Kinodoku: Kritisches Porträt von Jean Ziegler
Er war Chauffeur von Che Guevara, Mitglied der Jugendsektion der Kommunistischen Partei Frankreichs im Umfeld von Jean-Paul Sartre und später Abgeordneter im Schweizer Nationalrat. Man kennt Jean Ziegler als streitbaren Buchautor und als Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung in den Strukturen der UNO, wo er, wie er selbst sagt, die „subversive Integration in die Institutionen“ angetreten hat.
Nun gibt es zum ersten Mal ein umfassendes filmisches Portrait des Schweizer Soziologen und Bestsellerautors. Der Filmemacher Nicolas Wadimoff hat Ziegler auf zahlreichen Reisen begleitet und ein einfühlsames, aber auch kritisches Porträt von Ziegler vorgelegt. Gestern wurde es im ausverkauften Gartenbaukino präsentiert. 700 Personen waren anwesend, nach der Vorführung führte Lisa Mittendrein von ATTAC ein Gespräch mit Ziegler.
Revolutionäre gehen nicht in Pension
Trotz seines hohen Alters hat Ziegler in diesem Frühjahr ein weiteres Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel „Der schmale Grat der Hoffnung“. Ziegler will es nicht als Memoiren verstanden wissen - „das tönt zu sehr nach Tod“ -, sondern als eine „Pause am Wegesrand“. Seit dem Erscheinen des Buches und des Filmes von Wadimoff ist Ziegler nun wieder unermüdlich unterwegs, um die kapitalistische Weltordnung einer Grundsatzkritik zu unterziehen.
Doch das filmische Porträt, das ab 2. Juni in den österreichische Kinos läuft, hält selbst für eingefleischte Ziegler-Fans einige Überraschungen auf Lager: Regisseur Wadimoff, bekennender Anarchist, fordert den Protagonisten im Film im Zuge der zahlreichen Dialoge heraus. Seine kritischen Fragen zwingen den eingefleischten Marxisten Ziegler, auch über seine Widersprüche und Zweifel zu sprechen – das macht den Film sehenswert und spannend.
Von Genf über Havanna nach New York
Wadimoff begleitet Ziegler in die Konferenzsäle der UNO, laut Ziegler „eine erbarmungslose Welt“, in der es oftmals schwierig ist, Verbündete im Kampf gegen den weltweiten Hunger zu finden. Die Reise führt ihn nach München, zu den Protesten gegen den Gipfel der G-7, wo Ziegler als charismatischer Redner auftritt. Der Film folgt ihm und seiner Frau Erica nach Kuba, in Fernsehstudios in Havanna sowie zu sozialistischen Agrargenossenschaften.
Der Titel des Filmes ist an ein Zitat des italienischen Philosophen Antonio Gramsci angelehnt. Dieser sprach einst vom Pessimismus des Intellekts, dem der Optimismus des Willens gegenüberstehen müsse. Denn selbst wenn die Chancen für das Erreichen einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung schlecht stehen mögen, sei es dennoch von entscheidender Bedeutung, die individuelle und kollektive Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass eine gerechte Welt möglich ist. Für diese Haltung steht Ziegler wie kaum ein anderer – daran lässt der Film keine Zweifel.
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