Merkel stimmte mit Nein
In einer historischen Entscheidung hat der deutsche Bundestag Ja zur „Ehe für alle“ gesagt. Bei 623 abgegebenen Stimmen sprach sich eine Mehrheit von 393 Abgeordneten am Freitag für eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare aus. 226 Parlamentarier stimmten mit Nein, vier enthielten sich.
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SPD, Grüne und Linke hatten die Abstimmung gegen den Willen von CDU/CSU durchgesetzt. Aber auch mindestens 70 Unionsabgeordnete - fast jeder Vierte - votierten am Ende für den Gesetzentwurf aus dem rot-grün dominierten Bundesrat zur Öffnung der Ehe.
Tagesordnungserweiterung abgelehnt
Bisher dürfen Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Der wichtigste Unterschied ist, dass Lebenspartner gemeinsam keine Kinder adoptieren dürfen.
Vor der Debatte hatte eine Mehrheit der Abgeordneten gegen den erklärten Willen der Unionsfraktion dafür votiert, die Tagesordnung entsprechend zu erweitern. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) forderte anschließend von den Abgeordneten „wechselseitigen Respekt, den beide Positionen zweifellos verdienen“.

APA/AP/Michael Sohn
Jubel bei den Grünen
Kanzlerin dagegen
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Thema der völligen rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare zum Wochenanfang in die politische Debatte gebracht und sich für eine Abstimmung ohne Fraktionszwang - als „Gewissensentscheidung“ - ausgesprochen. Daraufhin hatte sich die SPD für eine Abstimmung noch in dieser Woche und vor der Bundestagswahl starkgemacht. Merkel selbst stimmte allerdings gegen die „Ehe für alle“.
„Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau“, sagte die CDU-Vorsitzende unmittelbar nach der Abstimmung. „Und deshalb habe ich heute auch dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt.“ Sie hoffe, dass mit dem Bundestagsbeschluss „auch ein Stück Friede und gesellschaftlicher Zusammenhalt geschaffen wurden“.
Scharfe Kritik von SPD
Scharfe Kritik an ihr setzte es vom SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs: „Peinlich“, „erbärmlich“, „vielen Dank für nichts“: Kahrs warf Merkel und der Union vor, die Homosexuellenehe jahrelang blockiert zu haben. Dass die Kanzlerin Anfang der Woche von ihrem Nein abgerückt sei, ändere an dieser Bewertung nichts.
Das Nein zur Ehe für Homosexuelle galt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzender hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab wie das Festhalten an der Atomenergie und der Wehrpflicht.
Mehr Unionsstimmen als erwartet
Die Zustimmung in der Unionsfraktion war größer als erwartet: 75 Abgeordnete von CDU und CSU votierten mit Ja. Im Vorfeld war eher mit rund 20 Befürwortern gerechnet worden. Mit Ja stimmten unter anderen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und CDU-Generalsekretär Peter Tauber (alle CDU). Bei der CSU gehörte der Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach zu den Befürwortern.

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Konservative Unionspolitiker prüfen Klage
Einige Unionsabgeordnete prüfen derweil eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die „Ehe für alle“ sei grundgesetzwidrig und bedürfe einer Verfassungsänderung, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag-Ausgabe). „Das Bundesverfassungsgericht knüpft die Ehe an zwei Bedingungen“, sagte der CSU-Politiker: „Sie ist eine dauerhafte Verantwortungsgemeinschaft. Und sie ist darauf ausgerichtet, Kinder hervorzubringen. Das geht nur mit Mann und Frau.“
Justizminister Heiko Maas hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. „Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der ‚Ehe für alle‘ verfassungsrechtlich zulässt“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung (Freitag-Ausgabe). „Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen Fortschritt.“
AfD gegen „Ehe für alle“
Einen erklärten Gegner der „Ehe für alle“ gibt es weiter: Die rechtpopulistische AfD hofft durch ihre Ablehnung konservative Wähler an sich binden zu können. „Man muss Angela Merkel fast schon dankbar sein, überlässt sie doch damit aus rein machttaktischen Erwägungen der AfD ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft“, sagte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry.
Auch die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sprach sich gegen die „Ehe für alle“ aus. Weidel, die selbst in einer Lebenspartnerschaft mit einer Frau und zwei Kindern lebt, sagte: „Das Institut der Ehe ist verfassungsrechtlich geschützt, und als Grundgesetzpartei möchten wir die Verfassung bewahren.“ Die AfD wolle die eingetragene Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare erhalten. „Anders als Frau Merkel kenne ich das Programm meiner eigenen Partei“, fügte sie hinzu.
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