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„Glücksfall für uns Deutsche“

Weltweit haben Spitzenpolitiker den am Freitag verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Kohl als historische Figur und überzeugten Europäer gewürdigt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete Kohl als „Glücksfall für uns Deutsche“. „Ich verneige mich vor seinem Andenken“, so Merkel.

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Der zuletzt gesundheitlich schwer angeschlagene Kohl war am Freitag in der Früh 87-jährig in seinem Haus in Ludwigshafen gestorben. Seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte er sich, indem er knapp ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 die Wiedervereinigung Deutschlands erreichte. Am 3. Oktober 1990 trat die frühere kommunistische DDR, aus der Merkel stammt, der Bundesrepublik Deutschland bei.

„Der richtige Mann zur richtigen Zeit“

Kohl habe die historische Chance zur deutschen Wiedervereinigung ergriffen, sagte die deutsche Kanzlerin in Rom. „Da war Helmut Kohl der richtige Mann zur richtigen Zeit.“ Man werde noch einige Zeit brauchen, um die Dimension seiner politischen Arbeit in Gänze zu würdigen, sagte Merkel.

Kohl, Merkel

APA/dpa/Uwe Anspach

Altkanzler Helmut Kohl und die amtierende Kanzlerin Angela Merkel am 23. April 2015 in Ludwigshafen

Er habe wie kein anderer verstanden, dass die europäische Einigung und die deutsche Einheit untrennbar miteinander verbunden seien. „Und er hat sich um beide Ziele wie kaum ein anderer verdient gemacht.“ Auch sie selbst habe ihm als Ostdeutsche zu verdanken, dass sie heute statt in einer Diktatur in Freiheit leben könne, sagte Merkel.

„Ein wirklich großer Deutscher“

In Deutschland würdigten Politiker über die Parteigrenzen hinweg Kohl für seinen Beitrag zur Einheit Deutschlands und Europas. Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, Kohls Politik sei maßvoll, integrierend und verlässlich gewesen, seine Leistungen seien bedeutend. „Wir dürfen ihm dankbar sein.“

Deutschlands Altkanzler Helmut Kohl gestorben

Als der Kanzler einer ganzen Generation und als Kanzler der deutschen Einheit wird Helmut Kohl in die Geschichte eingehen. Er starb am Freitag in seinem Haus in Ludwigshafen im Alter von 87 Jahren.

Außenminister Sigmar Gabriel sagte, Kohl habe sehr viel für die Einheit Deutschlands und Europas getan. „Es ist ein wirklich großer Deutscher gestorben.“ SPD-Chef Martin Schulz erklärte: „1989 war es seiner Geistesgegenwart, seinem politischen Mut und seiner Führungsstärke zu verdanken, dass die Wiederherstellung der deutschen Einheit möglich wurde.“ Er habe sich für Deutschland und Europa Verdienste erworben, die nicht vergessen würden. Auch Grüne und Linke würdigten Kohl als überzeugten Europäer.

Deutsche Flagge auf Halbmast

APA/AFP/John Macdougall

Auf dem deutschen Reichstag wurde die Flagge auf halbmast gesetzt

Auch Kohls Nachfolger Gerhard Schröder nannte Kohl einen großen Patrioten und Europäer. „Obwohl wir im Jahr 1998 einen harten Wahlkampf gegeneinander geführt haben und in vielen politischen Fragen weit auseinanderlagen und -liegen, habe ich für seine historische Leistung größten Respekt“, sagte der Sozialdemokrat dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Ohne Kohl gäbe es den Euro nicht“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ in Brüssel die Fahnen auf halbmast setzen und sagte: „Ohne Helmut Kohl gäbe es den Euro nicht.“ Juncker zeigte sich tief betroffen über den Tod Kohls. Dieser sei Europa und ihm persönlich „ein echter Vertrauter und Verbündeter“ gewesen, erklärte Juncker in Brüssel.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete Kohl ebenfalls als „persönlichen Freund“. Das heutige Europa sei ein Ergebnis von Kohls „Visionen und seiner Hartnäckigkeit, enormen Hindernissen zum Trotz“, teilte der portugiesische Ex-Premier mit.

„Einer der größten Staatenlenker“

Der frühere US-Präsident George Bush senior würdigte Kohl als „einen der größten Staatenlenker des Nachkriegseuropas“. Bush bezeichnete Kohl als einen „wahren Freund der Freiheit“, der sein Leben der Aufgabe gewidmet habe, die demokratischen Institutionen in seinem Heimatland und anderswo zu stärken.

Andreas Pfeifer (ORF) über Helmut Kohl

ORF-Außenpolitikchef Andreas Pfeifer über die Bedeutung Kohls für Deutschland und Europa.

Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte, Kohl sei „die Verkörperung eines vereinten Deutschlands in einem vereinten Europa“ gewesen. Als die Berliner Mauer fiel, zeigte er sich der Situation gewachsen. „Ein echter Europäer“, so Clinton. Deutlich später als viele andere amtierende und ehemalige Staats- und Regierungschefs in aller Welt reagierte US-Präsident Donald Trump mit einer Erklärung, in der er Kohl als „Freund und Verbündeten“ der USA bezeichnete, von dessen Lebenswerk die ganze Welt profitiert habe.

Verfechter der Freundschaft mit Moskau

Der russische Präsident Wladimir Putin würdigte Kohl als einen „prinzipiellen Verfechter freundschaftlicher Beziehungen“ zwischen Berlin und Moskau. „Ich hatte das Glück, persönlich mit Helmut Kohl sprechen zu können“, schrieb Putin in einem Beileidstelegramm. „Ich habe seine Weisheit bewundert und seine Fähigkeit, fundierte, zukunftsweisende Entscheidungen auch in schwierigsten Situationen zu treffen.“

Helmut Kohl

picturedesk.com/Ullstein Bild

Festakt zum offiziellen Inkrafttreten der deutschen Einheit in der Nacht auf den 3. Oktober 1990 vor dem Reichstag: (v. l.) Willy Brandt, Hans Dietrich Genscher, Hannelore und Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker, Lothar de Maiziere

Der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow bezeichnete Kohl als bedeutenden Politiker, der deutliche Spuren in der Weltgeschichte hinterlasse. „Er war ohne Zweifel eine außergewöhnliche Persönlichkeit, er hat die deutsche, europäische und internationale Geschichte geprägt“, so Gorbatschow. Kohl habe „ein großes Interesse an Russland“ gezeigt und den Westen „vor einer verächtlichen Haltung“ gegenüber Moskau gewarnt.

Botschaften aus Frankreich, Ungarn, Spanien, Israel

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte Kohl einen Baumeister des Friedens, der gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Francois Mitterrand an einem freien, starken und in demokratischen Werten vereinten Europa gearbeitet habe. „Mit Helmut Kohl verlieren wir einen sehr großen Europäer“, so Macron.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban schrieb auf seiner Facebook-Seite in einer zweisprachigen Botschaft: „Möge Gott dem Freund Ungarns, dem großen Alten Helmut Kohl gnädig sein.“ Die deutschsprachige Botschaft im selben Posting lautete: „Gott sei der Seele des Freundes Ungarns, des herausragenden Staatsmannes Helmut Kohl gnädig.“

TV-Hinweis

In memoriam Helmut Kohl zeigt ORF III am Sonntag um 22.55 Uhr den Nachruf „Der schwarze Riese“.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy nannte Kohl eine „Schüsselfigur des europäischen Prozesses und der Wiedervereinigung“ Deutschlands. „Mein tiefstes Beileid an die Familie, die Freunde und die Partner von Helmut Kohl“, schrieb der konservative Politiker auf Twitter. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte „tiefe Trauer“ über den Tod des früheren deutschen Kanzlers. Er sei „einer der größten Freunde des Staates Israel“ und der Sicherheit des jüdischen Staates „vollkommen verpflichtet“ gewesen, sagte Netanjahu am Freitag nach Angaben seines Büros.

Sohn Walter „sehr traurig“

Kohls Sohn Walter äußerte sich „tief betroffen“. Sein Vater habe schon vor Jahren allen Kontakt zu seinen Söhnen abgebrochen, sagte Kohl nach einem Besuch im Haus seines Vaters in Ludwigshafen-Oggersheim. Besonders die Enkel hätten „sehr darunter gelitten, dass ihr Großvater für sie nicht erreichbar war“. Es sei „schade, wenn man nicht in der Lage ist, Dinge in diesem Leben zu regeln“, sagte Walter Kohl. Er habe das über „verschiedene Kanäle versucht“, eine Aussöhnung fand jedoch nicht statt. „Sie sehen einen Menschen, der sehr traurig ist“, sagte Kohl.

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