„Ende der Blockade eingeleitet“
Die Regierungsparteien haben sich mit den Grünen auf das Schulautonomiepaket geeinigt. Das bestätigten Vertreter der drei Parteien Montagvormittag. Die Reform muss mit Verfassungsmehrheit beschlossen werden, deshalb reichten die Stimmen nur der Regierungsparteien allein nicht.
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Die Reform war Gegenstand wochenlanger zäher Verhandlungen der Koalitionsparteien untereinander sowie mit möglichen Partnern, auch mit der FPÖ war gesprochen worden. Eine Einigung mit den Grünen scheiterte zuletzt an der geplanten Abstimmungsregel zur Einführung von Gesamtschul-Modellregionen. Nach der Idee vor allem der ÖVP hätte bloße Nichtbeteiligung von Eltern bei entsprechenden Abstimmungen de facto automatisch als Nein-Stimme gezählt.
Für Hammerschmid „längst überfällig“
Nun haben sich SPÖ, ÖVP und Grüne auf einen Kompromiss bei dem umkämpften Passus zur Modellregion geeinigt: Es reicht nun die einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen zur Entscheidung über die Einführung einer Gesamtschul-Modellregion, es muss sich jedoch in absoluten Zahlen (also inklusive jener Eltern, die an der Abstimmung nicht teilnehmen) mindestens ein Drittel aller Eltern für die Einführung der Gesamtschule aussprechen.

APA/Hans Punz
Mahrer, Hammerschmid und Walser bei der Verkündung der Einigung am Montag im Parlament
Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) zeigte sich „froh und erleichtert“. Nun könne man „den längst überfälligen Schritt Richtung moderne Bildung gehen“. Die Reform bringe neben der Möglichkeit zur Gesamtschule auch „mehr Freiraum für Unterricht und Schulentwicklung“ durch die Schulautonomie und „entpolitisierte und transparente“ Landesschulbehörden.
Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) unterstrich, dass in Sachen Gesamtschule das Mitspracherecht der Eltern und des Lehrpersonales gewahrt bleibe. Grünen-Bildungssprecher Harald Walser sieht „das Ende einer hundertjährigen Bildungsblockade eingeleitet“ und einen „wichtigen Schritt hin zur Realisierung der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen“ getan.
Grünes Licht für Vorarlberg als Modellregion
Insgesamt dürfen künftig bundesweit 15 Prozent aller Schulen einer Schulart die Gesamtschule erproben - also 15 Prozent der AHS-Unterstufen und 15 Prozent der Neuen Mittelschulen (NMS). Derzeit gibt es in Österreich rund 280 AHS-Unterstufen. 42 davon dürfen also insgesamt bei Modellversuchen mitmachen. Außerdem darf eine einzelne Modellregion nicht mehr als 5.000 AHS-Unterstufenschüler umfassen. Maßgeschneidert ist das etwa für ganz Vorarlberg, theoretisch aber auch das Burgenland.
Gemäß der nun gefundenen Lösung müssen an den einzelnen Standorten Eltern und Lehrer zustimmen: Die Lehrer stimmen dazu im Rahmen von Lehrerkonferenzen ab. Diese sind beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Pädagogen anwesend sind. Nötig ist dann eine einfache Mehrheit. Bei den Eltern muss bei einer Abstimmung ebenso die einfache Mehrheit erreicht werden. Nötig ist außerdem zusätzlich eine Mehrheit von einem Drittel der insgesamt Abstimmungsberechtigten.
Kern sieht nur „einen Schritt vorwärts“
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hatte sich schon am Montagvormittag verhalten optimistisch gezeigt, dass es zu einer Einigung kommen könnte. Die Reform könne „heute möglicherweise noch tatsächlich eingebracht“ werden, sagte Kern am Rande eines Besuchs einer „Brennpunktschule“ in Wien. Die Einigung erfolgte offenbar in Gesprächen vor Beginn der Nationalratssondersitzung zum Thema, die von NEOS einberufen wurde.
Die Bildungsreform ist für Kern nur ein Schritt vorwärts, dieser reiche allein „bei Weitem“ nicht aus. Entscheidend sei unter anderem, dass es zu einer personellen Aufstockung des Lehrpersonals kommt, unterstrich Kern eine seiner sieben Koalitionsbedingungen, wonach die SPÖ 5.000 neue Lehrerstellen fordert. „Wir brauchen einfach mehr Ressourcen für die Schulen“, so der Kanzler, der damit auch IT-Infrastruktur meinte. Jedes Kind müsse einen Laptop bekommen, jede Schule einen WLAN-Anschluss.
NEOS kritisiert mögliche Einigung vorab
NEOS wird trotz der Einigung nicht des Themas der Nationalratssondersitzung beraubt. Die per Dringlichen Antrag einberufene Sitzung soll die Forderung nach einer „echten“ Bildungsreform unterstreichen, bei der die „Partei- und Machtpolitik“ im Schulsystem hintangehalten und die zersplitterte Kompetenzlage vereinheitlicht werden soll. Schon vorab hatte NEOS eine mögliche Einigung als „mutlosen und durch den Fleischwolf der verschiedensten Macht- und Parteiinteressen gedrehten Minimalkonsens“ abgelehnt.
Ebenfalls bereits im Antrag zur Sitzung werden neben der Regierungskoalition mit einer bildungspolitischen „Chronologie des Versagens“ auch die Grünen für ihre Zustimmung kritisiert: Diese würden für ihre Zustimmung zur Reform „fast alles für eine Modellregion zur Gesamtschule opfern“. Trotzdem oder gerade angesichts der Kritik wollen SPÖ, ÖVP und Grüne die Sitzung gleich zur Einbringung ihres Antrags nützen, wie Hammerschmid vor deren Beginn sagte.
Van der Bellen lobt „wichtiges Signal“
Bundespräsident Alexander Van der Bellen freute sich über die geglückte „gemeinsame Kraftanstrengung“, die „ein wichtiges Signal“ sei. Die Parteien hätten trotz des Vorwahlkampfs Verantwortung wahrgenommen. Viel werde nun jedoch „von der Umsetzung abhängen. Wichtig ist, dass die Verbesserungen im Klassenzimmer ankommen.“
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