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Angriffe auf verschiedene Ziele

Willkürliche Attacken von gewaltbereiten G-20-Gegnern an mehreren Orten halten in Hamburg die Polizei seit den frühen Morgenstunden auf Trab und haben die Sicherheitsbehörden nach Verstärkung aus anderen deutschen Bundesländern rufen lassen.

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Gewaltbereite G-20-Gegner griffen an zahlreichen Orten verschiedene Ziele an. Es seien im erweiterten Innenstadtbereich diverse Barrikaden, Mülltonnen, Holzpaletten und Kraftfahrzeuge angezündet worden, teilte die Polizei am Freitagvormittag mit. Verkehrszeichen und Baumaterial seien herausgerissen und zum Teil entwendet worden. Durch Flaschenwürfe und Feuerwerkskörper seien weitere Polizisten verletzt worden.

Karte zeigt die Sicherheitszonen rund um das Messegelände in Hamburg

OSM/ORF.at

Auch Konsulat der Mongolei im Visier

Auch die Reifen eines Autos der kanadischen Delegation seien zerstochen worden. In Hamburg-Horn seien die Fensterscheiben der Polizeiwache eingeworfen worden, ebenso die Scheiben des Konsulats der Mongolei. Die Hamburger Polizei teilt weiters mit, dass am Vormittag ein Polizeihubschrauber im Stadtteil Altona mit einer Leuchtrakete angegriffen wurde. Das Geschoß habe den Hubschrauber nur knapp verfehlt. „Sehr! gefährlich!“, twitterten die Beamten.

„Wir rechnen mit allem“

Die Polizei bemühte sich um Verstärkung aus anderen deutschen Bundesländern. „Wir haben bundesweit angefragt, ob Kräfte frei wären, und das wird geprüft“, sagte ein Polizeisprecher. Er äußerte sich nicht dazu, wie viele Beamte tagesaktuell im Einsatz sind. Der Sprecher bekräftigt nur, dass insgesamt rund 15.000 Polizisten wegen des G-20-Gipfels an Ort und Stelle seien.

Polizisten löschen in Brand gestetztes Auto

Reuters/Hannibal Hanschke

Die Feuerwehr löschte ein in Brand gestecktes Auto

Bei den Ausschreitungen seien bisher rund 160 Polizisten verletzt worden, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote. Das Gewaltpotenzial sei erschreckend. Nach Behördenangaben kam es zu 45 Festnahmen, davon seien 15 Personen in Gewahrsam genommen worden. „Wir müssen mit allem rechnen, wir rechnen auch mit allem“, so Grote weiter. Mittlerweile trafen aus anderen deutschen Bundesländern angeforderte Hundertschaften der Polizei in der Hansestadt ein. Auch aufseiten der Demonstranten soll es laut deren Angaben „zahlreiche Verletzte“ bei den Auseinandersetzungen in der Nacht gegeben haben

Über 150 Einsätze der Feuerwehr

Die Feuerwehr rückte seit Donnerstagabend zu 156 Einsätzen aus, wie die Feuerwehr kurz vor Freitagmittag bekanntgab. 61 kleinere und größere Feuer wurden gelöscht, teilte die Feuerwehr weiter mit. Freitagfrüh hätten 15 Autos in der Elbchaussee teilweise an Hauswänden gebrannt. Ein Übergreifen der Flammen auf angrenzende Wohnhäuser konnte verhindert werden. Ein gleiches Einsatzszenario gab es in der Max-Brauer-Allee, wo ebenfalls Autos brannten. Wie viele Autos in Hamburg insgesamt in Brand gesteckt wurden, konnte die Feuerwehr noch nicht sagen.

Attacke auf Polizeirevier

Laut deutscher Bundespolizei wurden Freitagfrüh mehrere Streifenwagen in Brand gesetzt. Das Bundespolizeirevier in Hamburg-Altona werde von Gewalttätern angegriffen, teilte die Bundespolizei Nord via Twitter mit. Beamte gingen gegen gewalttätige Personen vor, die Molotowcocktails einsetzten. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, den Bereich zu meiden. Über dem Westen Hamburgs hing eine schwarze Rauchwolke, wie auf Fotos zu sehen ist. An mehreren Stellen der Stadt wurden Autos angezündet. Hubschrauber kreisten am Himmel.

Rauchwolke über Hamburgs Innenstadt

APA/AP/dpa/Boris Roessler

Eine schwarze Rauchwolke hängt über Hamburg

Melania Trump saß fest

Die Ehefrau des US-Präsidenten Donald Trump, Melania, saß stundenlang in ihrer Unterkunft an der Außenalster fest. Die 47-Jährige hatte am Vormittag mit der Hafenrundfahrt einen Touristenklassiker in der Hansestadt verpasst. Die Polizei habe ihr keine Sicherheitsfreigabe erteilt, sagte ihre Sprecherin der dpa am frühen Nachmittag.

Melania Trump freue sich auf die Aktivitäten mit den anderen Partnern der Staats- und Regierungschefs. Die First Lady selbst schrieb auf Twitter: „Meine Gedanken sind bei denen, die bei den Protesten in Hamburg verletzt wurden. Ich hoffe, dass alle sicher bleiben.“ Für Melania Trump gelten schärfere Sicherheitsregeln als für andere Lebens- und Ehepartner von Politikern.

Das Partnerprogramm wurde indes angesichts der angespannten Sicherheitslage geändert. Nach dpa-Informationen soll ein bisher geplanter Termin im Hamburger Klimarechenzentrum durch Vorträge der Experten im Hotel Atlantik ersetzt werden.

Gipfelteilnehmer kamen zu spät

Wegen der Krawalle und Sperren seien Fahrzeugkolonnen aufgehalten worden, hieß es aus den Delegationen am Vormittag. Gipfelteilnehmer verspäteten sich. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk verspäteten sich wegen der Demonstrationen bei einer Pressekonferenz in der Hamburger Messe, dem Tagungsort. Rundherum war eine Sicherheitszone eingerichtet. Während die neuen Krawallen begannen, waren noch die Verwüstungen der vorhergehenden Nacht zu sehen, wie etwa Videos von Augenzeugen auf Facebook zeigen.

Die Polizei ging Freitagvormittag erneut mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Diese seien bei der Räumung von Straßenblockaden am Schwanenwik an der Alster und an der Schröderstiftstraße nahe dem Tagungsort eingesetzt worden, teilten die Beamten mit. Zuvor habe es mehrfache Aufforderungen gegeben, die Strecke frei zu machen. „Bittet haltet die Fahrbahnen frei“, hieß es.

Demonstranten wollen in Hochsicherheitszone

Die Gruppe „Block G-20 - Colour the red zone“ machte sich bereits in der Früh von zwei Stellen aus auf den Weg, um den Ablauf des Gipfels zu stören. Hunderte Demonstranten versammelten sich an den Hamburger Landungsbrücken und am Verkehrsknotenpunkt Berliner Tor.

„Block G-20 - Colour the red zone“ hatte angekündigt, in die Hochsicherheitszone vordringen zu wollen. An den Landungsbrücken setzten sich mehr als 1.000 weiß und lila gekleidete Menschen in Bewegung. Viele skandierten: „Haut ab, haut ab!“ Die Polizei ging laut Augenzeugenberichten mit Schlagstöcken gegen Teilnehmer vor. Am Berliner Tor starteten mehr als 200 Teilnehmer, es kam zu Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei.

„Massenhafter angekündigter Regelübertritt“

„Unser Ziel ist es, den Ablauf des G-20-Gipfels spürbar zu stören und die Inszenierung der Macht, die der Gipfel darstellt, zu brechen“, heißt es in einer Selbstdarstellung von „Block G-20 - Colour the red zone“. „Wir werden dazu einen massenhaften, öffentlich angekündigten Regelübertritt begehen. Unsere Aktionen sind ein gerechtfertigtes Mittel des massenhaften widerständigen Ungehorsams.“

Anti-G-20-Gipfel-Demonstration

Reuters/Hannibal Hanschke

Hunderte waren bereits in der Früh auf den Straßen

Greenpeace-Protestballon an Fernsehturm

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte mit einem am Fernsehturm an der Messe befestigten Protestballon mehr Einsatz der G-20 für den Klimaschutz. „Planet Earth First“ stand auf der fünf Meter großen Weltkugel, die ferngesteuert auf der Unterseite des Fernsehturms aufgeblasen wurde. „Dieser Gipfel mit all seinen Kosten, Einschränkungen und Zumutungen ist nur zu rechtfertigen, wenn er konkrete Maßnahmen zum Schutz unseres Planeten beschließt“, sagte die deutsche Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters.

Die Rolle der Polizei in Hamburg

ORF-Korrespondent Andreas Jölli berichtet vom Gelände des G-20-Gipfels und versucht zu analysieren, warum die Proteste in Hamburg derart gewalttätig sind.

Debatte über Vorgehen der Polizei

Bereits in der Nacht war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Es sei zu zahlreichen Sachbeschädigungen unter anderem an geparkten Autos, Geschäften und am Amtsgericht Altona gekommen.

Eine Debatte gibt es ist indes über das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die Polizei habe die Demonstration am Donnerstag zu früh aufgelöst und hätte sie besser ziehen lassen sollen, so die Kritik. Auch sei die Polizei zu rigoros gegen die Demonstranten vorgegangen und habe damit die erhöhte Gewaltbereitschaft am Freitag mit ausgelöst bzw. mit provoziert, so Kritiker weiter.

Maas verteidigt Behörden

Der deutsche Justizminister Heiko Maas verurteilte die gewaltsamen Proteste und verteidigte das Vorgehen der Behörden gegen Randalierer. „Diejenigen, die Straftaten begehen unter dem Deckmantel des Demonstrationsrechts, die gehören nicht auf die Straße, sondern die gehören vor ein Gericht“, sagte Maas am Freitag beim EU-Justizministertreffen in Tallinn.

Wichtig sei, dass Gewalttäter zur Rechenschaft gezogen werden. Nur dann könnten diejenigen, die friedlich demonstrieren wollen, das auch tun. „Dort wo Straftaten begangen werden in einer Stadt wie Hamburg, da müssen sie auch geahndet werden. Und die Hamburger Polizei hat das in aller Konsequenz in der letzten Nacht auch getan“, sagte der SPD-Politiker in der estnischen Hauptstadt. Auch im Kurznachrichtendienst Twitter betonte Maas: „Jede Meinung ist wichtig, jeder hat das Recht zu demonstrieren. Aber: Gewalt darf niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. #G20“.

Um den G-20-Tagungsort in den Messehallen gilt am Samstag von 6.00 bis 17.00 Uhr in Teilen der Hamburger Innenstadt ein Versammlungsverbot. Dann etwa endet das G-20-Treffen.

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