Clowns, Jörg Haider und die Freimaurer
In der Welt der Verschwörungstheoretiker gibt es nichts, was es nicht gibt. Unterhaltsam sind ihre wirren Endzeitszenarien aber nur, solange sie nicht politisch instrumentalisiert werden.
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Vorsicht, Ironie - bitte nicht ungeprüft auf die Social-Media-Plattform des Vertrauens kopieren: Clownschuhe sind die Springerstiefel des 21. Jahrhunderts. Clowns versuchen die Gesellschaft zu destabilisieren, etwa, indem sie in Horrorfilmen Panik verbreiten. Ihr Ziel: der Dritte Weltkrieg. Obwohl es keinen weiteren Beweis für die Clownverschwörung gebraucht hätte, liefern ihn die Regierungen der USA und Chinas und hochrangige EU-Vertreter, indem sie auf entsprechende Anfragen akkordiert mit eisigem Schweigen reagieren.
ORF.at/Simon Hadler
NS-Plakat über die „internationale Weltverschwörungsorganisation“ der Freimaurer
So sieht eine, freilich frei erfundene Verschwörungstheorie aus dem Onlinebaukasten aus. Eine vom ORF mitentwickelte Software ermöglicht es jeder und jedem, aus einzelnen Versatzstücken eine ganz persönliche Endzeitpanikgeschichte zu zimmern. Das ist zwar lustig, verweist aber auf einen ernsten Hintergrund - denn Verschwörungstheorien haben wieder einmal Hochkonjunktur. Wobei - wer weiß? Vielleicht rührt die Aufregung darüber nur daher, dass solcher Nonsens, den es schon immer gab, aufgrund von Social Media sichtbarer geworden ist.
Vom Ersten Weltkrieg bis 9/11
Und dass es Verschwörungstheorien schon immer gab, darüber können vor allem die Freimaurer, die heuer ihr 300-jähriges Jubiläum feiern, ein Lied singen: Gemeinsam mit den Juden führen sie die Hitliste der Verschwörer an, gerne auch in Kombination. Ein Lächeln ringt das Heinz Sichrovsky ab, der nicht nur „News“-Kulturchef und Moderator der ORF-III-Sendung „Erlesen“ ist, sondern auch studierter Germanist und als solcher Experte für die Kulturgeschichte der Freimaurer: „Kein Königsmord ohne Beteiligung der Freimaurer!“
Buchhinweise
Heinz Sichrovsky: Mozart, Mowgli, Sherlock Holmes. Die königliche Kunst in Musik und Dichtung der Freimaurer. Löcker, 321 Seiten, 24,80 Euro.
Heinz Sichrovsky: „Als ich König war und Maurer“: Freimaurerdichtung aus vier Jahrhunderten. Eine Anthologie mit 90 Porträts von Oskar Stocker (Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei). Studien Verlag, 608 Seiten, 29,90 Euro.
Kronprinz Rudolfs Selbstmord? Freimaurer. Der wahre Grund für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs? Freimaurer. Die von den Nazis aufgedeckte jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung (basierend auf „Die Protokolle der Weisen von Zion“ aus dem Jahr 1903). 9/11? Natürlich waren auch das die Freimaurer. Sichrovsky hat eine Lieblingsverschwörungstheorie: Im Buch „Logenmord Jörg Haider“ wird belegt, wieso nur die Freimaurer an dessen Tod schuld sein können. Die Scheibenwischer standen wie das Winkelmaß (ein Freimaurer-Symbol) von den Fenstern ab, und ein einzelner gefundener Schuh deutet darauf hin, dass Haider als Verräter liquidiert wurde.
Geheimniskrämerei als Tradition
Wieso müssen immer die Freimaurer für Verschwörungstheorien herhalten? Sichrovsky sieht einen möglichen Grund dafür in der Geheimhaltung der Mitgliedschaft. Historisch sei die „Deckung“ wichtig gewesen, weil Freimaurerei immer wieder im Lauf der Geschichte verboten gewesen sei, weil Logenbrüder nicht selten willkürlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Das macht neugierig, nährt Gerüchte und schürt Misstrauen.
ORF.at/Simon Hadler
Nachgestellte Szene einer Zusammenkunft der Freimaurer im Prunksaal der Nationalbibliothek
Anders als in der Politik, wo Beweis und Gegenbeweis freimaurerischer Verschwörungen meist auf Hörensagen beruhen, sind Symbole masonischer Tradition im Kulturschaffen vergangener Tage klar erkennbar. Mozart etwa war ein glühender Anhänger der Freimaurerei, vor allem die „Zauberflöte“ ist voll von Anspielungen. Ähnlich Rudyard Kiplings Dschungelbuch. Sichrovsky hat darüber das Buch „Mozart, Mowgli, Sherlock Holmes“ geschrieben und Ende letzten Jahres mit „Als ich König war und Maurer“ noch einen umfangreichen Band mit Beispielen freimaurerischer Literatur nachgelegt. Es birgt Überraschungen und ist spannend, sich seiner Spurensuche anzuschließen.
TV-Hinweise
ORF2 zeigt am Sonntag um 9.05 Uhr in „matinee“ die Dokumentation „Die Freimaurer und die Musik“ - mehr dazu in tv.ORF.at - und am Montag um 23.20 Uhr in „kulturMontag“ die Dokumentation „Die Freimaurer - Die Wahrheit über den Geheimbund“ - mehr dazu in tv.ORF.at.
Insignien und Rituale
Also gibt es überhaupt keine freimaurerische Verschwörung? Darüber kann man sich ein Bild machen, wenn man den Prunksaal der Nationalbibliothek auf dem Wiener Josefsplatz besucht, an der Rückseite der Hofburg, wo dieser Tage eine Ausstellung anlässlich des Jubiläums der Freimaurer eröffnet wurde. Insignien werden gezeigt, Rituale erklärt, auf die historische Bedeutung der Freimaurerei verwiesen, und es werden bekannte (verstorbene) Freimaurer vorgestellt: der ehemalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, Altkanzler Fred Sinowatz, Fritz Muliar und viele, viele andere.
„Gemeine Geschäftsmaurerei“
Es ist jedoch kein aktuelles Regierungsmitglied Freimaurer, und auch sonst sind Angehörige der Elite des heimischen Wirtschafts- und Gesellschaftslebens rar gesät in den Logen dieser Tage; die Weltherrschaft von Österreich aus zu erkämpfen, dürfte den Anhängern der „königlichen Kunst“ also schwerfallen. Dass der Vorwurf der Männerbündlerei und des Seilschaftswesens nicht von der Hand zu weisen ist, hat jedoch 2012 der Korruptionsuntersuchungsausschuss gezeigt.
Ausstellungshinweis
„300 Jahre Freimaurer: Das wahre Geheimnis“ ist von 23. Juni bis 7. Jänner 2018 im Prunksaal der Nationalbibliothek in Wien zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog mit zahlreichen Gastbeiträgen über Geschichte und Bedeutung der Freimaurer erschienen.
Lobbyist Peter Hochegger hatte demzufolge bei seinen Mauscheleien auf die Hilfe von Logenbrüdern zurückgegriffen. Als das öffentlich wurde und dem Ansehen der Freimaurer massiv zusetzte - die Medienberichterstattung war umfassend -, wurde Hochegger der Austritt nahegelegt. Der Fall Hochegger war nicht der einzige, obwohl die „gemeine Geschäftsmaurerei“ eigentlich verboten ist. Schließlich sollten Freimaurer sich selbst zu tugendhaften Wesen erziehen, den Werten der Aufklärung Vorschub leisten und sich nicht persönlich bereichern.
Die Avantgarde von gestern
Im Kampf um die Werte der Aufklärung haben sich die Freimaurer im Lauf der Geschichte mehrfach verdient gemacht. Nur: Den Nimbus der Freiheitskämpfer haben sie jedoch längst eingebüßt. Die 68er-Generation zelebrierte den Aufbruch viel radikaler, seither sind nur wenige prononciert kritische Künstler in Österreich den Freimaurern beigetreten. Im Vergleich zur freien Liebe und zur beinharten Kapitalismus- und Institutionenkritik sind die in mancherlei Hinsicht altbackenen bürgerlichen Tugenden eher das Gegenteil von Avantgarde.
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Helmut Zilk und Georg Kreisler als Handpuppen. Beide waren Freimaurer.
So verwirrend ist die Präsenz von Frauen
Ganz besonders gilt das für die Weigerung der meisten Freimaurerlogen, Frauen aufzunehmen. Das Argument war wohl schon zu Gründungstagen fragwürdig, mittlerweile klingt es nachgerade skurril: Frauen würden durch ihre Sexualität die Männer verwirren und so deren Logenarbeit stören und zu Streit führen.
Da jeder, der möchte, eine Freimaurerloge gründen kann, gibt es längst auch solche, die Frauen aufnehmen - die werden dann eben von Anhängern des international dominierenden englischen Ritus nicht anerkannt. In Österreich hat etwa der Freimaurerorden Droit Humain 23 Logen mit rund 500 Mitgliedern, von denen die meisten Frauen sind. Insgesamt gibt es hierzulande rund 3.500 Freimaurer.
Eine Katzenverschwörung
Selbstverständlich sind nicht nur Freimaurer begehrte Objekte von Verschwörungstheorien. Die Clowns wurden bereits genannt. Ein Auge sollte man aber auch auf die Katzen haben. Kann es Zufall sein, dass so viele Fotos von ihnen in Sozialen Netzwerken kursieren? Auch die Katzen wollen die Welt beherrschen, ihre Methode ist die Unterwanderung der (Sozialen) Medien. Wer das nicht glaubt, der möge sich eben eine andere Verschwörungstheorie zusammenbasteln mit dem Onlinebaukasten des ORF zur „Weltherrschaft“. Aber Vorsicht: Aluhut aufsetzen!
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