„Wir müssen die Bay retten“
Jeder, der in den 90er Jahren aufgewachsen ist, kennt „Baywatch - Die Rettungsschwimmer von Malibu“. Über 15 Jahre nach dem Ende der Fernsehserie hat US-Regisseur Seth Gordon („Kill the Boss“) die Geschichte von Rettungsschwimmer Mitch Buchannon und seinem Team als brachiale Actionkomödie auf die Leinwand gebracht, die eingefleischte Fans vor den Kopf stoßen dürfte.
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Das Erfolgsrezept der Serie lag in der Kombination von Perfektion und Inklusion. Muskelbepackte Männer und Strandschönheiten mit Modelmaßen setzten sich für Behinderte, sozial Benachteiligte oder Mobbingopfer ein. Über allem stand Lieutenant (später Captain) Buchannon (David Hasselhoff), Rettungsschwimmer aus Berufung, Musikliebhaber und Bandleader, Alleinerzieher sowie Vaterfigur für seine jungen Kollegen (und wohl auch viele TV-Zuseher). Buchannon verkörperte das amerikanische Ideal, das Streben nach Freiheit verband er mit tugendhaftem, verantwortungsbewusstem Handeln.
Kopfsprung ins Flachwasser
In den einzelnen Episoden kamen die Stärken der Serie aber oft holzschnittartig daher. Klischeehafte Dialoge trafen auf 90er-Moralismus (Respektiere deine Mitmenschen! Finger weg von Drogen! Halte den Strand sauber!), was der Serie zusammen mit den teilweise eher bemühten schauspielerischen Leistungen des Ensembles eine schrottige Note verlieh. Auch die Plots einzelner Episoden ließen in Sachen Logik einiges zu wünschen übrig.

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Die Peniswitze beginnen schon beim Filmplakat
Der Beliebtheit von „Baywatch“ tat das keinen Abbruch: Zu Spitzenzeiten verfolgten 1,1 Mrd. Menschen in 144 Ländern die Abenteuer der Rettungsschwimmer vor den TV-Geräten. Elemente wie die orangefarbenen Rettungsbojen oder Beachbodys in Zeitlupe sind untrennbar mit der Serie verknüpft, ebenso wie die Karrieren von Pamela Anderson (die im Film einen Gastauftritt hat) und Yasmine Bleeth und Hechtköpfler aus Motorbooten, die übers Wasser rasen.
Wer bei der Neuverfilmung auf eine Hommage im Sinne der neuen „Star Wars“-Filme hofft, wird enttäuscht. Gordon bearbeitet den TV-Mythos mit der Brechstange. Die Protagonisten sind teils groteske Zerrbilder der Serienfiguren und tragen dieselben Namen. Dwayne „The Rock“ Johnson macht aus Mitch Buchannon einen altklugen Actionhelden. Zac Efron spielt Matt Brody, an den sich nur echte Fans der Serie erinnern werden. Im Film ist Brody ein gefallener Schwimmstar, der für die USA bei den Olympischen Spielen zwei Goldmedaillen holte und während des Teambewerbs nach einer durchzechten Nacht vor einem Millionen-TV-Publikum ins Becken kotzte. Ryan Lochte lässt grüßen - auf wenig subtile Art und Weise.
Im 21. Jahrhundert angekommen - teilweise
Ilfenesh Hadera macht aus Stephanie Holden - in der Serie Buchannons „Love Interest“ - eine toughe Powerfrau, Model Kelly Rohrbach pendelt als Pamela Andersons Charakter „CJ“ Parker zwischen souveräner Lebensretterin und naiver Strandschönheit. Alexandra Daddarios Rolle als Summer ist ähnlich angelegt. Und Jon Watts spielt den Quotennerd mit Durchschnittskörper, den Hobbykriminalist Buchannon eher wegen seiner Hacker- und weniger wegen seiner körperlichen Fähigkeiten ins Team holt.
Der Plot erinnert an ein B-Movie: Skrupellose Kartellchefin aus Südamerika (Bollywood-Star Priyanka Chopra) überschwemmt Buchannons Strand nicht nur mit der Designerdroge Flakka, sondern versucht, sich Malibus begehrte Immobilien unter den Nagel zu reißen. Nachdem die Polizei trotz offensichtlichster Verbrechen (Morde inklusive) untätig bleibt, nehmen die Rettungsschwimmer das Gesetz in die eigenen Hände. In Buchannons Worten: „Wir müssen die Bay retten.“ Die Story ergibt zwar keinen Sinn, hat aber durchaus Unterhaltungswert.

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Holden und Summer (rechts): Hechtsprünge von Motorbooten gibt es auch in der „Baywatch“-Neuverfilmung
In mancherlei Hinsicht ist Gordons „Baywatch“ im 21. Jahrhundert angekommen. Der Cast spiegelt die Diversität der US-Gesellschaft wider. Wenn Johnson auf die Frage eines Buben, ob er Superman sei, mit „Klar bin ich Superman. Nur größer. Und brauner“ antwortet, dann fühlt man sich im Jahr 2017. Dass es ein Gag ist, wenn zwei erwachsene Männer einander bei der Mund-zu-Mund-Beatmung „küssen“, wirft den Film dann wieder um Jahrzehnte zurück. Der unterschwellige Sexismus, der der Serie stets vorgeworfen wurde, wird aufs Korn genommen, was aber im Stakkato von Peniswitzen und peinlichen Dialogen darüber untergeht, wer wem auf die Brüste oder den Penis gestarrt hat.
Ein Sommerblockbuster - nicht mehr, nicht weniger
Positives gibt es über das Ensemble zu sagen: Johnson, der seine Karriere als Profiwrestler startete, gehört mittlerweile zu den bestbezahlten Schauspielern Hollywoods, durchaus gerechtfertigt, wie er in „Baywatch“ zeigt. Das 1,90 Meter große Muskelpaket schultert die Story dank seines Charismas stellenweise fast im Alleingang.
Das Aufeinandertreffen von Buchannon (gespielt von „The Rock“) und seinem Mentor Mitch Buchannon (Auftritt Hasselhoff) in einem Handyshop ist der Höhepunkt in einem an Höhepunkten armen Film. Efron und Chopra beweisen komödiantisches Talent, Hadera hätte sich noch die eine oder andere Szene mehr verdient.

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„The Rock“ und Efron müssen die Bay retten
Letztlich ist der Film, mit seinen übertriebenen Actionszenen und seinem Holzhammerhumor, was er sein soll: ein seichter, aber unterhaltsamer Sommerblockbuster - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Einen Oscar wird Gordon wohl nicht holen. Eher die Goldene Himbeere.
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