen Musiklandschaft sind tatsächlich so grenzüberschreitend gewesen wie die von wohl keinem anderen heimischen Vertreter. Kaum war er als ländlicher Dialekt-Haudegen etabliert, lieferte er hochdeutsches Liedermachergut ab („Lauf Hase lauf“). Als das Publikum ihn schließlich in dieser Ecke akzeptierte, wechselte er wieder das Spielfeld und mischte New Wave und Dada mit „Highdelbeeren“ oder hämischen Musikparodien („I’ve Got to Have a Reggae on My LP“) - ganz zu schweigen von einem Start als Österreichs Vertreter beim Song Contest 1988 („Lisa Mona Lisa“).

ORF-Programmänderungen

In memoriam sendet ORF2 am Montag um 23.30 Uhr das Porträt „Wilfried Scheutz - Antiheld“. Ö1 widmet seine „Spielräume“ um 17.30 Uhr dem Künstler, FM4 die „Homebase Parade“ um 21.00 Uhr.

Allein die unbekannteren Stationen in Wilfrieds Arbeit würden anderen für ein Lebenswerk reichen, etwa eine respektable Schauspielkarriere und Ausflüge in die Kleinkunst. Auch da war er allerdings schon einer der Wegbereiter - als heute vergessener Sänger der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“. Deren Mastermind Thomas Spitzer schrieb denn auch auf Facebook an den „liebenswerten Sturkopf“ und das „Vorbild“ gerichtet: „Es hat mir imponiert, dass für dich unentdecktes Terrain stets interessanter als eingetretene Pfade waren.“

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