Altes Experiment als mögliche Ursache
Sattes Orange lockt Bienen ebenso an wie Blumenliebhaber. Bis vor Kurzem konnten Konsumenten in manchen Ländern noch Petunien mit orange- bis lachsfarbenen Blüten erwerben - bis die Behörden einschritten. Denn die Farbe war durch Genmanipulation erzeugt und illegal vermarktet worden. Viele Hersteller mussten daraufhin ihre Pflanzen vernichten.
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Der Ursprung des „Petuniengemetzels“, wie das Wissenschaftsmagazin „Science“ nachverfolgte, liegt beim finnischen Biologen Teemu Teeri. Er fand vor zwei Jahren zufällig orangefarbene Petunien, die ihn an ein Gentechnikexperiment der 1980er Jahre erinnerten. Damals forschten Wissenschaftler des deutschen Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung daran, wie ein eingekreuztes Maisgen die Blumen dazu bringen könnte, das entsprechende Pigment zu bilden. Diese orangefarbenen Pflanzen kamen aber nie auf den Markt, zumindest nicht offiziell.
Suche nach Herkunft
Teeri untersuchte monatelang die zufällig gefundenen Blüten und kam dahinter, dass sie artfremdes Erbgut enthielten. Der Wissenschaftler meldete seine Entdeckung. Daraufhin wurden sie Behörden aktiv, Proben wurden genommen, Händler, Züchter und Zulieferer überprüft. Die gentechnisch veränderten Petunien waren von den Niederlanden und Deutschland aus nach Finnland geraten, wie die mühsame Detektivarbeit ergab.
Wenn gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Europäischen Union angebaut und gehandelt werden sollen, muss das genehmigt werden. Eine solche Genehmigung lag nicht vor. Behörden und die Branche betonten, dass von den Pflanzen keine Gefahr für Menschen oder Umwelt ausgehe. Die Samen seien nicht winterhart, die Petunien könnten sich nicht selbst verbreiten. Doch ohne den üblichen Zulassungsweg durften die Petunien nicht in den Handel.
Auch in USA illegal auf dem Markt
Den Weltmarkt schienen die Gentech-Petunien jedoch längst erobert zu haben. Sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden stellten die Behörden gentechnische Veränderungen der in Finnland identifizierten Petunien fest. In der Folge wurden auch in den USA Gentech-Petunien gefunden, ebenfalls ohne Genehmigung.
Derzeit werden 13 Sorten mit exotischen Namen wie „Sweetunia Orange Flash“ und „African Sunset“ gelistet, die illegalerweise verkauft wurden, rund 20 weitere stehen im Verdacht - die Zahl ist im Steigen begriffen. Die Pflanzen seien aus Afrika, Asien, Mittelamerika, Europa, Südamerika, Australien, Israel und Mexiko eingeführt worden, so der Tier- und Pflanzengesundheitsdienst des US-Landwirtschaftsministeriums (APHIS).
Letzte Station Mülldeponie
Auf beiden Kontinenten wurden daraufhin Händler und Züchter aufgefordert, die Pflanzen zu vernichten. Laut „Science“ blieb ihnen nur das Verbrennen der Ware, Kompostieren oder Entsorgung auf einer Mülldeponie. Ob die orangefarbenen Petunien, die nun die Blumenmärkte durchrütteln, tatsächlich noch von den deutschen Experimenten vor rund 30 Jahren stammen, ist weiter unklar. Zumindest ein Sprecher des Max-Planck-Instituts hielt das für ausgeschlossen. Diese Forschungen würden schon lange nicht mehr geführt, und Petunien seien gerade deshalb gewählt worden, weil sie sich nicht weiterverbreiten.
Eine genveränderte Sorte könnte auch im Lauf der Jahre in ein europäisches Zuchtprogramm geraten sein. Den Weg vollständig nachzuvollziehen ist angesichts der zahlreichen Firmenfusionen in der Pharmabranche und ihren agrarischen Teilbereichen nahezu unmöglich. Ob es daher zu einer juristischen Verfolgung kommt, ist ebenfalls fraglich. Viele Händler dürften über die Jahre unwissentlich das genveränderte Saatgut verkauft haben.
Die Fehlerquelle dürfte jedenfalls in menschlichem Versagen liegen: „Ich habe keine Ahnung, was zwischen 1987 und heute passiert ist“, sagte Craig Regelbrugge, Vizepräsident der amerikanischen Handelsgruppe AmericanHort, zu „Science“. „Irgendwann scheint jemand vergessen zu haben, dass die neue Blütenfarbe durch Gentechnik zustande kam.“
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