„Nicht im Einklang mit EU-Recht“
Die EU-Kommission hat gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der umstrittenen Auflagen für Nichtregierungsorganisationen (NGO) eingeleitet. Das entsprechende ungarische Gesetz stehe „nicht in Einklang mit dem EU-Recht“ und greife insbesondere „ungebührlich“ in das Recht auf Vereinigungsfreiheit ein, erklärte die Behörde am Donnerstag in Brüssel.
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Die Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hatte im Juni NGOs, die Geld aus dem Ausland bekommen, verpflichtet, sich bei Gericht zu registrieren. Sie sollen sich zudem auf ihrer Website und in allen Publikationen als „Organisation, die Unterstützung aus dem Ausland erhält“, kennzeichnen. Das gilt für Verbände, die mehr als etwa 24.000 Euro pro Jahr aus dem Ausland erhalten.

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Das umstrittene NGO-Gesetz sorgte für Proteste - nicht nur in Ungarn
„Wir haben das neue Gesetz über nicht staatliche Organisationen gründlich geprüft und sind zu dem Schluss gelangt, dass es nicht im Einklang mit dem EU-Recht steht“, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. „Wir erwarten binnen eines Monats eine Reaktion der ungarischen Behörden.“
Amnesty International lobte das neue Verfahren als ein starkes Signal, dass Angriffe gegen die Zivilgesellschaft in der EU nicht akzeptabel seien. Amnesty International werde sich dem ungarischen Gesetz nicht beugen, solange kein Gericht das anordne.
Zweite Sanktionsstufe bei Hochschulgesetz
Es ist nicht das einzige Vertragsverletzungsverfahren, das die Kommission gegen Ungarn eingeleitet hat: Mitte April wurde Brüssel wegen des neuen Hochschulgesetzes tätig. Laut EU verstößt das ungarische Gesetz gegen fundamentale Rechte des EU-Binnenmarktes sowie gegen das Recht der akademischen Freiheit.
Das neue Hochschulgesetz könnte das Aus für die vom US-Milliardär George Soros gegründete Central European University (CEU) in Budapest bedeuten. Mit dem Gesetz wird die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz außerhalb der EU eingeschränkt, ungarische Abschlüsse zu verleihen. Zudem wird vorgeschrieben, dass ausländische Universitäten, die in Ungarn agieren, auch einen Campus in ihrem Heimatland haben müssen. Das ist bei der CEU nicht der Fall.
Am Donnerstag setzte Brüssel nun die zweite Sanktionsstufe in Kraft: Innerhalb eines Monats muss Budapest auch hierzu reagieren, sonst droht Brüssel mit einer Klage gegen Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Timmermans sagte, das Hochschulgesetz bringe unverhältnismäßige Einschränkungen mit sich.
Anti-Soros-Plakatkampagne
Mitte Mai hatte die EU-Kommission bekanntgegeben, wegen fehlender Aufnahmebereitschaft in der Flüchtlingskrise ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und Tschechien einzuleiten.
Über die Flüchtlingspolitik der ungarischen Regierung zeigte sich am Donnerstag auch der ehemalige UNO-Generalsekretär und nunmehrige NGO-Vorsitzende Kofi Annan „sehr besorgt." Statt die tatsächlichen Herausforderungen der Migration darzustellen, werde mit „fremdenfeindlichen Ansichten und direkten persönlichen Angriffen“ auf Soros gearbeitet.

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„Lassen wir nicht zu, dass Soros als Letzter lacht“, ließ Orbans Regierung affichieren
Orban hatte wiederholt behauptet, dass Soros unter anderem mittels NGO-Unterstützungen Millionen von Migranten nach Europa bringen wolle. Vergangene Woche startete Orbans Regierungspartei FIDESZ eine Plakatkampagne gegen Soros, der, monatelang in Ungarn versteckt, dem Holocaust entging und 1947 nach England emigrierte. Auf den landesweit omnipräsenten Plakaten sieht man das Bild eines lachenden Soros, daneben den Slogan: „Lassen wir nicht zu, dass am Ende Soros lacht!“
Die Kampagne sorgte international für Aufruhr, auch von Antisemitismus war die Rede. Am Mittwoch gab die Regierung bekannt, die Plakate würden wieder entfernt. Auch den Ton scheint Budapest nun zu mildern: Janos Lazar, Orbans Kanzleichef, sprach sich am Donnerstag dagegen aus, Soros die Ehrenbürgerwürde zu entziehen, die ihm 2002 von der damals liberalen Budapester Stadtregierung verliehen worden war. Der Jugendverband der kleinen mitregierenden Partei KDNP hatte den Entzug verlangt. „Ich glaube, das wäre nicht die richtige Entscheidung“, sagte Lazar.
EU und Orban im Dauerclinch
Seit seinem Regierungsantritt 2010 fordert Ministerpräsident Orban die Europäische Union heraus. Der Politiker versucht immer wieder, den Spielraum seiner Machtpolitik über die vom Regelwerk der EU gesteckten Grenzen hinaus auszuweiten.
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