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Präsident mit umfassenden Vollmachten

Frankreichs Nationalversammlung ist das zentrale Gesetzgebungsorgan des Landes. Die 577 Abgeordneten werden nach dem Mehrheitswahlrecht für fünf Jahre bestimmt. Sie beraten im Pariser Palais Bourbon am linken Ufer der Seine über Gesetzesvorhaben.

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Die Nationalversammlung hat deutlich mehr Bedeutung als die zweite Parlamentskammer, der Senat. Denn bei Gesetzestexten haben die Abgeordneten das letzte Wort und können das Votum der Senatoren überstimmen. Dennoch hat die Nationalversammlung eine schwächere Stellung als beispielsweise der Nationalrat in Österreich. Die französische Verfassung von 1958 stattet den Präsidenten mit umfassenden Vollmachten aus. Der Staatschef als eigentliches Haupt der Exekutive ist dem Parlament keine Rechenschaft schuldig und kann nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit abgesetzt werden. Er kann die Nationalversammlung auflösen.

Unsichere Zeiten stärkten Präsidenten

Hintergrund des auf den Präsidenten zugeschnittenen Staatsgefüges sind die Krisenzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg (Vierte Republik), in denen Frankreich jahrelang keine stabile Regierungsmehrheit kannte. Charles de Gaulle, Gründer der Fünften Republik, übertrug deswegen das Recht, den Premierminister zu bestimmen, von den Volksvertretern auf den Präsidenten.

Der vom Präsidenten ernannte Premier - und damit auch der Präsident selbst - braucht trotzdem den Rückhalt der Nationalversammlung, also eine parlamentarische Mehrheit. Die Regierung muss zurücktreten, wenn die Parlamentsmehrheit einem Misstrauensantrag zustimmt. Bisher war das in der Fünften Republik allerdings erst einmal der Fall - 1962 unter dem damaligen Premier Georges Pompidou.

In der Vergangenheit kam es aber wiederholt vor, dass der Präsident in der Nationalversammlung keine Mehrheit hatte. Der Premierminister kam dann aus einem anderen politischen Lager. Eine solche Kohabitation, eine Art „Zwangsehe“ von Staats- und Regierungschef, gab es zuletzt von 1997 bis 2002.

Präsident hat seit 2002 immer Mehrheit

Seit 2002 finden Wahlen zum Präsidentenamt und zur Nationalversammlung kurz hintereinander statt. Seitdem bekam jeder neue Staatschef auch eine Mehrheit in der Nationalversammlung. Auf diese kann auch der neue Präsident Emmanuel Macron bauen. Die Gesetzesinitiative liegt bei der Regierung und bei den beiden Parlamentskammern. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens werden die Vorlagen von den Abgeordneten häufig noch stark abgeändert.

Französische Nationalversammlung

Reuters/Benoit Tessier

Die französische Nationalversammlung tagt im Palais Bourbon in Paris

Bei wackeligen Mehrheiten hat die Regierung ein starkes Druckmittel: Sie kann eine Gesetzesvorlage mit der Vertrauensfrage verbinden. Scheitert ein in der Folge eingebrachter Misstrauensantrag, ist der Gesetzesentwurf angenommen. Über diesen parlamentarischen Sonderweg brachte Macrons Vorgänger Francois Hollande zwei umstrittene Reformprojekte durch die Nationalversammlung.

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