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„Ich will, weil so viele andere wollen“

Der Grüne Peter Pilz lässt derzeit keine Zweifel daran, dass es ihm mit seinen Plänen zur Gründung einer Liste für die Nationalratswahl ernst ist. Am Freitag heizte der Eurofighter-Aufdecker die Spekulationen mit einem Facebook-Posting weiter an - sehr zum Unmut seiner Partei.

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Das mögliche Potenzial seiner Bewegung schätzt Pilz, der es beim Bundeskongress der Grünen nicht mehr auf die Nationalratswahlliste der Partei schaffte, auf bis zu 40 Prozent. „Nichtwähler, Protestwählerinnen - das sind die 40 Prozent der Wahlberechtigten, die Wahlen jenseits der Altparteien entscheiden können. In meiner alten Partei haben mir nicht viele geglaubt, dass wir sie ansprechen können. Jetzt sprechen sie mich an“, erklärte der 63-Jährige am Freitag auf Facebook.

Dort beschrieb er auch den Zuspruch, den er aus dem Volk erhalte - seien es die „Mistkübler“ von der MA48, Anzugträger oder BMW-Fahrer. „Ich hätte Sebastian Kurz gewählt. Aber jetzt wähl ich Sie“, „Machen’S das!“ oder „Es geht. Sie wissen das. Gute Sache“, so hätten die Botschaften der Menschen auf den Straßen an Pilz gelautet, der an diesem von ihm geschilderten Tag eigentlich im Plenum des Nationalrats sitzen sollte.

„Reinkeppeln vom Spielfeldrand“

In den letzten Tagen war Pilz durch die Redaktionen getourt und hatte seine Absichten in mehreren Interviews bekräftigt. „Ja, ich will, weil so viele andere wollen“, sagte Pilz am Donnerstag im Ö1-„Morgenjournal“. Allerdings wisse er noch nicht, „ob wir es gemeinsam schaffen oder gemeinsam können“ - Audio dazu in oe1.ORF.at. Eine Entscheidung werde er in etwa drei Wochen treffen, hatte er zuvor in der ZIB2 gesagt, wo er hart mit seiner Partei ins Gericht ging.

Gegenüber Zeitungen nannte Pilz die Namen mehrerer möglicher Mitstreiter für sein Projekt. Mit seinen Parteikollegen Karl Öllinger, Wolfgang Zinggl, Bruno Rossmann und Gabriela Moser sei er schon zusammengesessen. Die vier Genannten, wie Pilz übrigens alle aus der Generation 60 plus, hatten entweder nicht mehr für die Grünen kandidiert, waren auf unsichere Listenplätze gekommen oder überhaupt bei der Listenwahl gescheitert.

Kritik an eigener Partei

„Eine verengte und in dieser Art falsche Ausländerpolitik. Ein Unverständnis der Sicherheitspolitik. Eine verengte Europapolitik“ - in der ZIB2 übte Pilz am Mittwoch harte Kritik an seiner eigenen Partei.

Nach seiner Niederlage bei der Listenwahl auf dem Bundeskongress der Grünen hatte sich Pilz noch versöhnlich gegeben. Für ihn beginne jetzt „ein drittes Leben“, sagte er am Sonntag. Tags darauf streute er Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek in einem Interview mit dem „Falter“ Rosen: „Sie ist die beste Spitzenkandidatin, die wir haben. (...) Ich kann ihr nur dadurch helfen, dass ich ihr nicht vom Spielfeldrand reinkepple.“

Lunacek „sehr irritiert“

Ein Antritt mit einer eigenen Liste wäre für die Grünen wohl ungleich schlimmer als das „Reinkeppeln vom Spielfeldrand“. Entsprechend enttäuscht zeigte sich Spitzenkandidatin Lunacek von Pilz’ Idee. Im Ö3-Interview, das am Sonntag in der Reihe „Frühstück bei mir“ ausgestrahlt wird, kritisierte Lunacek laut Aussendung vor allem sein Abrücken von der versprochenen Unterstützung für sie.

Sie sei „schon sehr irritiert“ gewesen, als am Mittwoch klargeworden sei, dass Pilz seine eigene Liste machen wolle. Sie habe ihn angerufen und gefragt, ob sie sich auf das von ihm Gesagte - „Ich wähle natürlich die Ulrike“ - verlassen könne. Seine Antwort laut Lunacek: „Nein, ich hab jetzt eine zweite Option.“ Beides werde wohl nicht gehen, so die Grüne: „Dann wird er sich wohl selbst wählen. Das finde ich enttäuschend.“

Die Situation nach der Abwahl von Pilz sei „keine erfreuliche“, räumte auch Umweltsprecherin Christiane Brunner ein. Sie sei aber optimistisch, dass die Grünen auch mit dem jetzigen Team „punkten können und werden“. Pilz habe natürlich seine Verdienste und eine besondere Rolle: „Aber abhängig von einer Person sind wir ganz sicher nicht.“ Sie glaube, Pilz werde nun einmal den Eurofighter-Untersuchungsausschuss zu Ende bringen, sagte Brunner bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt. Pilz habe als langjähriges Mitglied „viel von der grünen Bewegung mitbekommen, er hat der grünen Bewegung viel gegeben, das erfordert gegenseitigen Respekt“, sagte die Abgeordnete: „Wir schätzen ihn.“

Ausschluss aus Parlamentsklub droht

Grünen-Klubchef Albert Steinhauser stellte klar, dass Pilz umgehend aus dem grünen Parlamentsklub fliegen würde, sollte er mit seiner eigenen Liste Ernst machen. Pilz wäre dann bis zur Nationalratswahl wilder Abgeordneter und würde auch sein Büro im Klub in der Löwelstraße verlieren, so Steinhauser im „Standard“.

Angesichts der Vorgänge der letzten Tage „gehe ich nun davon aus, dass er seine eigene Liste macht“, so Steinhauser. Grundsätzlich gebe es die klare Vereinbarung, bis Mitte Juli den Eurofighter-U-Ausschuss fertig zu machen. Danach soll es einen Gesprächstermin geben. Lautet Pilz’ Entscheidung dann, dass er mit einer eigenen Liste am 15. Oktober antritt, „wird er die Fraktion verlassen“, sagte Steinhauser: „Das heißt, dass er in den letzten Nationalratssitzungen vor dem Urnengang als wilder Abgeordneter im Parlament sitzt. Dann kann er seinem Plan nachgehen - und seine Einmannshow machen, und wir wären politische Konkurrenten.“

Kabarettist Roland Düringer bot Pilz indes einen Platz in seiner Bewegung „G!LT“ an, jedoch keinen im Nationalrat. Düringer schlug Pilz in einem am Donnerstag via Social Media veröffentlichten Video mit unbestimmtem Ernsthaftigkeitsgrad vor, sich an seiner Bewegung zu beteiligen. „Was halt nicht geht, ist ein Kandidieren für uns“, folgt gleich darauf die kalte Dusche: „Einen Nationalratssitz gibt es für dich nicht im Speziellen, du bist ja Berufspolitiker, und wir nehmen keine Berufspolitiker, wir nehmen nur die Leute von der Straße.“

Parteiaustritte: Grüne widersprechen Pilz

Eine Austrittswelle aus der Partei, wie von Pilz behauptet, gibt es nach Auskunft der Grünen offenbar nicht: Seit Sonntag hätten gerade einmal neun oder zehn Personen („einer ist noch nicht fix“) die Partei verlassen, sagte Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik am Freitag der APA. Wenn Pilz von „massenhaft Parteiaustritten“ spreche, sei das „lachhaft, lächerlich“.

Er habe umgehend einen Rundruf in den Landesparteien gestartet, so Luschnik. Das Ergebnis: Null Austritte in Wien, Burgenland und Vorarlberg, in den anderen Bundesländern zwischen einem und drei. Bundesweit haben die Grünen mehr als 7.000 Mitglieder. Weitere sieben oder acht Abgänge entfallen auf den Abschied früherer Junger Grüner zur KPÖ. „Pilz versucht es so darzustellen, als wäre da eine große Bewegung innerhalb der Grünen“, ärgert sich Luschnik über die von Pilz im „Standard“ (Onlineausgabe) getätigten Aussagen. „Das ist nicht so. Er ist ein Einzelkämpfer.“

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