Themenüberblick

Viel Nährboden für Disput

Die EU und die rechtsgerichtete Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban liegen bei einer Reihe von Themen überkreuz. So hat die Kommission auch wegen Ungarns Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen, ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. Ebenfalls umstritten ist ein Hochschulgesetz des Landes. Die wichtigsten Streitpunkte zwischen Brüssel und dem schwierigen Mitgliedsland Ungarn:

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Hochschulpolitik: Eine im Handstreich durchs Parlament gedrückte Novelle zum Hochschulunterrichtsgesetz scheint ganz darauf zugeschnitten zu sein, die renommierte, US-geführte Central European University (CEU) in Budapest zur Schließung zu zwingen. Orban macht kein Hehl daraus, dass er die Aktivitäten des liberalen US-Milliardärs, CEU-Gründers und NGO-Unterstützers George Soros aus Ungarn zu verbannen gedenkt. Die EU-Kommission startete am Donnerstag in dem Fall die zweite Sanktionsstufe: Innerhalb eines Monats muss Budapest hierzu reagieren, sonst droht Brüssel mit einer Klage gegen Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

NGOs: Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eröffnet wegen eines Gesetzes zu Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland finanziert werden. „Wir haben das neue Gesetz (...) gründlich geprüft und sind zu dem Schluss gelangt, dass es nicht im Einklang mit dem EU-Recht steht“, sagte der Vizechef der Kommission, Frans Timmermans, am Donnerstag. Die von Ungarn vorgesehenen Auflagen für die Registrierung, Berichterstattung und Veröffentlichung seien diskriminierend und belasten die betroffenen Organisationen, was „ihren guten Ruf“ angehe, sowie verwaltungstechnisch. Insbesondere in das Recht auf Vereinigungsfreiheit werde eingegriffen. „Das neue Gesetz könnte nicht staatliche Organisationen daran hindern, Gelder einzuwerben und ihren Aufgaben nachzukommen.“

Asylrecht: Seit Anfang April gilt in Ungarn das schärfste Asylrecht in EU-Europa. Asylwerber, die ohnehin in nur sehr kleiner Zahl ins Land gelassen werden, werden für die Dauer ihres Verfahrens in Containerlagern an der Grenze festgehalten. Ungarn weigert sich außerdem energisch, die im Herbst 2015 beschlossenen Quoten zur EU-weiten Verteilung von 160.000 Asylwerbern zu erfüllen. Auf das Land würden 1.300 Flüchtlinge entfallen. Auch hier hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn - sowie Polen und Tschechien - eingeleitet.

Roma: Roma-Kinder werden in Ungarns Schulen zunehmend von den anderen Kindern separiert oder von vornherein in Sonderschulen für lernschwache Kinder abgeschoben. Das verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung auf ethnischer Grundlage. Seit Mai des Vorjahres läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn.

Wirtschaftspolitik: Orban unternimmt immer wieder Schritte, um internationale Unternehmen im Bereich Finanzen, Dienstleistungen, Medien und Handel zu diskriminieren. Dahinter steht die Absicht, heimische Oligarchen zu fördern, was diese aber in Abhängigkeit von der Politik hält. Wegen der damit einhergehenden Marktverzerrungen kam es zu zahlreichen Konflikten mit der EU.

Demokratieabbau: In vielen Fällen haben die EU-Institutionen keine wirkliche Handhabe gegen Orbans Tun und Walten. Etliche Maßnahmen zur Ausdünnung der Demokratie sind von den Budapester Regierungsjuristen - etwa das umstrittene Mediengesetz von 2010 - in eine juristische Form gegossen worden, die im Einzelnen kaum konkrete Angriffspunkte bietet. Gesetze dieser Art entfalten erst in Zusammenhang mit ihrer Anwendung, mit anderen Gesetzen und im Umfeld einer völlig durchpolitisierten Staatsverwaltung ihre demokratieabbauende Wirkung. Der vom Europaparlament 2013 angenommene Tavares-Bericht hält immerhin fest, dass der Fortbestand der Grundrechte in Ungarn in Gefahr ist.

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